GeschäftsweltGegen Einsamkeit: In Luxemburg gibt es (noch) keine Plauderkassen 

Geschäftswelt / Gegen Einsamkeit: In Luxemburg gibt es (noch) keine Plauderkassen 
Auch wenn es keine spezifischen Kassen dafür gibt, wird in vielen Supermärkten dennoch beim Bezahlen geplaudert Foto: Editpress/Julien Garroy

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Neue Möglichkeiten für zwischenmenschlichen Kontakt bieten und so gegen Einsamkeit vorgehen – das ist das Ziel sogenannter Plauderkassen, wie sie immer mehr im Ausland zu finden sind. In Luxemburg gibt es ähnliche Projekte nicht. Vorstellen könnten es sich aber so manche.

Sich beim Bezahlen Zeit nehmen, ohne Eile die Einkäufe einpacken und dabei noch ein Pläuschchen halten: Wenn die Person vor einem das in der Supermarktschlange tut, sorgt das bei gestresster Kundschaft schnell für Unmut. In einigen Geschäften im Ausland ist das an sogenannten Plauderkassen aber ausdrücklich erwünscht. Das Ziel: Gegen Einsamkeit vorgehen. „Die Plauderkasse schafft neue Kontaktmöglichkeiten und bietet Zeit für Gespräche und ‚Langsamkeit‘“, heißt es dazu in einer Pressemitteilung der deutschen Stadt Kempen Mitte Februar. Kurz zuvor haben dort zwei große Supermarktketten solche Projekte umgesetzt.

In Luxemburg gibt es ähnliche Initiativen bislang nicht – wie es auf Nachfrage von der Pressestelle des Ministeriums für Familie, Solidarität, Zusammenleben und Unterbringung von Flüchtlingen heißt: „Bis dato ist dem Ministerium kein Supermarkt und kein Ort bekannt, der eine solche Plauderkasse anbietet.“ Allerdings begrüßt man beim Ministerium jede Initiative, die zur Stärkung von Inklusion beiträgt und sozialer Isolation in der Gesellschaft entgegenwirkt. 

Keine konkreten Pläne

Und so wird zumindest darüber nachgedacht, die Idee auch im Großherzogtum umzusetzen. „Im Ministerium laufen intern Überlegungen, das Konzept der Plauderkassen, die Erfahrungen aus dem Ausland und eine mögliche Umsetzung in Luxemburg zu analysieren“, heißt es von der Pressestelle. Demzufolge soll die Möglichkeit überprüft werden, gemeinsam mit potenziellen Partnern zur Thematik zu sensibilisieren. So heißt es: „Das Ministerium ist prinzipiell immer dazu bereit, mit möglichen Partner zusammenzuarbeiten und sie bei der Umsetzung von solchen Projekten zu begleiten.“ 

In vielen Geschäften wird laut deren Pressestellen Wert darauf gelegt, die Kundschaft beim Bezahlen nicht zu hetzen
In vielen Geschäften wird laut deren Pressestellen Wert darauf gelegt, die Kundschaft beim Bezahlen nicht zu hetzen Foto: Editpress/Julien Garroy

Überlegungen für eine konkrete Umsetzung scheint es bisher eher nicht zu geben – wie die Nachfrage in der Luxemburger Geschäftswelt zeigt. In den 27 großen und 40 kleineren Geschäften einer bekannten Supermarktkette gibt es zum Beispiel keine Plauderkassen. Laut der Abteilung für Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoring von Cactus S.A. wird nämlich viel Wert darauf gelegt, allen Gästen der Geschäfte einen guten Service zu bieten. „Wir hetzen unsere Kunden nicht und lassen ihnen ausreichend Zeit, um ihre Einkäufe in die Tüten zu räumen und – wenn sie das wollen – vor dem Bezahlen einige Worte mit unseren Kassiererinnen zu wechseln.“ 

Ähnlich sieht es bei einer Kette biologischer Fachhandelsfilialen aus, in deren Augen die Einführung von Plauderkassen nicht notwendig ist. Denn, so heißt es von der Pressestelle der Oikopolis-Gruppe, zu der unter anderem zehn Naturata-Läden gehören: „Wir legen großen Wert auf den direkten Austausch mit unseren Kunden sowie auf eine individuelle Beratung. (…) Dies beinhaltet auch, dass wir ihnen an der Kasse die nötige Zeit geben, die sie benötigen – und dies nicht nur zu bestimmten Uhrzeiten oder zeitlich beschränkt.“ Tatsächlich sind die gemütlichen Kassen in der Praxis nur während festgelegter Stunden und Tagen besetzt.

Offen für Neues

Auch bei einer Supermarktkette aus Frankreich mit drei großen und 16 kleineren Geschäften in Luxemburg gibt es bislang keine Plauderkassen. Aber: „Das könnte Thema in einem Fragebogen für die Kundschaft sein, um herauszufinden, ob Bedarf besteht“, so Auchan Retail Luxembourg. Über diesen Weg wurde man auch darauf aufmerksam, dass das Einführen sogenannter „Stiller Stunden“ in den Geschäften durchaus Sinn machen würden. Mitte Juni 2023 wurden diese in zwei großen Shoppingcentern in Luxemburg-Stadt eingeführt.

Während festgelegten Stunden wird dabei die Beleuchtung gedimmt und Hintergrundmusik deutlich leiser gedreht oder ganz abgestellt. Diese mit der „Fondation Autisme Luxembourg“ (FAL) ausgearbeiteten Initiative kommt vor allem Menschen mit Autismus, aber auch besonders sensibler Kundschaft zugute – und all denen, die allgemein einfach einen Einkauf in ruhiger Umgebung bevorzugen. „Momentan konzentrieren wir uns darauf, aber wir verschließen uns nicht vor anderen Entwicklungen“, heißt es von der Pressestelle. Wenn auch solche spezifischen Bezahlmöglichkeiten in den Supermärkten in Luxemburg aktuell eher kein Thema sind, könnte das in Zukunft vielleicht anders aussehen.

Eine Idee aus dem Ausland

Immer mehr wird in Geschäften im Ausland die Idee sogenannter Plauderkassen umgesetzt. Zu meist festgelegten Uhrzeiten nimmt das Personal sich ganz bewusst Zeit für einen Plausch und achtet darauf, dass beim Bezahlen keine Eile aufkommt. In der deutschen Stadt Kempen ist das in zwei Supermärkten seit Februar der Fall. Auf ihrer Webseite informiert die Stadt über das Projekt, das von der städtischen Seniorenberatung gemeinsam mit zwei Einkaufsmärkten und einer Werbeagentur umgesetzt wurde. Wie es in einem Beitrag vom Westdeutschen Rundfunk Köln (WDR) heißt, geht die Idee auf eine Initiative aus den Niederlanden zurück. Bereits 2017 soll es dort die ersten Projekte gegen Einsamkeit gegeben haben. Unter anderem im schweizerischen Basel wurde das Konzept ebenfalls aufgegriffen und wird seit Oktober 2022 als Pilotprojekt in einem Supermarkt und einer Apotheke umgesetzt. 


Mehr zu diesem Thema:
– Für einen reizärmeren Einkauf: Shoppingcenter haben „stille Stunden“ eingeführt
Unabhängig, aber nicht alleine: So sieht der Alltag in einer inklusiven WG aus
– Allein, aber nicht einsam / Wie Senioren trotz Isolation nicht vereinsamen