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Museumsdirektorin äußert sich zum Abbau der Kapelle

Einerseits stammt das Werk von einem Künstler, der in der sogenannten „Affaire Lunghi“, in der es zu problematischen politischen Implikationen kam, klar Partei für den ehemaligen Mudam-Direktor ergriffen hatte. Anderseits – und dies ließ im derzeitigen Kontext aufhorchen – stockte der Informationsfluss in der aktuellen Angelegenheit oder brach gar gegen Staudämme. Antworten ließen lange auf sich warten (siehe untenstehende Zeitleiste) oder blieben aus. Und zwar nicht nur in Bezug auf die Kapelle, sondern auch bezüglich der eventuellen Entlassung eines Kurators.

Neben dem Tageblatt hatten mehrere andere luxemburgische Medien Antworten seitens des Mudam verlangt und Interviewanfragen gestellt. Letztendlich wurden sie zu einem Treffen geladen, bei dem es jedoch hieß, man wolle die diversen Redakteure einfach nur kennenlernen. Einige der Medien, die am stärksten über das Thema berichtet hatten, erhielten gar nicht erst eine Einladung.

In besagtem Gespräch am Mittwochmittag stellte die neue Mudam-Direktorin Suzanne Cotter, nach mehrfachem Nachfragen der anwesenden Medien, klar: Die Entscheidung, Wim Delvoyes „Chapelle“ abzubauen, hatte sie selbst getroffen. Diese Hauptfrage war vor allem in den zwei Wochen zuvor mehrfach aufgeworfen, jedoch nicht beantwortet worden.
Indes betonte Cotter, diese Entscheidung habe sie nicht im Alleingang gefällt. Wie am 29. März in einer Pressemitteilung angekündigt, wolle man einen neuen Blick auf die Sammlung des Mudam ermöglichen.

In diesem Rahmen sei es auch zu Gesprächen mit ihrem Personal gekommen, das von sich aus angemerkt habe, dass Delvoyes Werk nun schon sehr lange im Fokus gestanden habe und es Zeit werde, anderen, bisher ungezeigten Werken Aufmerksamkeit zu schenken.
Diesbezüglich erwähnte Cotter u.a. die sogenannten „médiateurs“, die im Museum Kinder beim Entdecken der Kunst begleiten. Als Cotter die Entscheidungsfindung schilderte, fügte sie hinzu, sie habe selbst anfangs nicht gewusst, dass die „Chapelle“ abbaubar sei.
Auf die Frage hin, warum die Kommunikation in dieser Sache teils ganz ausgeblieben oder nur schleppend verlaufen sei in den vergangenen Wochen, reagierte die Museumsdirektorin ausweichend.

Sie sei zum einen mit ihrem Umzug von Portugal nach Luxemburg beschäftigt gewesen und habe das Geschehen daher nur aus der Ferne mitverfolgen können, hieß es gestern Mittag.
Zum anderen habe sie nicht gewusst, dass eine derartige kuratorische Entscheidung zum Politikum werden könne. Die Museumsdirektorin gestand, sich der Sensibilität der Angelegenheit nicht bewusst gewesen zu sein und hängte an, die Berichterstattung aufgrund von Sprachbarrieren nicht gänzlich verstanden zu haben.

Hier sei die Anmerkung erlaubt, dass ein Großteil der bisherigen Artikel und Interviews zum Thema auf Französisch verfasst wurden, also in einer Sprache, die Cotter vollends beherrscht, wie sie während des Gesprächs bewies. Zudem findet man seit über einem Monat die vollständigen Übersetzungen der deutschsprachigen Pressetexte zur „Affaire Lunghi“ in Catherine Gaengs Buch „Lynchage médiatique et abus de pouvoir. Chronique de l’affaire Lunghi-RTL-Bettel“. Cotter wird am Freitag, auf Anfrage der CSV, bei der Kulturkommission vorstellig. „Das ist einschüchternd, aber ich habe keine Angst“, so Cotter am Mittwoch. Außerdem betonte sie unablässig, keine „personne politique“ zu sein.

Übrigens erfolgte benannte Anfrage am selben Tag wie Kulturminister Bettels kurze Antwort auf die parlamentarische Anfrage des ADR-Politikers Fernand Kartheiser bezüglich des Abbaus der Kapelle. Man habe aber bei der Einladung beteuert, das Treffen ziele lediglich darauf ab, dass sie ihre Visionen und künftige Projekte vorstelle, so Cotter.

Kleines Land, was nun?

Während des Gesprächs beteuerte Cotter immerfort, sie wolle über die Zukunft des Museums sprechen, dafür sei sie schließlich auf diesen Posten berufen worden. Damit dies möglich wird, ist jedoch nicht nur ein gewisses Maß an Vergangenheitsbewältigung vonnöten, sondern es bedarf sicherlich auch einer besseren Kenntnis der gegenwärtigen kulturpolitischen Sachlage. Es darf hierbei nicht vergessen werden, dass das Mudam lange vor Enrico Lunghi bereits Inhalt politischer Grabenkämpfe war.

Es steht außer Zweifel, dass Frau Cotter ein schweres Erbe angetreten hat, nachdem der Abgang ihres Vorgängers zwar freiwilliger Natur war, aber unter Umständen passierte, die anderenorts auch auf politischer Ebene potenziell weitreichendere Konsequenzen gehabt hätten.

Aufgrund des bisherigen Verlaufs der Kommunikation bleiben nach wie vor mehrere Fragen offen.

 

Zeitleiste

15.3.
Le Quotidien meldet, dass einer Quelle zufolge die „Chapelle“ von Wim Delvoye abgebaut werden soll.

23.3.
Fernand Kartheiser stellt eine parlamentarische Anfrage in Bezug auf den geplanten Abbau und möchte allem voran wissen, ob die Meldung zutreffend ist.

29.3.
In einer Pressemitteilung des Mudam wird von der Verlängerung der finanziellen Unterstützung durch „The Leir Charitable Foundations“ berichtet. Im zweitletzten Satz findet der Abbau der „Chapelle“ Erwähnung.

3.4.
Kulturminister Xavier Bettel bestätigt in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage ebenfalls, dass die Auftragsarbeit des belgischen Künstlers abgebaut werden soll.

11.4.
„The Leir Charitable Foundations“ veröffentlicht eine Stellungnahme, in der betont wird, dass sie dem Mudam jegliche Entscheidungsfreiheit zugesteht in Bezug auf die Verwendung der von ihr erteilten Spenden und dass sie zu keinem Moment den Abbau der Kapelle verlangt habe.

18.4. morgens
Das Tageblatt veröffentlicht diverse „cartes blanches“, in denen Akteure aus der Zivilgesellschaft die Frage beantworten sollen, ob man es in Luxemburg häufiger mit einer Zweckentfremdung der Kunst durch die Politik zu tun hat. Dies wird dort teilweise bejaht.

18.4. abends
Sowohl Kulturminister Bettel als auch der Staatssekretär für Kultur, Guy Arendt, verweigern jegliche Stellungnahme zu genannten Aussagen.

24.4.
Die Museumsdirektorin Suzanne Cotter nimmt erstmals Stellung und gibt Gründe für ihre Entscheidung an.