StrafvollzugImpfung im Gefängnis: Zwischen skeptischen Insassen und niedrigen Infektionszahlen

Strafvollzug / Impfung im Gefängnis: Zwischen skeptischen Insassen und niedrigen Infektionszahlen
Das Gefängnis in Schrassig scheint gut durch die sanitäre Krise zu kommen. Doch die Justizministerin warnt vor verfrühtem Optimismus. Symbolbild: AFP

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In Luxemburg explodieren die Infektionszahlen. Mit einer Ausnahme: Im „Centre pénitentaire“ (CPL) scheinen die Maßnahmen zu greifen. Zuletzt wurden nur acht Personen positiv auf Covid-19 getestet. Die meisten Einschränkungen wurden zuletzt gelockert, während viele Insassen der Impfung noch skeptisch gegenüberstehen. Doch die Tendenz ist vielversprechend, wie die Gefängnisverwaltung versichert. 

Die Infektionsraten steigen, täglich werden neue Höchststände registriert: Die sanitäre Krise hat Luxemburg fest im Griff. Es gibt aber auch Ausnahmen zu vermelden. Wie zum Beispiel die Justizvollzugsanstalt in Schrassig: Im Gefängnis ist die Zahl der Infizierten in den letzten Wochen gesunken. So wurden am Montag nur noch acht Personen positiv auf Covid-19 getestet. Zum Vergleich: Ende November waren es zeitweise über 40. Hundert Insassen mussten zwischenzeitlich in Quarantäne.

In Schrassig sind die jüngsten Entwicklungen laut Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) zu weiten Teilen auf die großen Anstrengungen der Direktion zurückzuführen. Man habe zuletzt viel daran gearbeitet, die Lage wieder in den Griff zu bekommen, so das Regierungsmitglied am Rande einer Pressekonferenz Anfang dieser Woche.

Fluch und Segen

Infrastrukturell ist ein Gefängnis Fluch und Segen zugleich: Eigentlich kann der geschlossene Rahmen durchaus dabei helfen, das Virus aus der Strafvollzugsanstalt herauszuhalten. Kommt es dennoch auf engstem Raum zu einer Ansteckung, wird die Übertragung des Virus hinter Schloss und Riegel noch begünstigt. So weiß auch die Justizministerin, dass die aktuelle Lage nicht unbedingt von Dauer ist. Es handele sich vielmehr um eine Momentaufnahme, die jederzeit ändern könne.

Im Gefängnis gelten auch ganz andere Voraussetzungen: Zum einen leben und arbeiten in Schrassig mehr als 1.000 Menschen auf engstem Raum. Zum anderen handelt es sich bei den Insassen um eine besonders gefährdete Bevölkerung: Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen sind Menschen in Gefangenschaft vom physischen Zustand her rund zehn Jahre älter als Gleichaltrige auf freiem Fuß. Vor diesem Hintergrund sei es demnach besonders wichtig, das Virus so gut es geht draußen zu halten.

Einfach ist das nicht: So gehen an Spitzentagen im Gefängnis mehr als tausend Menschen ein und aus. Es sind dies unter anderem Mitarbeiter, Besucher oder Angestellte von Zulieferfirmen und anderen Unternehmen, die einer Arbeit in der Vollzugsanstalt nachgehen. Für all diese Personen gilt inzwischen das Covid-Check-System. Ausgenommen sind nur die Insassen, die vorbestimmte Bereiche nicht verlassen.

Getestet werden hingegen sämtliche Häftlinge, die nach einem Ausgang wieder zurück in diesen ausgewiesenen Sicherheitsperimeter kommen. Und Insassen, die im Gefängnis einer Arbeit nachgehen. Letztere haben die Möglichkeit, sich zwei bis drei Mal die Woche selbst zu testen. Der Antigen-Test ist allerdings freiwillig, eine kleine zusätzliche Sicherheit für Häftlinge und Personen, die mit den Betroffenen in Kontakt kommen.

Insgesamt wurden die sanitären Maßnahmen in den letzten Monaten wieder gelockert. So waren in Zeiten des Lockdown etwa keine unbewachten Besuche mehr möglich. Auch konnten die Insassen nie mehr als zwei Besucher empfangen. Im Innern des Gefängnisses waren die Bewegungen stark eingeschränkt, externe Mitarbeiter von Drittunternehmen durften die Anstalt nicht betreten.

Laut Justizministerin Sam Tanson sind die Regeln inzwischen weitaus weniger strikt als noch zu Zeiten des Lockdown. Besucher – drei pro Insasse – werden wieder im großen Saal empfangen, Plexiglas-Abtrennungen wurden abmontiert und Anwälte können wieder in gesicherten Besuchszimmern gesprochen werden. Auch Sprechstunden mit Sozialarbeitern und anderen Spezialisten sind wieder möglich, solange die sanitären Bestimmungen eingehalten werden. „Im Prinzip laufen sämtliche Aktivitäten im ,Centre pénitentiaire‘ wieder normal – natürlich im Einklang mit den geltenden Barrieregesten“, bestätigt eine Sprecherin der Gefängnisverwaltung.

Justizministerium hält sich bedeckt

Nur was die Impfbereitschaft angeht, spricht die „Administration pénitentiaire“ von einem gewissen Vorbehalt auf Seiten der Insassen. Diese Aussage deckt sich mit Informationen des Tageblatt, wonach die gesamte Gefängnisbevölkerung der Impfung mehr skeptisch als befürwortend gegenübersteht. Dies gelte auch für die Vollzugsbeamten, wie ein Insider dieser Zeitung verrät.

Fakt ist: Mindestens zwei Vollzugsbeamte wurden inzwischen vom Dienst suspendiert, nachdem sie bei Protesten gegen die Covid-Politik der Regierung wegen Störung der öffentlichen Ruhe aufgegriffen wurden. Ob die Suspendierungen in einem direkten Zusammenhang mit den Antivax-Aktivitäten der Beamten stehen, konnte und wollte die Gefängnisverwaltung bislang nicht bestätigen. Aus Prinzip werde die Behörde keine Personalangelegenheiten in der Öffentlichkeit kommentieren, ließ Justizministerin Sam Tanson auf Nachfrage des Tageblatt wissen.

Ähnliches gilt auch für Impfquoten innerhalb der Gefängnismauern: Aus Datenschutzgründen hält sich das Justizministerium diesbezüglich bedeckt, wie aus einer rezenten Antwort der Justizministerin auf eine Dringlichkeitsanfrage des Abgeordneten Léon Gloden (CSV) hervorgeht. „Le taux de vaccination des détenus au CPL et au CPG ainsi que le taux de vaccination des agents pénitentiaires ne peut pas être fourni pour des raisons de protection de données“, schreibt Tanson am 30. November 2021.

Gefängnisgitter sind Fluch und Segen zugleich bei Corona: Sie halten das Virus einerseits draußen, können aber dessen Verbreitung innerhalb der Anstalt begünstigen
Gefängnisgitter sind Fluch und Segen zugleich bei Corona: Sie halten das Virus einerseits draußen, können aber dessen Verbreitung innerhalb der Anstalt begünstigen Foto: Editpress/Philippe Reuter

Fest steht zumindest, dass zuvor rund ein Drittel der Gefangenen das Angebot eines mobilen Impfzentrums angenommen hatten, um sich eine erste Dosis verabreichen zu lassen. Das verrät nämlich die Gesundheitsministerin in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage. Demnach hätten zu jenem Zeitpunkt rund 180 Insassen eine erste Dosis erhalten, während drei weitere Personen mit einer zweiten Dosis geimpft worden seien. Das war im April 2021.

Wie es inzwischen im CPL aussieht, will die Gefängnisverwaltung nicht preisgeben. Nur so viel könne man verraten: „Die Insassen sind zwar noch immer etwas zurückhaltend, doch geht der Trend, sich impfen zu lassen, nach oben“, so eine Sprecherin gegenüber dem Tageblatt. Man versuche, den Gefangenen regelmäßig Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen. Etwa mit Aushängen der Direktion oder Auskünften auf der Krankenstation. „Außerdem haben die Insassen Zugang zur geschriebenen Presse und den TV-Nachrichten“, erklärt die Sprecherin.

Die Vollzugsbeamten werden hingegen nicht in die Aufklärungsarbeit mit einbezogen, wie die Gefängnisverwaltung bestätigt. Dies sei Aufgabe des „Service médical“. Den Großteil ihrer Informationen erhalten die Insassen vom Personal der Krankenstation. Die Impfung wird auf Termin von einem Arzt im CPL durchgeführt. „Ähnlich wie draußen beim Hausarzt“, so die Sprecherin. Hin und wieder werden auch Impfkampagnen mit Mitarbeitern der „Santé“ durchgeführt. „Das ist vergleichbar mit den Prozeduren im Impfzentrum: Die Insassen erhalten ein Datum und können sich einschreiben.“

Zeehl
22. Januar 2022 - 12.38

Wir nehmen ihnen die Freiheit weg zu wählen, wo sie schlafen wollen, was sie essen oder trinken und die Freiheit an sich aber beim Impfen werden sie gefragt?

Ich nehme an Soldaten werden auch gefragt ob sie Lust auf einen Gewaltmarsch haben?