MontagnachmittagFrankreich nimmt „Freiheit zur Abtreibung“ in die Verfassung auf

Montagnachmittag / Frankreich nimmt „Freiheit zur Abtreibung“ in die Verfassung auf
Eine Abtreibungsbefürworterin hält am 28. Februar in Paris Schilder mit der Aufschrift „Mein Körper, meine Gebärmutter, meine Entscheidung“ und „Nie wieder“ während einer Demonstration vor der Universität La Sorbonne. Der französische Senat stimmt über einen Gesetzentwurf ab, der das Recht der Frau auf Abtreibung in der französischen Verfassung verankern soll. Foto: Michel Euler/AP/dpa

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Frankreich nimmt „Freiheit zur Abtreibung“ in die Verfassung auf und ist damit das erste Land weltweit, das die „garantierte Freiheit“ zur Abtreibung ausdrücklich in die Verfassung aufnimmt. Die 925 Abgeordneten der Nationalversammlung und des Senats waren am Montag gemeinsam zur Abstimmung in Versailles aufgerufen. Die nötige Drei-Fünftel-Mehrheit wurde erreicht. Die Abgeordneten beider Kammern des Parlaments hatten im Vorfeld bereits mit großer Mehrheit dafür gestimmt.

„Während die Frauenrechte weltweit bedroht sind, stellt Frankreich sich an die Spitze des Fortschritts“, schrieb Premierminister Gabriel Attal im Onlinedienst X in Anspielung auf Länder, in denen das Recht auf Abtreibung beschnitten wird, etwa in den USA oder in Osteuropa. Attal wird am Nachmittag vor dem sogenannten Kongress die Position der Regierung erläutern. „Es ist ein bedeutender Moment für Frauen in aller Welt“, betonte die Vorsitzende der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet, im Sender France 2.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte mit dem Vorschlag 2022 auf Einschnitte in das Abtreibungsrecht in den USA reagiert. Die Verfassungsänderung hat in erster Linie symbolischen Charakter. Der Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein ist in Frankreich bis zur 14. Woche gesetzlich gewährleistet. Mehr als 80 Prozent der Franzosen befürworten die Verfassungsänderung. „Es übersteigt unsere Träume“, sagte die Frauenrechtlerin Claudine Monteil, die 1971 zu den Unterzeichnerinnen eines Manifestes zählte, in dem sich mehr als 300 Französinnen offen dazu bekannten, abgetrieben zu haben – als dies noch gesetzlich verboten war.

„Recht auf“ oder „Freiheit zur“ Abtreibung

„Das Gesetz bestimmt die Bedingungen, unter denen von der der Frau garantierten Freiheit, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, Gebrauch gemacht wird“, so lautet der neue Verfassungsartikel. Die Formulierung „Freiheit zur“ ist rechtlich schwächer als das „Recht auf“, das zunächst debattiert worden war. Justizminister Eric Dupond-Moretti sicherte den Ärztinnen und Ärzten zu, dass dies das Recht auf Gewissensfreiheit nicht in Frage stelle. „Wenn ein Arzt diesen Akt nicht ausführen will, dann hat er das Recht dazu“, betonte Dupond-Moretti. Er verwies darauf, dass die Gewissensfreiheit ebenfalls in der Verfassung festgeschrieben sei.

Frauenrechtlerinnen weisen darauf hin, dass die Aufnahme in die Verfassung in der Praxis nicht viel ändere. „Viele gynäkologische Zentren wurden geschlossen, manche Frauen müssen weit fahren. Es ist schwieriger, als es sein sollte“, kritisiert Anne-Cécile Mailfert, Vorsitzende der „Fondation des femmes“. Eine Gruppe von Abtreibungsgegnern hat zu einer Demonstration in der Nähe des Schlosses von Versailles aufgerufen. Die Vereinigung Alliance Vita hatte die geplante Verfassungsänderung als „Unsinn“ bezeichnet und gefordert, eine Politik umzusetzen, die ungewollte Schwangerschaften verhindere.

Vor der Abstimmung hatten alle Fraktionen in der Nationalversammlung und im Senat die Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Die Verfassungsänderung wird nun besiegelt, dazu wird eine 150 Kilogramm schwere metallene Siegelpresse aus dem 19. Jahrhundert benutzt. Eine weitere feierliche Besiegelung in Anwesenheit von Macron ist für den 8. März, den Internationalen Frauentag geplant. Der Präsident ist nicht dabei, wenn der Kongress zusammentritt, um eine Verfassungsänderung zu beschließen.