LuxemburgFrieden „bricht Tabu“: Wechselt die Regierung ihre Position gegenüber der Atomenergie?

Luxemburg / Frieden „bricht Tabu“: Wechselt die Regierung ihre Position gegenüber der Atomenergie?
Kernkraft: eine „gescheiterte Technologie“ oder der Weg aus der Abhängigkeit von fossilen Energien?  Foto: dpa/Friso Gentsch

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Luxemburg führt seit den 80er-Jahren eine rigorose Anti-Atompolitik. Ist damit nun Schluss? Das lassen zumindest Luc Friedens Aussagen beim Gipfeltreffen für Atomenergie vermuten.

Hat Luxemburg etwa einen Mentalitätswechsel bezüglich der Atomkraft hingelegt? Dem scheint zumindest so: Premierminister Luc Frieden (CSV) hat sich diesbezüglich am Donnerstag beim ersten internationalen Gipfeltreffen für Atomenergie in Brüssel geäußert. So sei Luxemburg zwar weiterhin für die Schließung grenznaher AKWs in Belgien und Frankreich und es sei auch nicht geplant, Reaktoren auf eigenem Gebiet zu errichten, aber Luxemburg wolle anderen Staaten nicht vorschreiben, „wie sie von fossilen Energien wegkommen sollen“. Man müsse die Kernforschung sogar mit europäischen Mitteln unterstützen, meinte Frieden. Der Premierminister glaube, dass künftig ein großer Teil der Energie in Europa von der Nuklearenergie stammen wird, berichtet das Luxemburger Wort. Deshalb solle man diese Thematik „weniger ideologisch“ betrachten. Davon abgesehen sei die Atomenergie von morgen nicht die gleiche wie jene von vor 30 oder 40 Jahren.

Rund 30 Staaten plädierten in einer gemeinsamen Erklärung für einen weltweit schnelleren Ausbau und eine einfachere Finanzierung von AKWs. Doch nicht nur der Bau, sondern auch die Lebenszeitverlängerung bereits bestehender Atommeiler solle künftig gefördert werden. Die Gipfelteilnehmer kamen zu dem Schluss, dass Strom aus Atomkraftwerden unerlässlich für die Reduzierung der CO2-Emissionen sei.

„Eine gescheiterte Technologie“

François Bausch kritisiert in einer Pressemitteilung von „déi gréng“ die „technologieoffene“ Haltung – wie Frieden sie bezeichnete – der Luxemburger Regierung. Es gebe „eine Vielzahl an technisch ausgereiften, umweltfreundlichen und klimaschonenden Energien“, mit denen man der Klima- und Energiekrise entgegentreten kann. „Der Kampf gegen die Klimakrise wird deutlich schwieriger, wenn man Milliarden in diese gescheiterte Technologie versenkt“, meint Bausch. Auch das Argument der Versorgungssicherheit lässt der ehemalige Grünen-Minister nicht gelten. Europa sei gänzlich von Uranimporten abhängig und damit von Staaten wie beispielsweise Russland.

Hinzu käme das Problem des Atommülls, der über sehr lange Zeit eine Gefahr darstellt. „Atomkraft bleibt eine der kostenintensivsten Methoden zur Stromerzeugung und stellt eine kontinuierliche Sicherheitsbedrohung dar“, meint die ehemalige Umweltministerin Joëlle Welfring („déi gréng“) in der Pressemitteilung.

Die Grünen bemängeln zudem, dass die Regierungspartei DP mit Friedens Aussagen nicht zu den Versprechen aus ihrem Wahlprogramm stehen. Darin hatten sie sich nämlich klar gegen die Atomenergie ausgesprochen.

Kritische Fragen vom Koalitionspartner

Die Liberalen reagierten ebenfalls am Freitag – zumindest die DP-Fraktion in der Chamber. Auch ihre Mitglieder scheinen von Friedens Aussagen überrascht worden zu sein. Die Abgeordneten Corinne Cahen und Barbara Agostino reichten eine schriftliche parlamentarische Anfrage an Frieden und CSV-Umweltminister Serge Wilmes ein, in denen sie eine Studie aus Deutschland erwähnen, die Donnerstag erschienen war. Das Papier analysiert die Sicherheit neuer Atomreaktoren und kommt zu dem Schluss, dass es auch diese „die  Sicherheitsprobleme, die es gibt, bestimmt nicht lösen“. Neue Reaktoren könnten auch nicht wirtschaftlicher betrieben werden. Sie stellen unter Friedens Forderung, das Thema „weniger ideologisch“ zu betrachten, die Frage: „Was hat die Sicherheit der Bevölkerung und der Zukunft mit Ideologie zu tun?“ Die beiden Parlamentarier fragen auch, wie Frieden zur Position Xavier Bettels steht. Der liberale Ex-Premier wollte die Nachbarländer dabei unterstützen, ihre Reaktionen in der Grenzregion abzuschalten. 

LSAP-Fraktionsvorsitzende Taina Bofferding twitterte am Freitag: „Atomkraft: Nein danke oder Ja bitte?“ Ihre Fraktion beantragte bei der Chamber die Einberufung einer gemeinsamen Sitzung des Umweltausschusses und des Wirtschaftsausschusses, in der die Position der Regierung zur Kernenergie auf der Tagesordnung stehen soll. „Bei diesem Treffen möchten wir, dass der Premierminister Einzelheiten über die aktuelle luxemburgische Position über die Zukunft der Kernenergie und zu den Subventionen der EU in diesem Bereich liefert“, heißt es in dem Antrag. 

Diktat von oben?

Auch das „Mouvement écologique“ (Méco) sieht Friedens Aussagen äußerst kritisch. Damit habe er „ein Tabu gebrochen, in dem er als erster Premierminister die entschiedene Position Luxemburgs gegen Atomkraft, die seit Remerschen beziehungsweise Cattenom einen gesellschaftlichen Konsens darstellt, aufgeweicht hat“, geht aus einer Pressemitteilung des Méco vom Freitag hervor. Umso erstaunlicher ist es, dass Luxemburgs Umweltminister Serge Wilmes (CSV) sich auf einem Kongress des Méco am Donnerstag noch formell für die Regierung gegen die Atomkraft ausgesprochen habe. Wilmes habe angekündigt, dass die Regierung in puncto Kernkraft keinen Kurswechsel vollziehen wolle.

Wilmes habe zum Zeitpunkt des Kongresses Friedens Aussagen nicht gekannt. Das werfe jedoch Fragen auf, wie die aktuelle Regierung überhaupt funktioniere, meint das Méco. „Diktiert Luc Frieden die gesamte Regierungsstrategie?“ Zudem hinterfragt das Méco nun auch die Ansichten der DP, die in der vorherigen Regierung noch eine Klage gegen europäische Pro-Atomkraft-Entscheidungen einreichen wollte.