Gaspericher TierasylKeine Abgabewelle in Coronazeiten

Gaspericher Tierasyl / Keine Abgabewelle in Coronazeiten
Rund 80 Hunde beherbergt das Tierasyl in Gasperich in normalen Zeiten. In den letzten zwei Wochen konnten aber viele davon an verantwortungsbewusste Halter vermittelt werden. Darauf wird in Gasperich viel Wert gelegt. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die Krisenzeit hat das Tierasyl in Gasperich bis heute relativ gut überstanden. Befürchtungen etwa, dass in unsicheren Zeiten mehr Tiere abgegeben werden, sind nicht eingetroffen. Die Mitarbeiter bleiben aber auf der Hut.

Infektionsgefahr, Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote – bizarre Zeiten sind es allemal. Einen schweren Stand haben vor diesem Hintergrund auch viele Tierheime. In manchen Städten im Ausland berichten Tiervereinigungen etwa von einem gestiegenen Interesse an Adoptionen. Aber nur auf Zeit: Menschen, die auf einmal viel Zeit zu Hause verbringen müssten, wollen plötzlich von den Heimen wissen, ob es möglich sei, Hunde oder Katzen vorübergehend auszuleihen.

Es seien vor allem Familien mit Kindern gewesen, die vermehrt zum Telefon gegriffen hätten, meinte etwa die Sprecherin eines Tierheims in Frankfurt am Main. Man wolle das Haustier anschließend wieder zurückgeben, wenn die Maßnahmen wieder gelockert würden. „Das war am Anfang so schlimm, dass das Telefon fast nur noch deshalb geläutet hat“, so die junge Frau gegenüber der Frankfurter Lokalpresse. Sätze wie „Im Hoffe-Office hätte ich gerade viel Zeit für einen Hund“ seien keine Ausnahme gewesen. Ein Vater meinte sogar, dass sein Sohn zu viel Zeit vor dem Computer verbringe. „Ein Hund wäre da doch eine tolle Sache, bis er wieder zur Schule muss“, so das Argument.

Andere Tierheime berichten von verunsicherten Tierbesitzern. Sie stellen sich die Frage, ob sich Hunde und Katzen bei infizierten Menschen anstecken könnten. Tatsächlich sind vereinzelte Fälle bekannt. Zum Beispiel aus Belgien, wo das Virus vor Wochen bei einer typischen Schmusekatze nachgewiesen wurde, die ihre Nase immer wieder im Gesicht ihres Besitzers rieb. Berichte in den sozialen Medien, wonach Tierheime immer voller würden, weil Tierbesitzer ihre Schützlinge aus Angst vor einer Ansteckung abgeben würden, tragen nicht unbedingt dazu bei, die Menschen zu beruhigen.

Keine Panik in Luxemburg

Liliane Ferron vom Tierasyl in Gasperich kennt diese Berichte. Auch sie weiß, dass manche Menschen zuletzt viel Zeit hatten, die sie mit einem Haustier zu verbringen gedachten. Doch ist das Tierheim am Rande der Hauptstadt bisweilen von negativen Erfahrungen und Rückgaben verschont geblieben. Im Gegenteil sogar: Seit der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen am 20. April konnten die Pfleger des Heimes mehr als ein Dutzend Hunde an verantwortungsbewusste Halter vermitteln.

In der Regel zählt das Tierasyl zwischen 75 und 80 Hunde. „Jetzt aber sind es nur noch knapp über 50“, so die Sprecherin und Vizepräsidentin der „Lëtzebuerger Déiereschutzliga“. Abgaben gab es hingegen kaum seit Beginn der Corona-Krise. „Eigentlich hatten wir uns darauf eingestellt, vor allem wegen der Unsicherheit in puncto Übertragungsgefahr. Doch glücklicherweise sind die Tierhalter hier nicht in Panik verfallen“, freut sich die Tierliebhaberin. Man habe lediglich im Notfall einige Hunde aufnehmen müssen, deren Besitzer ins Krankenhaus mussten.

„Ansonsten aber hat sich die Krise bei uns in Grenzen gehalten“, so Ferron. Vielmehr habe man in Gasperich den Eindruck gewonnen, als hätten die Menschen jetzt mehr Zeit gehabt, sich um ihre Lieblinge zu kümmern. „Sodass etwa weniger Hunde und Katzen entlaufen sind“, wagt die Sprecherin eine Erklärung. Doch so richtig wisse man es nicht. Es seien eben komische Zeiten.

Tatsächlich wurde die Vermittlung von Haustieren erst am 20. April mit den Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen wieder fortgesetzt. In den Wochen zuvor musste auch das Tierheim zumindest für die Öffentlichkeit schließen. „Unser Hauptanliegen war natürlich die Gesundheit der Mitarbeiter. Auch konnten wir uns keinen Krankheitsausfall leisten. Wer kümmert sich um die Tiere, wenn die gesamte Mannschaft in Quarantäne muss?“, so Ferron. Aus diesem Grund seien sämtliche Kontakte nach außen unterbunden worden. So auch das bei den Luxemburgern beliebte Gassi-Programm.

Bis zu hundert Besucher stehen an normalen Wochenenden vor dem Asyl Schlange, um mit den Hunden Gassi zu gehen. Aktuell aber müssen sich die Mitarbeiter so organisieren, dass jeder Liebling mal vor die Tür kann. 
Bis zu hundert Besucher stehen an normalen Wochenenden vor dem Asyl Schlange, um mit den Hunden Gassi zu gehen. Aktuell aber müssen sich die Mitarbeiter so organisieren, dass jeder Liebling mal vor die Tür kann.  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Tatsächlich stehen an normalen Wochenenden bis zu hundert Besucher Schlange vor dem Tierheim, um mit den Pensionären einen Spaziergang zu unternehmen. „Wegen der Ausgangsbeschränkungen aber ist das zurzeit nicht möglich“, betont die Heimsprecherin. Wegen der Hunde aber müsse sich niemand sorgen: Die Mitarbeiter hätten sich so organisiert, dass die Lieblinge auch weiterhin frische Luft schnappen können. „Den Hunden soll es auch in Krisenzeiten an nichts fehlen“, meint Ferron mit einem Augenzwinkern.

Allerdings wurden in diesem Zusammenhang auch die Adoptionsprozeduren etwas angepasst. So legt das Tierheim in normalen Zeiten enorm viel Wert darauf, dass sich Hund und Besitzer bei einem oder mehreren Spaziergängen kennenlernen. Die begleitenden Tierpfleger können sich im Umkehrschluss ein Bild über den möglichen Halter machen und entscheiden, ob das Tier zur Familie passt und eine Adoption überhaupt infrage kommt. „Da wir aber die Kontakte auf ein Minimum reduzieren wollten, fallen diese Spaziergänge nun aus“, so Ferron. Und dies werde wohl auch nach den Lockerungen am 11. Mai noch eine Zeit lang so bleiben.

„Wir können nichts erzwingen“

Vor diesem Hintergrund fällt nun dem einführenden Begrüßungs- und Beratungsgespräch eine noch bedeutendere Rolle zu. Am Telefon versuchen sich die Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass das Tier auch tatsächlich zum potenziellen Halter passt und dieser über die nötige Zeit und Mittel verfügt, dem Tier ein schönes Zuhause zu bieten. Es kommt auch vor, dass sich die Pfleger vor Ort ein Bild der möglichen neue Bleibe machen. „Einfacher ist es natürlich, wenn wir die Leute bereits kennen. Ansonsten aber versuchen wir, uns ein gründliches Bild zu machen. Besonders jetzt, da viele Menschen plötzlich so viel Zeit haben. Deshalb vergewissern wir uns, dass das auch nach Corona noch der Fall ist“, verrät Liliane Ferron.

Tatsächlich überlässt das Tierheim bei der Vermittlung seiner Hunde und Katzen auch in normalen Zeiten nichts dem Vorfall. Bei einem initialen Begrüßungsgespräch wird zunächst geprüft, ob Tier und Halter kompatibel sind. „Hunde zum Beispiel, die zuvor von Kindern gepiesackt wurden, können wir nicht in eine Familie mit Kleinkindern vermitteln. Auch wenn die Kinder noch so lieb sind. Doch die Hunde wissen das nicht. Für sie ist das Stress pur“, erklärt die Sprecherin. In dem Fall versuchen die Mitarbeiter, zusammen mit dem Interessenten ein passenderes Tier zu finden.

Bei der Vermittlung achten die Mitarbeiter des Tierheims darauf, dass Hund und Besitzer sich im wahrsten Sinne des Wortes auch riechen können
Bei der Vermittlung achten die Mitarbeiter des Tierheims darauf, dass Hund und Besitzer sich im wahrsten Sinne des Wortes auch riechen können Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

In einer zweiten Etappe werden Tier und Mensch erstmals zusammengeführt, um sich bei einem Spaziergang besser kennenzulernen. Hat die Familie bereits einen Hund zu Hause, besteht das Tierasyl auf einen weiteren Termin, bei dem sich die beiden auch kennenlernen können. Erst dann kann der künftige Halter das Tier zwei bis drei Wochen zur Probe mit nach Hause nehmen. „Verläuft auch diese Phase positiv, dann können die Adoptionspapiere unterschrieben werden“, so Ferron. Mit dieser Prozedur habe man gute Erfahrungen gemacht: „Niemand hat etwas davon, wenn das Tier nach wenigen Tagen wieder bei uns vor der Tür sitzt.“

Derzeit seien sich die Mitarbeiter im Tierasyl noch nicht ganz sicher, ob die niedrigen Abgabezahlen ein gutes Omen seien: „Wir müssen sehen, was nach der Krise passiert. Wenn zum Beispiel die Menschen wieder arbeiten müssen und sehen, dass sie keine Zeit für ihr Tier mehr haben“, so die Sprecherin des Tierasyls. Man werde auf jeden Fall versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Etwas anderes bleibe ihnen auch nicht übrig: Im Endeffekt sei es den Hunden überlassen, betont Liliane Ferron. „Wenn sich beide Seiten im wahrsten Sinne des Wortes nicht riechen können, können auch wir nichts erzwingen.“