Ein Urteil wegen Pädokriminalität hat Luxemburg vor Kurzem in Aufruhr versetzt. Der angeklagte Familienvater soll neben dem Besitz und der Weitergabe von zahlreichen kinderpornografischen Inhalten auch Inzest begangen und inzestuöse Inhalte angefertigt haben. Europol machte die Luxemburger Kriminalpolizei bereits 2019 auf den Fall aufmerksam. Eine Wohnungsdurchsuchung fand neun Monate später statt, die Auswertung der mehr als 10.000 sichergestellten Fotos dauerte drei Jahre. Im Februar 2025 kam es zum Prozess und am vergangenen 27. März wurde das Urteil gesprochen – sechs Jahre nach der Meldung von Europol.
In einer parlamentarischen Anfrage vom vergangenen Mai fragt der Abgeordnete Marc Baum („déi Lénk“) unter anderem, wie es zu den langen Verzögerungen nach der Europol-Meldung, der Wohnungsdurchsuchung und dem Beginn des Verfahrens kommen konnte.
„Wenn eine Meldung übermittelt wird, sei es von Europol, der Kriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft, wird sie von den zuständigen Behörden systematisch geprüft“, schreibt Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) am Mittwoch in ihrer Antwort. Ein sofortiges Eingreifen sei nicht möglich, weil bloße Meldungen oft lückenhaft oder ungenau seien. In den meisten Fällen seien Vorprüfungen nötig, um die betroffene Person eindeutig zu identifizieren und grundlegende Informationen für die weiteren Ermittlungen zu beschaffen. Dazu zählen technische Recherchen, Anfragen bei Dritten oder Kontrollen vor Ort. Nach Abschluss dieser Vorarbeiten übermittele die Kriminalpolizei einen Bericht an die Staatsanwaltschaft. Nur diese könne ein Ermittlungsverfahren einleiten – Zwangsmaßnahmen dürften nur durch einen Untersuchungsrichter angeordnet werden.
Auswertung der Daten sehr aufwändig
Was den aktuellen Fall in Luxemburg angeht, hätten die beschriebenen operativen Umstände sowie Covid-19-Einschränkungen zur Tatzeit zu den Verzögerungen geführt – ohne jedoch „die Sorgfalt, mit der die Untersuchung durchgeführt wurde“, zu beeinträchtigen. Die Durchsuchung sei Teil einer groß angelegten Aktion im Juli 2020 gegen Kinderpornografie mit Luxemburg-Bezug gewesen. Dabei seien 46 Hinweise gleichzeitig verfolgt worden. Die Maßnahme habe umfangreiche logistische Koordination und spezialisierte Fachkräfte zur Auswertung der sichergestellten Daten und IT-Datenträger erfordert. Die Durchsuchungen seien nur einer von zahlreichen Ermittlungsschritten zur Beweissammlung gewesen.
Laut Ministerin war die Auswertung der dabei sichergestellten Daten wegen ihres Umfangs und ihrer Komplexität sehr aufwändig. Für jede Meldung habe ein eigener Bericht erstellt und der Justiz zur weiteren Entscheidung übermittelt werden müssen. Die 46 Durchsuchungen seien bewusst gleichzeitig durchgeführt worden, um einen Beweisverlust nach Bekanntwerden einzelner Maßnahmen zu verhindern. Dies habe die Einsatzplanung zusätzlich komplexer gemacht.
Täter und Opfer lebten weiter zusammen
Die fast dreijährige Verzögerung bei der Weiterleitung der Analyseergebnisse an die Justiz sei auf den Umfang des Falls zurückzuführen. Die Ministerin merkt zudem an, dass „die Ermittler zum Zeitpunkt der Durchsuchung über keinerlei Hinweise verfügten, dass die Person nicht nur kinderpornografisches Bildmaterial besaß, sondern auch selbst hergestellt hatte“. Erst nach einer eingehenden Analyse der beschlagnahmten Datenträger seien Hinweise auf die eigene Herstellung gefunden worden. Der Untersuchungsrichter habe nach Erhalt der Polizeiberichte beschlossen, die betroffene Person zu vernehmen und anzuklagen.
Neben dem Ablauf der Untersuchungen interessiert sich Marc Baum in seiner Anfrage auch für die Wohnverhältnisse der Betroffenen. Tatsächlich lebte der Beschuldigte auch nach der Aufdeckung des Missbrauchs noch lange mit seinem Opfer im selben Haushalt. Warum also wurden die beiden nicht getrennt, fragt Baum.
Ministerin Margue gibt an, die zuständigen Stellen hätten „unverzüglich Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit des Kindes zu gewährleisten“. Nach der Erhebung der Anklage sei ein Kontaktverbot zum Opfer verhängt worden. Eine Sozialuntersuchung habe jedoch „keine unmittelbare Gefährdung“ ergeben, die eine „Unterbringung des Kindes außerhalb seiner Familie gerechtfertigt hätte“. Daraufhin sei das Verbot aufgehoben worden. Eine Veröffentlichung des Inhalts dieser Untersuchung sei aus Jugendschutzgründen nicht möglich.
Keine automatische Untersuchungshaft
Was eine Unterbringung des geständigen Verurteilten in Untersuchungshaft betrifft, so ermittele der Untersuchungsrichter nach der Übergabe einer Akte „gemäß den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit“ sowohl gegen als auch für den Beschuldigten. Aufgrund fehlender unmittelbarer Gefährdung und ausreichender Verfahrensgarantien habe er in diesem Fall von einer Untersuchungshaft abgesehen. Der Ministerin zufolge ist die Untersuchungshaft auch in sensiblen Fällen keine automatische Maßnahme und muss stets verhältnismäßig sein. Alternativen wie richterliche Kontrolle sicherten den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf.
Die Ministerin beschreibt darüber hinaus die Bekämpfung von Pädokriminalität und sexueller Gewalt sowie den Schutz von Gewaltopfern als „eine Priorität der Regierung“. Eine Gesetzesänderung von 2023 verschärfe die Strafen und verlängere die Verjährungsfristen für Straftaten gegen Minderjährige. Weitere Gesetzesvorschläge zielten unter anderem auf erleichterte Haftstrafen bei schweren Verbrechen und den Ausbau von Überwachungsmaßnahmen. Zudem würden Justiz und Polizei personell verstärkt.
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