GipfeltreffenFrieden: „EU stärkt ihre Position“ – Klare Stellung zur Ukraine und zum Nahen Osten bezogen

Gipfeltreffen / Frieden: „EU stärkt ihre Position“ – Klare Stellung zur Ukraine und zum Nahen Osten bezogen
Luxemburgs Premierminister Luc Frieden zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf des EU-Gipfeltreffens Foto: European Union

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Es standen viele Themen auf der Tagesordnung des Europäischen Rates, der am Donnerstag und Freitag in Brüssel tagte. Und dennoch beendeten die 27 während an beiden Sitzungstagen ihre Gespräche ungewohnt zeitlich. Was wohl damit zu tun hatte, dass keine strittigen Entscheidungen anstanden.

Aus luxemburgischer Sicht sei es ein „ganz zufriedenstellender Rat“ gewesen, „wir hatten auf allen Punkten eine gute Diskussion“, sagte nach dem EU-Gipfel Luxemburgs Premierminister Luc Frieden. Europa habe „seine internationale Position gestärkt“, da es eine „klare Stellung zur Ukraine und zum Nahen Osten“ bezogen habe, bilanzierte Frieden. Vor allem was den Krieg im Gazastreifen anbelangt, dürfte dies zutreffen. Denn die 27 konnten sich erstmals darauf einigen, einen sofortigen Waffenstillstand in Form einer „humanitären Pause“ zu fordern, nachdem einige Staaten, allen voran Deutschland, sich dieser Forderung nicht mehr verweigern konnten. Wohl da die stets zunehmende und ohnehin bereits enorme Zahl an zivilen Opfern unter der palästinensischen Bevölkerung es nicht mehr zulässt, allein Israels Recht auf Selbstverteidigung größeres Gewicht zuzumessen. Gefordert wurde zum wiederholten Mal die sofortige Freilassung aller Geiseln sowie eine größere Bereitstellung an humanitärer Hilfe für die Menschen im Gazastreifen. An Israel erging die „eindringliche“ Forderung, „keine Bodenoperation in Rafah durchzuführen, wodurch sich die bereits katastrophale humanitäre Lage verschärfen würde“, wie es in der Gipfelschlusserklärung hieß. Immerhin würden in Rafah derzeit mehr als eine Million Menschen Schutz suchen.

Ob sich Israel von solchen Appellen beeindrucken lässt, bleibt abzuwarten. Die Forderung der USA an Netanjahu, von seinen Plänen einer Bodenoffensive in der palästinensischen Stadt Rafah abzusehen, stößt jedenfalls kaum auf Gehör. „Ich meine, das kommt an“, findet dennoch Luc Frieden. Wenn 27 Länder das forderten, habe das mehr Stärke, als wenn nur zwei Länder aus Europa das sagen würden, meint er. Die EU werde gehört, nicht nur von den Israelis, sondern auch von den Palästinensern, so der luxemburgische Premierminister, für den es „wichtig ist, dass Ruhe“ in die Region einkehrt. Druckmittel setzen die 27 zur Durchsetzung ihrer Forderungen jedoch bislang nicht ein. Dafür reicht die bisherige Einigkeit nun doch nicht.

Einig seien sich die Gipfelteilnehmer auch darin gewesen, dass Russland den Krieg in der Ukraine nicht gewinnen darf, „um dann anschließend möglicherweise weiterzumachen“, so Luc Frieden weiter. Daher wollen die EU-Staaten die Ukraine nun nicht mehr nur so lange, sondern auch so intensiv wie nötig jede erdenkliche Unterstützung zukommen lassen. Dass es jedoch vor allem an Militärhilfe erheblich mangelt, zeigen die Entwicklungen auf den ukrainischen Schlachtfeldern. Denn an der Front geht den ukrainischen Verteidigern allmählich die Munition aus, wodurch es den russischen Invasoren jüngst gelungen ist, weitere Geländegewinne zu machen.

Keine konkreten Versprechen

Immerhin haben sich die 27 jüngst darauf geeinigt, ihre unter der Bezeichnung „Europäische Friedensfazilität“ laufende gemeinsame Militärhilfe um weitere fünf Milliarden Euro aufzustocken. Und auch die tschechische Initiative, weltweite von Prag ausfindig gemachte 800.000 Artilleriegeschosse für Kiew zu besorgen, wurde von der Gipfelrunde begrüßt. Allerdings vermieden es die 27, konkrete Versprechen über Zeitpunkt, Ausmaß und Art ihrer weiteren militärischen Unterstützung zu machen. Denn mit der vor einem Jahr gemachten Zusage, bis Ende dieses Monats eine Million Artilleriegeschosse bereitzustellen, haben sie sich mächtig blamiert, da offenbar nicht einmal die Hälfte davon in der Ukraine angekommen ist.

Zunehmend stellt sich aber auch die Frage der Finanzierung sowohl für die militärische Unterstützung der Ukraine als auch für die Verteidigungsausgaben, die die EU-Staaten angesichts des russischen Angriffskrieges nun erhöhen wollen. Die meisten EU-Staaten wollen, dass „außerordentliche Einnahmen aus Russlands immobilisierten Vermögenswerten zugunsten der Ukraine umgelenkt werden“. Allerdings besteht zu diesem Vorhaben noch keine Einigkeit. Österreich etwa will, dass die erwarteten rund drei Milliarden Euro wie ursprünglich angedacht für den Wiederaufbau in der Ukraine genutzt werden und nicht für Waffen. Der zuständige Ministerrat soll die dazu gemachten Vorschläge voranbringen.

Um die Verteidigungsbereitschaft der EU-Staaten zu erhöhen, sollen der EU-Rat und die EU-Kommission bis zum Juni-Gipfel „alle Möglichkeiten für die Mobilisierung von Finanzmitteln“ ausloten. Luc Frieden zeigte sich in diesem Zusammenhang offen für gemeinsame europäische Anleihen. In „außergewöhnlichen Momenten“, in denen Europa gemeinsam bestehen müsse, könne er sich das vorstellen. Allerdings wollen auch hier nicht alle EU-Staaten mitziehen, die Debatte werde aber weitergeführt. Doch: „Ewig haben wir keine Zeit“, das müssten die EU-Staaten schon binnen den kommenden fünf Jahren hinbekommen, so Luc Frieden.