EU-WahlenEU-Parlamentarier wollen System des Spitzenkandidaten absichern

EU-Wahlen / EU-Parlamentarier wollen System des Spitzenkandidaten absichern
Die EU-Parlamentarier wollen das System des Spitzenkandidaten zur Bestimmung des künftigen EU-Kommissionspräsidenten absichern Foto: AFP/Frederick Florin

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Das Europäische Parlament (EP) will, dass bei den bevorstehenden Europawahlen im kommenden Juni das System des Spitzenkandidaten zur Bestimmung des EU-Kommissionspräsidenten sicher angewendet wird.

Das soll ihnen nicht mehr passieren: Obwohl die großen europäischen Parteien sowie die EP-Fraktionen bei den Europawahlen 2019 Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aufgestellt hatten, entschieden sich die EU-Staats- und Regierungschefs schließlich in der Person der damaligen deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, eine gänzlich Unbeteiligte zur EU-Kommissionspräsidentin zu küren. Der Ärger unter den Parlamentsfraktionen war damals groß, allerdings auch selbstverschuldet. Denn sie hatten es nicht geschafft, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Was wohl auch damit zusammenhing, dass der Kandidat der aus der Wahl hervorgegangenen stärksten Fraktion, der deutsche EVP-Politiker Manfred Weber, nachdem er selbst keine Mehrheit im EP zustande gebracht hatte, dem zweitgewählten Frans Timmermans von den Sozialdemokraten keine Chance einräumen wollte.

Nun aber wollen die EU-Parlamentarier die EU-Mitgliedstaaten auf das System der Spitzenkandidaten festnageln. Dazu soll, wie in einer am Dienstag verabschiedeten Entschließung festgelegt, eine „interinstitutionelle Vereinbarung“ zwischen den Parlamentariern und dem EU-Rat abgeschlossen werden, in der sich die Mitgliedstaaten zu dem System der Spitzenkandidaten verpflichten. Demnach soll sich nach wie vor der Kandidat jener Fraktion, die als stärkste aus den Wahlen hervorgeht, um eine Mehrheit im EP bemühen. Denn immerhin muss das Europaparlament der Bestellung des Kommissionspräsidenten zustimmen. Sollte der Erstgewählte es nicht schaffen, kann es der Kandidat der zweitstärksten Fraktion versuchen. Wenn das Parlament es nicht schafft, einen Kandidaten zu bestimmen, sollte es zu Konsultationen zwischen dem EP, dem Rat und den Spitzenkandidaten kommen.

Während dieser Zeit erwarten die EP-Abgeordneten von den Mitgliedstaaten, dass diese nicht selbst mit einem Kandidaten vorpreschen und die Parlamentarier vor vollendete Tatsachen stellen. Der Mitverfasser der Entschließung, der deutsche EVP-Politiker Sven Simon, sagte nach der Abstimmung, dass er einem Ratskandidaten nicht zustimmen werde.

Ihnen ginge es darum, „eine klare und glaubwürdige Verbindung zwischen dem Wählerwillen und der Wahl des Kommissionspräsidenten“ herzustellen, zitierte Sven Simon aus der Entschließung. Die Wählerinnen und Wähler sollten mit ihrer Stimmabgabe mehr als nur ihre Abgeordneten für das EP bestimmen. Das sei ein wichtiger Teil bei Wahlen, sekundierte der zweite Verfasser der Entschließung, der spanische S&D-Abgeordnete Domènec Ruiz Devesa: Auch bei nationalen Wahlen würden nicht allein die Parlamentsmitglieder, sondern auch der Regierungschef mitbestimmt.

Keine Verletzung der Verträge

Die Sensibilisierung des Rates für das Anliegen der EU-Parlamentarier würde nun erst beginnen, erklärte Domènec Ruiz Devesa weiter. Die EP-Präsidentin Roberta Metsola wurde damit beauftragt, unverzüglich Vorbereitungsarbeiten für die interinstitutionelle Vereinbarung aufzunehmen. Ob die Mitgliedstaaten allerdings bereit sind, eine derartige Vereinbarung mit den EP-Abgeordneten einzugehen, ist alles andere als gewiss. Immerhin war es vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron, der das System des Spitzenkandidaten ablehnte und an den EU-Verträgen festhielt, die dem Europäischen Rat (also den EU-Mitgliedstaaten) ein Vorschlagsrecht einräumt. Und es dürften wohl noch andere EU-Staats- und Regierungschefs an dieser Prärogative festhalten wollen.

„Das verletzt den Vertrag keineswegs, es ist nur eine politische Einschränkung“, verteidigt Domènec Ruiz Devesa das Vorhaben der Parlamentarier. Es ginge nur um den Kommissionspräsidenten, die Zusammensetzung der Kommission werde durch das Wahlresultat nicht beeinflusst, wirft Sven Simon ein. Sie wollten nur verhindern, dass die EU-Staats- und Regierungschefs Deals in Hinterzimmern abschließen. Und um diesen zu verdeutlichen, dass die Abgeordneten keine Paketlösung über die Vergabe der EU-Spitzenposten mehr wollen, hielten sie in ihrer Entschließung demonstrativ fest, dass der EP-Präsident von den EU-Parlamentariern bestimmt wird. So weit die Theorie.

Zumindest haben die beiden größten Fraktionen im EP, die EVP und die S&D, die Pläne zur Bestimmung ihres jeweiligen Spitzenkandidaten bereits vorangetrieben. Im März sollen die Entscheidungen fallen, erklärten sowohl EVP-Fraktionschef Manfred Weber als auch die S&D-Fraktionsvorsitzende Iratxe García Pérez am Dienstag. Ursula von der Leyen wurde die nötige Zeit gegeben, sich darüber Gedanken zu machen, ob sie noch einmal antreten wolle, sagte Manfred Weber. Ob sie sich dann ebenfalls der Wahl entziehen und bloß Wahlkampf machen wird wie ihr Vorgänger Jean-Claude Juncker, wird sich dann noch zeigen. Immerhin, der gegenwärtige luxemburgische EU-Kommissar Nicolas Schmit, dem bereits zuvor der Spitzenposten in Brüssel zugesagt wurde, stellte sich dennoch bei den Europawahlen 2019 den Wählern.