Wehrpflicht Frauen müssen ans Gewehr – in Dänemark wird das in zwei Jahren gelten

Wehrpflicht  / Frauen müssen ans Gewehr – in Dänemark wird das in zwei Jahren gelten
In Schweden machen Frauen rund ein Fünftel der Streitkräfte aus Foto: AFP/Heiko Junge

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Frauen müssen ans Gewehr – in Dänemark wird das in zwei Jahren gelten. Dazu hat sich die Mitte-links-Regierung in Kopenhagen nach langen Debatten durchgerungen. Die sozialdemokratische Regierungschefin Mette Frederiksen versuchte die kommende Verpflichtung den jungen Däninnen mit der „vollen Gleichstellung der Geschlechter“ schmackhaft zu machen.

Der Grund für die Änderung in der Wehrpflicht ist zunächst mal eher ein pragmatischer denn ein feministischer: Angesichts der russischen Aggression in der Ukraine rüstet auch das kleine Dänemark massiv auf. Umgerechnet 27 Milliarden Euro will das Land bis 2033 für die Verteidigung aufwenden. Die Wehrpflicht wird zudem von vier Monaten auf elf Monate ausgeweitet, statt 4.700 sollen nun 5.000 in dem Land mit knapp sechs Millionen Einwohnern ihren Dienst in der Uniform ableisten. Viele sind das nicht, darum trifft die Wehrpflicht nicht generell jeden – vor allem, wenn sich genug von selbst verpflichten, davon sind bislang ein Fünftel Frauen, seit 1998 gibt es den freiwilligen Wehrdienst für Däninnen.

Die Initiative zur Erweiterung der Wehrpflicht kommt von der bürgerlichen Regierungspartei „Die Moderaten“, sehr engagiert trommelte die Abgeordnete Charlotte Bagge dafür, welche Ende der Achtziger Jahren eine der ersten Frauen beim Militär war, damals erlebte sie viele Hürden sowie sexuelle Belästigung. „Die Vielfalt macht die Verteidigung besser“, glaubt die 54-Jährige heute, auch gebe es so eine „Gleichstellung“ für beide Geschlechter. Doch dies bedeute, wie die ehemalige Soldatin betont, dass Frauen in Zukunft den Dienst nicht mehr einfach so verlassen könnten, sondern dann genauso von der Militärpolizei verhaftet würden, wie heutzutage die Männer.

Frauen können „zwangsweise einberufen werden“, wie es Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen explizit ausdrückt, der damit rechnet, dass die Anzahl der Freiwilligen aufgrund der längeren Dienstzeit zurückgehen wird.

Typisch Skandinavien – die nordischen Länder gelten als progressiv, Gleichstellung und Frauenrechte werden großgeschrieben. Gleichzeitig wirkt doch auch ein starker Staat und ein protestantisches Pflichtdenken. Das Individuum ist im Norden Europas darum angehalten, seinen Teil für das Gemeinwohl zu leisten. Bereits in der vorchristlichen Wikingerzeit gab es eine Art „Unisex-Wehrdienst“ –damals mussten auch Frauen mit Schwert und Streitaxt umgehen können, um den Hof zu verteidigen, während die Ehemänner mit den Schiffen auf Raubzügen unterwegs waren.

Eine lange Tradition

Im frühen 20. Jahrhundert entstanden dann in Finnland, Schweden, Norwegen und zuletzt in Dänemark die sogenannten „Lottebewegungen“, Frauenorganisationen, die dem Militär zuarbeiteten. Noch heute ist in Schweden der „Lottekorps“, der im April seinen 100. Geburtstag feiert, die größte Frauenvereinigung des Landes.

Und de facto hat das Land, welches kürzlich in die NATO aufgenommen wurde, seit 2018 eine Art Wehrpflicht für Frauen. In Norwegen besteht sie schon seit 2015. Argumentiert wurde von den Befürwortern mit dem Militär als „Spiegelbild der Gesellschaft“.

Diese Wehrpflicht bedeutet jedoch nicht, dass alle wehrfähigen Frauen eingezogen würden, sondern, dass die Streitkräfte „unabhängig vom Geschlecht“ sich die besten Kandidaten auswählen. Auch in diesen Ländern machen Frauen rund ein Fünftel der Streitkräfte aus. In Schweden nimmt er, vermutlich aufgrund des Kriegs in der Ukraine, ab. Derzeit liegt er bei 19 Prozent, ein Jahr zuvor waren es fünf Prozent mehr.

Und es gibt ungute Signale – nach einer Erhebung Anfang dieses Jahres fühlen sich nur dreißig Prozent der jungen Schwedinnen psychisch wie physisch fähig, den Anforderungen der Streitkräfte gerecht zu werden.
Auch in Finnland, wo seit den Neunziger Jahren Frauen freiwillig an der Waffe dienen können, gilt die Militärzeit als hart, viele quittieren, da sie es körperlich nicht durchstehen. Eine Unteroffizierin gestand während eines Winter-Manövers dem Autor dieser Zeilen, dass ihre Stiefel um zwei Nummern zu groß seien.
Die Wehrpflicht für Frauen ist in Finnland erstmals vom Tisch – der grüne Präsidentschaftskandidat Pekka Haavisto machte die Einführung zum Wahlkampfthema, doch der konservative Alexander Stubb, Gegner eines solchen Projekts, gewann die Stichwahl im Februar.

Bindend für Männer und Frauen in den skandinavischen Ländern bis auf Dänemark ist die „Totale Verteidigung“. In Schweden gilt die Bereitschaft für Zivilisten dem Militär zuzuarbeiten, und dies gilt von 16 bis 70 Jahren.