IslandEuropa will Russland zur Rechenschaft ziehen

Island / Europa will Russland zur Rechenschaft ziehen
Luxemburg war mit Premierminister Xavier Bettel in Reykjavik vertreten, der von der Generalsekretärin des Europarates, Marija Pejcinovic Buric (l.), und der isländischen Premierministerin Katrin Jakobsdottir empfangen wurde Foto: Halldor Kolbeins/AFP

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Der Europarat installiert ein Register über die von Russland in der Ukraine angerichteten Schäden – als Grundlage für eine spätere Entschädigung. Beim Gipfeltreffen in Island wird zudem eine neue Allianz für die Ukraine gebildet. Und eine Welt ohne Putin bekommt erste Konturen.

Am Ende des zweitägigen Gipfels bringt der deutsche Kanzler Olaf Scholz das wichtigste Ergebnis des Treffens von Reykjavik auf ein Wort: „Bezahlen.“ Russland müsse für die in der Ukraine angerichteten Schäden nicht nur zur Rechenschaft gezogen, sondern auch zur Kasse gebeten werden. Dafür hat der 1949 gegründete Europarat ein Register ins Leben gerufen, in dem alle russischen Untaten in der Ukraine nach einheitlichen Maßstäben dokumentiert werden, damit sie nach dem Krieg abgerufen und als Grundlage für einen Entschädigungsmechanismus genommen werden können. Ursprünglich sollte dieses Vorhaben im Mittelpunkt der Wahrnehmung des seltenen Gipfel-Ereignisses in der isländischen Hauptstadt sein. Zwei weitere sind dazugekommen: Perspektiven für eine ukrainische Luftwaffe mit modernen westlichen Kampfjets. Und ein Russland ohne Putin.

Schon vor dem Abendessen des ersten Tages sind sich die britischen und niederländischen Regierungschefs, Rishi Sunak und Mark Rutte, handelseinig geworden. Sie starten die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj so dringend angemahnte Kampfjet-Allianz. Auch weitere Länder wollen sie dafür gewinnen, nicht nur ukrainische Piloten an modernen westlichen F16-Flugzeugen zu trainieren, sondern die Jets auch zu liefern. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagt zu, das eine zu tun, das andere aber zu lassen. Und Deutschland? Es habe „keine Anforderung“ gegeben, sagt der Kanzler – und verweist darauf, mit den gelieferten modernen Flugabwehrsystemen längst einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur ukrainischen Lufthoheit zu leisten.

Scholz lässt jedoch mit einer bemerkenswerten Verknüpfung aufhorchen. Einerseits legt er sich fest, dass dieser Krieg „irgendwann zu Ende“ gehen werde, und zwar „sicher nicht mit einem Sieg des Putin’schen Imperialismus“. Andererseits stellt er einen Zusammenhang her zur „Perspektive einer demokratischen, friedlichen Zukunft“ für Russland und Belarus. Ausdrücklich hebt er hier die Vertreter eines „anderen“ Russlands und eines „anderen Belarus“ hervor, zu denen der Europarat „Brücken aufrechterhalten“ müsse. Das ist noch nicht die Forderung nach einem Austausch der russischen Führung, nach einem schlagzeilenträchtigen „Regimewechsel“. So viel Aufsehen will Scholz dann doch nicht erregen. Aber als er erläutert, dass Russland „die Demokratie gewonnen und wieder verloren“ habe und die Etablierung eines diktatorischen Regimes „viel“ mit dem russischen Präsidenten zu tun habe, hat er zwischen den Zeilen gesagt, was in Reykjavik damit wie ein Elefant im Raum steht: Ein Russland und ein Europa ohne Putin.

Häufigere Treffen

Das letzte Gipfeltreffen dieser Art ist schon 18 Jahre her. Da war zwar Putin schon an der Macht, aber die Krim noch nicht annektiert, und die ostukrainischen Gebiete lebten noch in Frieden mit dem großen Nachbarn. Allerdings wuchsen seinerzeit bereits die Zweifel an jenen Konzepten, die auf eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur Europas unter Einschluss Russlands abzielten. Endgültig begraben waren sie mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges und als Folge dem Ausschluss Russlands aus dem Europarat. Denn das ist jenes Gremium, das sich seit 1949 dem Erhalt von Demokratie, Rechtstaat und Menschenrechten in ganz Europa verschrieben hat – als Voraussetzung für eine dauerhafte Friedensordnung.

Der von Scholz geprägte Begriff von der mit Russlands Krieg verbundenen „Zeitenwende“ gilt nicht nur für Deutschland, nicht nur für die EU der 27 Mitgliedsländer, sondern auch für das Europa der 46 Staaten, die ihre Vertreter nach Reykjavik geschickt haben. Obwohl sich die meisten bereits in zwei Wochen beim Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Moldawien wiedersehen, besteht die Absicht, sich auch im Europa-Format nun häufiger auf Chefebene zu treffen. Denn die Europaratsmitglieder haben nicht nur viel damit zu tun, die Entscheidungen des Menschenrechtsgerichtshofes als wichtigste ständige Institution des Europarates durchzusetzen. Sie haben nicht nur die Frage ständig neu zu beantworten, wie der Ukraine aktuell militärisch und danach bei der Garantie eines gerechten Friedens mitsamt Wiederaufbau geholfen werden kann. In Reykjavik bekommt auch eine Erweiterung der Menschenrechtskonvention Gestalt: Auch der Anspruch jedes einzelnen Europäers auf Klimaschutz und Schutz vor Beeinträchtigungen durch Künstliche Intelligenz soll hinzukommen.

Vordringlich bleibt für den Europarat als Grundlage für eine europäische Friedensordnung ein Ende des Krieges in Europa. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat dafür die Formel auf den Tisch gelegt: „Nichts in Bezug auf die Ukraine ohne die Ukraine.“

Herbert
19. Mai 2023 - 11.13

Bettel, wie immer der Hahn im Korb! (Foto) Betreffend Russland zur Rechenschaft ziehen kann man schon am Horizont die Stinkefinger sehen.