ParlamentEU-Direktive umstritten: Abgeordnete lehnen Chatkontrolle ab

Parlament / EU-Direktive umstritten: Abgeordnete lehnen Chatkontrolle ab
Kommunikationsinhalte auf Kinderpornografie hin scannen: EU-Kommission will Messengerdienste in die Verantwortung ziehen Foto: dpa/Christoph Dernbach

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In einer Aktualitätsdebatte diskutiert die Chamber über eine EU-Direktive zur Chatkontrolle, um die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte zu stoppen. Das stößt auf Widerstand – auch wegen einer großen Fehleranfälligkeit der dahinterliegenden Technologie.

Die EU-Kommission beabsichtigt, die Anbieter von Messengerdiensten wie WhatsApp, iMessage und Instagram zu verpflichten, die Kommunikationsinhalte zwischen Nutzern auf möglichen Kindesmissbrauch zu scannen. Damit soll Kinderpornografie wirksam bekämpft werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind umstritten, auch bei Luxemburgs Politikern.

Die Chatkontrolle stößt bei einer Reihe EU-Länder auf Widerstand, würde doch die Vertraulichkeit der ausgetauschten Nachrichten untergraben, was als Eingriff in die Privatsphäre gewertet werden müsste. Die bisher angewandte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung würde aufgeweicht. Kritikern zufolge könnten Regierungen und Behörden Chat-Scannen auch dazu verwenden, um politische Oppositionelle oder andere missliebige Personen zu verfolgen. Manche sprechen sogar von Massenüberwachung der Bevölkerung.

Der belgische EU-Ratsvorsitz arbeitet an einer abgeänderten Version des EU-Gesetzentwurfs. Luxemburgs vorige Regierung lehnte die alten Vorschläge ab. Skeptisch zeigt sich auch die aktuelle Mehrheit, geht aus den Ausführungen von Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) gestern im Parlament hervor. Die Regierung bevorzuge eine „zielgerichtete Herangehensweise“. Man untersuche noch Details der rezenten Vorschläge. Problematisch bleibe die Zuverlässigkeit der einzusetzenden Technologie beim Scannen der Nachrichten. Lücken könnten von Hackern benutzt werden, um falsch-positive Meldungen zu erstellen.

Piraten fürchten Milliarden falsche Anschuldigungen

Die Aktualitätsdebatte war von der Piratenpartei angeregt worden. Seit Jahren werde das Dossier kritisiert, und dennoch finde es immer wieder den Weg auf die Tagesordnung, empörte sich Ben Polidori. Alle Messages würden automatisch geöffnet werden. Würde problematischer Inhalt festgestellt, werden Menschen eingeschaltet, erklärte er. Da die Messages verschlüsselt sind, müsste entweder ein Universalschlüssel angewandt werden oder alle Nachrichten würden gelesen, bevor sie verschlüsselt werden.

Öffne man die digitalen Türen, seien sie für alle offen. Auch für Hacker und Regierungen, so Polidori. Programme mit einer achtzigprozentigen Trefferquote seien gute Programme. Es blieben so aber zwanzig Prozent Fehlmeldungen. Angesichts der Unmenge an täglich ausgetauschten Nachrichten würden täglich Milliarden Fehlmeldungen und damit falsche Anschuldigungen erzeugt.

Wenn Bilder eines misshandelten Kindes im Chatraum landeten, sei der Missbrauch schon erfolgt, so Polidori weiter. Das Risiko bestehe, dass die Kriminellen sich ins Darknet zurückziehen würden. Chatkontrolle sei nicht das richtige Mittel, um Kindesmissbrauch zu verhindern.

Auch andere Redner äußerten ähnliche Bedenken. Es stellten sich zu viele Grundrechtsfragen, so Charel Weiler (CSV). Die Kontrollmechanismen müssten verhältnismäßig bleiben, meinte Carole Hartmann (DP). Liz Braz (LSAP) sah das Postgeheimnis infrage gestellt. Da werde ein Schritt in Richtung gläserner Bürger getan. Werde das EU-Reglement angenommen, werde keine Nachricht mehr vertraulich sein, so David Wagner („déi Lénk“). Sogar dem deutschen Kinderschutzbund gehe der EU-Textvorschlag zu weit, erinnerte Tom Weidig (ADR).

Bereits die vorige Regierung habe den Entwurf der EU-Kommission abgelehnt, so die ehemalige Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“). Auch sie pochte auf die Verhältnismäßigkeit der einzusetzenden Mittel. Mit Selbstverpflichtung der Messengeranbieter bekomme man das Problem des Kindesmissbrauchs jedoch nicht gelöst. Europa müsse in dieser Frage autonom sein, statt auf Drittstaaten zurückgreifen zu müssen. Dabei dürfe man jedoch nicht zu Mitteln greifen, die die Grundrechte infrage stellen.

Hygie Group sucht Kooperation mit CHEM

Man habe Hygie Group nichts verboten, so Gesundheitsministerin Martine Deprez (CSV) gestern im Parlament. Man habe sie lediglich darauf hingewiesen, dass ihre Tätigkeit nicht gesetzeskonform sei. In der Privatpraxis in Esch-Alzette werden u.a. Mammografien durchgeführt, obwohl diese und andere medizinischen Akte mithilfe bildgebender Verfahren nur Krankenhäusern vorbehalten sind, es sei denn, eine Privatpraxis kooperiert mit einem der Spitäler. Hygie Group würde ihre Aktivität mit Scanner und Mammograf vorerst ruhen lassen und wolle mit dem CHEM eine mögliche Kooperation klären. Das CHEM müsse auch entscheiden, ob es die entsprechenden Geräte übernehmen wolle. Deprez beantwortete dabei Dringlichkeitsanfragen von Alexandra Schoos (ADR) und Sven Clement (Piraten).

Das Parlament hat das erst am 15. Dezember 2020 verabschiedete Klimagesetz gestern mit großer Mehrheit abgeändert. Notwendig wurde dies durch die erhöhten EU-Klimaambitionen. Der EU-Plan „Fit for 55“ sieht eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Dazu wurden zwei EU-Direktiven in nationale Gesetzgebung umgesetzt. Eine der Richtlinien betrifft die zivile Luftfahrt. Die ihr bisher zugestandenen Gratisemissionszertifikate laufen noch bis 2025. Ab 2026 müssen sie integral bezahlt werden. Die EU-Gesetze fördern die Nutzung synthetischer Treibstoffe, insbesondere für die Luftfahrt. Einbezogen in den Emissionshandel wird auch der Schiffstransport.

Eingeführt wird ebenfalls ein europäischer CO2-Preis. Bisher bestand derlei Vorgabe für die Industrie. Nun wird sie u.a. auf den Verkehrssektor erweitert. Für Luxemburgs Haushalte dürfte dies keine Folgen haben, betonte Berichterstatter Christophe Hansen (CSV), da Luxemburg eine CO2-Bepreisung anwende.

Teurer wird hingegen der Import von energieintensiven Produkten aus Drittstaaten, beispielsweise Stahl und Zement. An der Grenze muss dann der in der EU gängige CO2-Preis bezahlt werden. Dieser CO2-Preisausgleich sei jedoch kein Allheilmittel, um den Industrieabbau in Europa abzuwenden. Die Produktionskosten in der EU seien höher als in Drittstaaten und würden weiter wachsen, so Hansen. Wie könne man die europäische Industrie unterstützen, fragte Hansen. Die Nutzung von Wasserstoff könnte Abhilfe schaffen. „Wir sollten den Zug nicht verpassen.“