Fritz Remackel: „Ist links nicht mehr sexy für Esch?“

Fritz Remackel: „Ist links nicht mehr sexy für Esch?“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Am Donnerstagabend findet die ordentliche Generalversammlung der Escher LSAP-Sektion, die mit rund 300 Mitgliedern eine der größten hierzulande ist, statt. Nach zwölf Jahren wird Präsident Fritz Remackel (63) nun sein Amt zur Verfügung stellen. Die Gemeinderätin und LSAP-Abgeordnete Taina Bofferding wird seine Nachfolge antreten. Wir haben uns im Vorfeld mit dem scheidenden Präsidenten unterhalten.

Tageblatt: Seit wann sind Sie im Amt?

Fritz Remackel: Seit Januar 2006. Das sind jetzt etwas mehr als zwölf Jahre. Es ist an der Zeit, Jüngeren Platz zu machen. Bei der außerordentlichen Generalversammlung im Dezember, bei der wir die Wahlniederlage analysiert haben, klang ja schon an, dass wir uns unbedingt erneuern müssen. Es ist also ein logischer Schritt. Und wenn nicht jetzt, wann dann? Der Nachwuchs steht zudem in den Startlöchern und ist bereit, Verantwortung zu übernehmen.

Und Taina Bofferding wird Sie beerben?

So ist es jedenfalls geplant. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Taina Bofferding das Ruder übernehmen wird und zusammen mit einer jungen Mannschaft für den nötigen frischen Wind sorgen wird. Wir haben die Vorarbeiten hierfür in die Wege geleitet. Wir standen ja nach den Wahlen vom Oktober vor der Herausforderung, wie wir uns neu aufstellen und neu strukturieren können.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie Ihre Präsidentschaft Revue passieren lassen?

Wir waren die ganze Zeit über in der Mehrheit und haben als LSAP jahrzehntelang das politische Leben in Esch bestimmt. Das ist nun vorbei. Deshalb nimmt auch die Bedeutung der Partei in meinen Augen nun zu. Wir sind in der Opposition und nicht mehr in der Exekutive. Wir müssen uns für 2023 neu aufstellen. Denn eines ist sonnenklar: Da wollen wir das Rathaus zurückerobern.

Wenn Sie sagen, die Jüngeren müssen das Ruder übernehmen, an wen denken Sie da konkret?

Wir haben reichlich talentierte Jungpolitiker in unseren Reihen. Ich denke da allen voran an Taina Bofferding, an Mike Hansen, an Jeff Dax, an Joëlle Pizzaferri, an Stéphane Biwer und auch an Sacha Pulli und an Ben Funck. Mir ist hinsichtlich ihrer Kompetenzen und ihres Engagements alles andere als angst und bange. Meine Philosophie ist es ohnehin, die Jungen ins kalte Wasser zu werfen, damit sie ihre Erfahrungen machen können. Und Fehler machen gehört dazu. Der Wechsel kommt deshalb zum richtigen Zeitpunkt. Es hat keinen Sinn, dass ich bis 2021 an meinem Platz klebe. Es geht nun darum, die richtige Oppositionspolitik zu definieren und dann umzusetzen.

Sie sagten eben, dass Sie das Rathaus zurückerobern wollen. Was lief eigentlich schief im Oktober?

Wir sind einfach nicht mehr nah genug an den „Escher“ gewesen. Und haben Fehler gemacht. Deshalb haben wir viele Wähler verloren. Hinzu kommt, und das kann man nicht bestreiten, eine Art „Usure“. Es hat ja nicht nur mit Inhalten zu tun, sondern auch mit Köpfen. Vera Spautz, Henri Hinterscheid, Jean Tonnar sind allesamt lange dabei. Es ist in der Politik so wie in anderen Bereichen auch: Neue Köpfe sorgen für neuen Elan und vor allem auch für neue Perspektiven. Der Erfolg der CSV kommt nicht von ungefähr. Georges Mischo ist jung und unverbraucht. Und ich denke, dass die Escher genau dafür empfänglich waren.

Die Ursachenforschung für die Wahlniederlage ist demnach abgeschlossen?

Interessant ist in dem Zusammenhang die Entwicklung der Linksparteien allgemein in Esch. Im Vergleich zu den Wahlen von 2011 verlieren die Linksparteien, wir inklusive, rund 12 Prozent an Wählerstimmen. Es drängt sich die Frage auf: Ist links nicht mehr sexy für Esch? Vielleicht haben wir es nicht fertiggebracht, eine linke Politik mit Wörtern wie modern, fortschrittlich und innovativ zu verbinden. Wie haben links vielleicht zu sehr mit sozial verbunden. Ich denke, Linkspolitik heißt ja nicht nur Sozialpolitik. Eines der Probleme war, dass dies bei uns falsch rüberkam. Vielleicht wurden wir sogar mit rückständig assoziiert und als Ewiggestrige, die an den alten Dingen festhalten wollen. Dann, wie gesagt, die „Usure“ unserer Spitzenleute. Hinzu kamen unsere internen Querelen.

Das ist ein gutes Stichwort. Es fehlte die mannschaftliche Geschlossenheit, um einen Begriff aus dem Fußballjargon zu verwenden …

In der Tat. Unsere Erfolge basierten in der Vergangenheit stets auf Kollegialität und Geschlossenheit. Das war 2005 und 2011 der Fall. Im Oktober 2017 leider nicht. Wir waren 19 Einzelkämpfer. Die Clan-Bildung war ebenfalls fatal. Und keiner vertraute dem anderen. Das entwickelte sich über zwei oder drei Jahre. Und wir konnten dies nicht aufhalten, obwohl es jedem bewusst war. Interne Streitereien sind negativ. Und das verzeiht der Bürger, oder besser gesagt der Wähler einer Partei nicht.

Was kam noch hinzu?

Einiges konnten wir nicht so wie geplant umsetzen. Ich denke an das „Scholesch Eck“ oder an den Bau einer neuer Sporthalle, die ja in den „Nonnewisen“ entstehen soll. Das Vereinsleben spielt in Esch eine wichtige Rolle. Dann ist da der Zustand der Straßen und das Thema „Parking résidentiel“. Wenn man zehn Prozentpunkte und drei Mandate verliert, muss man sich infrage stellen. Und für mich ist der Wechsel auf dem Präsidentenposten nun ein erster Schritt. Die Wechsel im Gemeinderat werden kommen, allerdings nicht zu früh und nicht zu spät. Ich denke, dass die Betroffenen zu ihrem Wort stehen. Und dies ist ja auch Teil der Erneuerung.

René Charles
30. März 2018 - 17.50

Sehr gut gesehen. Übrigens schauen alle Parteien nach der Quote, also den primären Geschlechtsmerkmalen der Kandidaten, statt nach Kompetenz und Sachkenntnis. Das Ding mit der Quote ist oberfaul.

Realist
29. März 2018 - 14.20

Nanu? Regeln bei der LSAP die Sektionsvorsitzenden ihre Nachfolge wirklich selbst, nach Art einer Erbmonarchie? Wird nicht wenigstens pro forma nach weiteren Bewerbern gefragt? Und was, wenn die Generalversammlung Frau Bofferding, selbst wenn sie einzige Kandidatin wäre, keine Mehrheit schenken möchte? Oder sind Abstimmungen bei den Sozis jetzt auch schon passé, bzw. steht das "überwältigende Ergebnis" immer schon von vornherein so bombenfest, dass Herr Remackel nicht mal über ein Alternativszenario nachzudenken braucht? Hm. Womöglich haben wir hier schon zumindest einen ersten Erklärungsansatz für die Wahlniederlage vom letzten Jahr...