Hippokrates bis Trump: Was ein Amtseid heute noch wert ist

Hippokrates bis Trump: Was ein Amtseid heute noch wert ist
Foto: Isabella Finzi

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Angesichts der Affären um die Gesundheitskasse (CNS) und die Gemeindeverwaltung in Hesperingen drängt sich die Frage auf, was heute ein Amtseid noch wert ist. Dies vor allem auch in Zeiten, in denen die Handlanger eines amerikanischen Präsidenten, kurz nachdem dieser die Finger von der Bibel nahm, mit retuschierten Bildern die Zahl der Besucher bei seiner Vereidigung frisierten.

Von Carlo Kass

Der Eid verpflichtet zur Wahrheit (Gerichtsverfahren) und zum Tragen der Konsequenzen (Fahneneid) des abgegebenen Versprechens. Er wurde in religiösen Zeiten oft als bedingte Selbstverfluchung bezeichnet, da bei einem Eid eine Gottheit als Eideshelfer und als Rächer der Unwahrheit angerufen wurde. Eide gibt es aber nicht nur in der europäischen Rechtstradition. Es gab sie bereits bei den Griechen, Römern und Kelten sowie in China, im Heiligen Land und bei zahlreichen ethnologisch untersuchten indigenen Völkern.

Hippokrates und die Schweizer 

Der wohl bekannteste Eid, der heute noch Gültigkeit besitzt, ist der des Hippokrates aus dem antiken Griechenland, der die Mediziner zur Einhaltung ihrer Berufspflichten und anderen ethischen Prinzipien verpflichtete, die u.a. darin bestanden, die Kranken vor Schaden zu bewahren und dabei die Pflicht zur Verschwiegenheit zu achten.

Und die aus dem Nationalmythos des Rütlischwurs geborene helvetische Konföderation, also die Schweizer Eidgenossenschaft, baut ihrerseits auf einer kollektiven Selbstverpflichtung auf. Diese Eidgenossenschaft wurde zum abstrakten Rechtsbegriff des staatlichen Fundaments gleichberechtigter Bürger im Gegensatz zur damaligen Feudalherrschaft. Im 16. Jahrhundert mutierte der Begriff „Eidgenosse“ in Form von „eiguenot“ ins vorrevolutionäre Frankreich und wurde dort in semiotischer Anlehnung an den Namen des Genfer Bürgermeisters und führenden Protestanten Besançon Hugues zur Bezeichnung der stark calvinistisch geprägten Hugenotten.

Staatsprägend

Der Eid wurde also staatsprägend in den feudalen Strukturen, die sich aus der Neuzeit in die vormodernen Stadtstaaten der inzwischen daraus entstandenen Nationen retteten.
Doch wie kann man dem Eid in unseren säkular gewordenen Politstrukturen, in denen die wenigsten Bürgerinnen und Bürger (also der hexagonale citoyen) noch an Gott glauben, wieder zu alter Grandezza verhelfen? Nun, indem wir Versprechen nicht mehr mit versprechen verwechseln und von der menschlich unerträglichen Wahrheit zur Wirklichkeit umschalten.

Vor modernen Gerichten, in denen vor nicht allzu langer Zeit noch Kruzifixe hingen, wäre der Wahrheitsfindung schon Genüge getan, wenn man die Zeugen nicht auf „die ganze Wahrheit, nichts als die Wahrheit“ schwören ließe, sondern dem Menschen, der notgedrungen subjektiv und oft als Geschichtenerzähler unterwegs ist, einen Eid auf die von ihm wahrgenommene Wirklichkeit abnehmen würde. Sollte man dem Zeugen später eine bewusste und/oder vorsätzliche Lüge nachweisen, kann man ihn immer noch des Meineides anklagen.

Denn was sollte man von all den Eiden halten, die im Bommeleeër-Prozess geschworen wurden? Und das – wir können es nicht oft genug wiederholen – ausgerechnet von Mitgliedern des konstituierten Korps (konstituiert kommt von Verfassung!) mit der Person des Großherzogs als Eidesformel am Ende der Fahnenstange, das in diesem Land das Monopol der bewaffneten Macht bewacht und diese Gewalt für eigene Zwecke missbrauchte. Das war ganz einfach nur Fahnenflucht, also Fernbleiben von militärischen Verpflichtungen in Friedenszeiten.

Göttliche Wahrheit und menschliche Wirklichkeit 

Welch paradigmatischen Effekt dieses katastrophale Beispiel von staatlichem Anarchismus auf die Luxemburger Gemeinschaft hatte und noch haben wird, kann wohl erst in einigen Generationen genau ermessen werden. Bis dahin sollten wir uns jedoch der Frage stellen, wie wir künftig mit der göttlichen Wahrheit und der menschlichen Wirklichkeit umgehen wollen. Beide sind nämlich notwendig, um eine ausgleichende Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten, die ihren Namen verdient: den der Justiz.

Denn um die Symbolik einmal umzudrehen: Ohne Göttin Justitia sind die beiden anderen Mächte im Staate Montesquieus blind! Und damit die drei Gewalten in einer Demokratie ordentlich funktionieren, braucht es eine moderne Verfassung, die im bürgerlichen Urvertrauen in der res publica, also der „Öffentlichen Sache“, wurzeln müsste. Tut sie das nicht, dann steht der Staat auf wackeligen Füßen. Die Politiker sollten dem Wahlvolk also keinen fertigen Text vorlegen, sondern die Bürger auf die offenen Fragen antworten lassen.

Laird Glenmore
24. Juli 2019 - 9.01

”BLUT und EHRE” Stimmt, man hatte mir mal in meiner Jugend ein Fahrtenmesser geschenkt da stand auf der Klinge auch BLUT UND EHRE und da wo normaler weise die Lilie im Griff ist war ein rotes Emblem mit einem weißen Kreis in dem das Hakenkreuz war, ich habe es sofort an einen Sammler gegeben weil ich es nicht haben wollte um keine Problme zu bekommen.

jeff
23. Juli 2019 - 7.57

just eng kleng Korrektur:"BLUT und EHRE" stung bei der SS drop,während "Gott mit uns" bei der Wehrmacht stoung.Egal.Dir hut trotzdem Recht.Dat ass alles paradox.

Moggel
23. Juli 2019 - 7.08

In Luxusburg sind diese Zeiten längst vorbei, genauso in den angrenzenden Ländern. Aber es gibt noch Menschen bei denen Handschlagsqualität gilt, wo ein Wort eine Sache der Ehre ist und ein Eid etwas Ehrenwertes ist. Das habe ich speziell dort erfahren wo manche hier glauben da würde nur der Abschaum der Menschheit leben. Ehre ist ein wichtiges Gut, jedoch wissen leider viele Menschen nicht mehr was Ehre bedeutet. Bei Politikern z.B. ist dieses Wort schon lange nicht mehr im Gebrauch und nur noch eine Floskel.

Nomi
22. Juli 2019 - 17.30

Mir hun jo Trennung vun Kirch an Staat. Misst do net dei' Satzung an der Verfassung richteg gestallt ginn ?

Nomi
22. Juli 2019 - 17.29

Ich bin Ihrer meinung i !

post-truth
22. Juli 2019 - 16.32

In dieser ehrwürdigen Aufstellung gehören auch noch die Anwälte! Sie schwören nur "in ihren Augen" gerechte Streitfälle zu verteidigen oder zu beraten ... präzise, Artikel 6 (2) vom Gesetz vom 10. August 1991: "de ne conseiller ou défendre aucune cause que je ne croirais pas juste en mon âme et conscience"

Laird Glenmore
22. Juli 2019 - 16.09

Ein Amtseid ist heutzutage nichts mehr Wert, die Menschen die ihn ablegen haben vielleicht die besten Vorsätze alles im Sinne ihres Amtes für den Bürger zu machen, aber wenn sie einmal in dem System sind und sehen welche Möglichkeiten sie auf Grund ihrer Machtposition haben werden oft alle Regeln über Bord geworfen und das alt bewerte tritt in Kraft " Clübchenbildung und Vetternwirtschaft ", Ok ich will nicht alle über einen Kamm scheren aber die Realität sieht leider so aus. Alles wofür andere zur Rechenschaft gezogen werden tritt hier außer Kraft oder wird so gedreht als wenn nichts geschehen wäre. Im Grunde könnte man auf diesen Eid verzichten aber der ist ja wieder mit einem Arbeitsessen verbunden das man sich nicht entgehen lassen will, man gönnt sich ja sonst nichts.

de Schmatt
22. Juli 2019 - 14.31

Die Zeiten, wo ein Wort noch ein Wort war und ein Eid etwas Heiliges,, Ehrenwertes, Verbindliches, sind längst vorbei.

Jacques Zeyen
22. Juli 2019 - 14.10

Ein Thema welches mich schon länger interessiert. Ich bin Atheist. Muss ich auch auf die Bibel schwören?! Was hab ich mit dieser Märchenfibel zu tun? Zusammengeschusterte Geschichten aus staubiger Zeit der Ahnungslosigkeit und Unwissens. Müsste die Bibel nicht durch ein "irdisches" Gesetzbuch ersetzt werden auf das man seine Hand legt? Und die Floskel " Sowahr mir Gott helfe "ist ja auch keine Versicherung ,dass der Eidleister kein Schurke ist. "Gott mit uns" stand einst auf den Gürteln der SS-Schergen. Man sieht, der Grat zwischen Heiligkeit und Gangsterei ist sehr schmal.