Google, Bissen und Corona„Jetzt erkennen viele, wie wichtig Datencenter sind“

Google, Bissen und Corona / „Jetzt erkennen viele, wie wichtig Datencenter sind“
Die Gemeinderatssitzung vom 19. Juni 2019 begann mit einer Protestaktion der lokalen Bürgerinitiative Foto: Editpress-Archiv

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Die Nachricht sorgte vor fast genau zwei Jahren sofort für viel Aufregung: Der Internetgigant Google möchte ein Datencenter in der Gemeinde Bissen bauen. In letzter Zeit ist es ruhig geworden um dieses Projekt, dies wohl nicht zuletzt wegen der sanitären Krise. Doch dies heiße nicht, dass sich in diesem Dossier nichts tut, so Bürgermeister David Viaggi („Är Leit“) auf unsere Nachfrage hin.

Der Bauträger „London Bridge“ hat ein rund 33 Hektar großes Areal auf „Busbierg“ zwecks Bau eines Google-Datencenters erworben. Eine erste Hürde bestand in der Umklassierung des genannten, in seiner Fläche etwa 50 Fußballfeldern gleichkommenden Areals in eine „Zone spéciale Datacenter“. Dank des einstimmigen Votums vom 7. Januar 2019 erhofften sich die Gemeinderäte aus Bissen eine transparentere Zusammenarbeit mit dem Internetgiganten, die bis dahin arg zu wünschen übrig gelassen hatte.

Doch diese Rechnung ging nie so richtig auf. Informationen wurden nur scheibchenweise übermittelt und alle Partner im Rahmen dieses Projekts waren lange Monate in Wartestellung. Weder in der Informationsveranstaltung vom 22. Januar 2019, die von der Gemeinde einberufen wurde, noch in der Bürgerversammlung, zu der Google am 21. November 2019 eingeladen hatte, gab es schlüssige Informationen zum definitiven Umfang des Datencenters, zum Strom- und Kühlwasserverbrauch, zum Geräuschpegel der Kühlaggregate, zur Lichtverschmutzung usw., usf.

Da sämtliche Fragen noch immer offen im Raum standen, enthielten sich die fünf Oppositionsräte bei der nächsten Etappe zu diesem Projekt, nämlich der definitiven Abstimmung über die Umklassierung des Areals auf „Busbierg“. Zwei CSV-Räte stimmten gegen ihren Schöffenrat, so wurde die Umklassierung mit nur vier Stimmen durchgeboxt. Im Endeffekt sorgte dieses Votum für viele Kollateralschäden. Zuerst gab es einen CSV-internes Disput, anschließend kehrten Bürgermeister Schummer und Rätin Barros der CSV den Rücken zu. Dadurch änderten sich die Mehrheitsverhältnisse im Bissener Gemeinderat, was zu einem Wechsel an der Spitze der Gemeinde sowie des gesamten Schöffenrats führte.

177 Bürger-Beschwerden

Ende November vergangenen Jahres lag der Teilbebauungsplan (PAP) fürs Datencenter im Rathaus zur Einsicht aus. Doch auch dieses Papier gab eigentlich wenig Aufschluss darüber, was auf „Busbierg“ einmal wirklich entstehen soll. Keine einzige Zeile was den Strom- und Wasserverbrauch anbelangt stand darin zu lesen. Das werde in der anstehenden Umweltverträglichkeitsstudie untersucht und veröffentlicht, hieß es damals. „Auf diese Studie werden wir wohl noch lange warten müssen, doch der PAP muss demnächst im Gemeinderat verabschiedet werden, und dann gibt es für die Gemeinde kein Zurück mehr“, so Bürgermeister Viaggi im Dezember vergangenen Jahres.

Bedingt durch die momentane sanitäre Krise und die in diesem Zusammenhang beschlossenen großherzoglichen Reglemente, die u.a. besagen, dass die Entscheidung über Bebauungspläne zurzeit in der Schwebe gehalten werden, habe man nun mehr Zeit, die Konformität des PAP „Datacenter“ genau unter die Lupe zu nehmen sowie auf die 177 Beschwerden aus der Bevölkerung einzugehen, so Viaggi. Die so gewonnenen Erkenntnisse würden dann in den Teilbebauungsplan einfließen. „Dazu sollte man aber wissen, dass es sich bei den insgesamt 177 eingegangenen Beanstandungen in 140 Fällen um vorgedruckte Formulare handelt, die nur unterschrieben werden mussten. Die restlichen 37 Beschwerden sind eigens vom Absender verfasste Briefe“, so David Viaggi. Dazu kommen noch Einwände von den lokalen Organisationen „Pro Bissen“ und „Biirgerinitiativ Bissen“ sowie vom „Mouvement écologique“.

Geräuschpegel, Lichtverschmutzung …

Die meisten Fragen und Einwände beziehen sich auf den zu erwartenden Geräuschpegel, auf die Landschaftsverschandelung, auf den eventuell zu erwartenden Rückgang der Lebensqualität in der Gemeinde, auf die Lichtverschmutzung, auf die Höhen der geplanten Gebäude sowie auf den Wasser- und Stromverbrauch des Datencenters. Was den zulässigen Geräuschpegel anbelangt, gab uns Bürgermeister Viaggi am Samstag unmissverständlich zu verstehen, dass „vom genehmigten zulässigen Gesamtgeräuschpegel in dem Bereich, in dem das Gelände für das Datencenter liegt, für Google nicht mehr viel übrig bleibt“. Das wird auch so im Teilbebauungsplan festgehalten. Der Internetgigant muss sich strikt an diese Vorgaben halten. „Wird diese Vorgabe, neben einigen anderen, nicht vom Bauherr berücksichtigt, gibt es kein Datencenter in Bissen“, sagt Viaggi.

Das Gleiche gelte für andere Punkte. Da wäre zum Beispiel die Wunschliste der Gemeinde an die zuständigen Ministerien was u.a. die allgemeine Verkehrslage in und um Bissen anbelangt. „Unsere Bevölkerung darf bei diesem Projekt nicht der absolute Verlierer sein. Das lassen wir auf keinen Fall zu. Wir haben genaue Vorstellungen, wie wir die Lebensqualität in unserer Gemeinde absichern beziehungsweise verbessern können. Wir wollen in diesem Sinne schriftliche Zusagen der Regierung.“

Einen klaren Kopf behalten

Während des momentanen Moratoriums, was die Entscheidungen über die Bebauungspläne anbelangt, könnte eigentlich die ausstehende Umweltverträglichskeitsstudie gemacht werden. „Warum geschieht das nicht?“, wollten wir von Bürgermeister Viaggi wissen. „Diese Frage stellen wir uns natürlich auch. Im Normalfall wäre diese Studie die nächste Etappe nach der Verabschiedung des Teilbebauungsplans, die der Bauherr in die Wege leiten muss. In diesem Fall und unter den jetzigen Umständen könnte man die genannte Studie bereits jetzt durchführen. Google weiß das …“

Was den Kontakt der Gemeindeführung mit der Google-Chefetage anbelangt, so gebe es periodisch Unterredungen. Google habe sich zudem zu Beginn der sanitären Krise bei der Gemeinde Bissen gemeldet, um sie mit ihren Diensten und Programmen speziell für die Aktionen „E-Schooling“ oder auch in Sachen Telearbeit zu unterstützen. „Diese Solidaritätsaktion in Krisenzeiten ist natürlich lobenswert, doch wir werden weiter einen klaren Kopf in diesem Dossier behalten“, sagt Viaggi.

Zu verstehen gab uns Viaggi andererseits, dass es sich vor allem in der momentanen Lage herausstellen würde, wie wichtig Datencenter doch seien. „Man sollte mir nun nicht unterstellen, ich sei ohne Weiteres für ein Datencenter in Bissen, wenn ich Folgendes in den Raum stelle: Jeder benutzt in diesen Tagen das Internet fürs Home-Office, für Telearbeit, für Videokonferenzen, für E-Schooling, für E-Consult usw. Das und vieles mehr wäre ohne Datencenter nicht möglich.“

Und was sagt die Opposition?

Interessant ist auch, wie sich die CSV-Opposition in diesem Dossier weiterhin verhält. Als das Vorhaben Datencenter 2018 bekannt wurde, hatte die CSV das Sagen im Schöffen- sowie im Gemeinderat und stimmte damals auch mehrheitlich für die definitive Umklassierung des Areals auf „Busbierg“. Zwei CSV-Räte hatten sich jedoch gegen ihren Schöffenrat gestellt (siehe oben).

Wir wollten vom früheren CSV-Schöffen und heutigem Oppositionsrat Carlo Mulbach wissen, wie die CSV denn heute dem Projekt Datencenter gegenübersteht. Wie wird die Opposition beim Votum über den Teilbebauungsplan abstimmen? „Ech kann iech just dat heite soen: Mir sinn eis eens, datt mer eis dës Kéier eens sinn.“ In welche Richtung es gehen wird, darüber konnte oder wollte sich Carlo Mulbach am Samstag nicht aussprechen, gab aber gleich zu verstehen, dass der Opposition noch nicht alle Informationen sprich Reaktionen der zuständigen staatlichen Instanzen zum Teilbebauungsplan vorliegen würden.

„Wir geben uns auf keinen Fall zufrieden mit Aussagen (wie sie im PAP festgehalten sind; Anm. der Red.) wie ‚Eine Geräuschstudie kann, muss aber nicht durchgeführt werden’. Solche Aussagen sind uns natürlich viel zu ungenau.“

Und was den oben erwähnten Wunschzettel der Gemeinde an die Regierung anbelangt, „so unterschreiben wir den natürlich mit beiden Händen. Ich wünsche der neuen Mehrheit um Bürgermeister Viaggi, dass sie mehr Gehör als wir im Innen- und auch im Wirtschaftsministerium findet. Als der frühere Schöffenrat, dem ich ja angehörte, damals bei Taina Bofferding und Etienne Schneider vorstellig wurde, gab man uns lediglich das Gefühl mit auf den Heimweg, wir sollten uns doch glücklich schätzen, dass ein Gigant wie Google ein solches wichtiges Projekt in unserer Gemeinde plant.“

Garde-fou
31. März 2020 - 8.39

@Dingo: genee esou ass et. Et soll een trotz Corono-kriese net aus den Aaen verléieren wat WIRKLECH wichteg ass, an wat nëmmen den Anschein huet wichteg ze sinn...

Dingo
30. März 2020 - 19.14

Und offenbar brauchen wir noch einige heisse Sommer nebst Rationalisierung des Trinkwassers bis manche Befürworter merken, dass ihr Datenzenter nicht des Rätsels Lösung sein wird. Sie können ja dann zuhause in Echtzeit auf dem Bildschirm verfolgen wie die Trinkwasserreserven zur Neige gehen.

Carlo
30. März 2020 - 18.08

Jo, Richtich. Och en Militärsatellit ass immens wichtig. Datt den Préis elo vun 170 op 350 Milliounen geet sinn ganz einfach Kinkellitzercher. Déi Suen spuren mer einfach un den Infirmiers an Infirmièren an um équipement. Militäraffairen hun einfach eng aaner Dimensioun. Iwregens och waat Zuel vun den Doudegen ugeet.

brauer
30. März 2020 - 17.42

Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass.

jean-pierre goelff
30. März 2020 - 14.16

Tja,manche kapieren's eben etwas spät,hoffentlich nicht zu spät!

de Bunnert
30. März 2020 - 9.59

Wie gewohnt und üblich hierzulande: zuerst gegen etwas Sturm laufen und dann später die Einsicht, dass man voreilig , schlecht informiert und nur über Halbwissen verfügend, mit seiner Einschätzung falsch lag. Wenn ich von etwas profitiere, bin ich dafür. Wo bleibt da die Kosequenz? Und dann die Aussage von der CSV Opposition: " Wir sind uns einig, dass wir uns diesmal einig sind ". Nicht schlecht! Einig inwiefern: dafür oder dagegen? Abwarten und Tee trinken.

Jacques Zeyen
30. März 2020 - 9.56

LKW-Fahrer mit ihren "störenden" Brummis haben diese Tage auch eine ganz andere Aura bekommen. Aber so sind wir eben,wir ärgern uns über alles was uns nervt in unserer gehetzten Welt.Wir wollen unseren Müll loswerden,sind aber gegen eine Verbrennungsanlage oder Deponie.Wir wollen "surfen" sind aber gegen Rechenzentren. Wird das sich ändern nach Corona? Werden die Krankenpfleger/innen endlich ein endsprechendes Gehalt bekommen? Werden wir noch Kliniken bauen die nicht auf Gewinn aus sind? Man darf daran zweifeln.