Strafvollzug„Eran, eraus … an elo“ fordert Grundeinkommen für Häftlinge

Strafvollzug / „Eran, eraus … an elo“ fordert Grundeinkommen für Häftlinge
Die Wäscherei gehört zu den wichtigsten Werkstätten des Gefängnisses. Dort werden Ladungen aus Krankenhäusern und Pflegeheimen verarbeitet. Symbolfoto: Freepik.com

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Das Arbeitsverhältnis zwischen Haftanstalt und Insassen sowie deren Bezahlung sind Punkte, die regelmäßig von der Häftlingsvertretung „Eran, eraus … an elo?“ aufgegriffen werden. Der Vorwurf: Finanziell werde die Arbeit der Häftlinge nicht ausreichend gewürdigt. „Der Lohn reicht oft nicht, um sämtliche Ausgaben und Verpflichtungen zu decken“, sagt Sprecher Grégory Fonseca. Deshalb fordert die Vereinigung nun einen speziellen Statut für arbeitende Häftlinge mit einem Mindesteinkommen und entsprechenden Sozialabgaben.

Für „Eran, eraus … an elo?“ haben die Arbeitsbedingungen in der Haftanstalt einen direkten Einfluss auf die Wiedereingliederung der Häftlinge in die Gesellschaft. „Viele Insassen sind noch nie auf Dauer einer richtigen Arbeit nachgegangen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass der Staat mit dem guten Beispiel vorangeht und den Betroffenen zeigt, dass sich ehrliche Arbeit bezahlt macht“, betont Fonseca. Auch sei es wichtig für die Würde der Häftlinge, dass sie für ein aufrichtiges Engagement angemessen entlohnt werden.

Fonseca und seine Mitstreiter wissen natürlich um die landläufige Meinung, Häftlinge hätten doch kaum Ausgaben, wo sie doch auf Kosten des Staates leben würden. Dem sei jedoch nicht so, sagt der Sprecher der jungen Vereinigung. „Gefängnisinsassen haben Bedürfnisse und finanzielle Verpflichtungen, wie andere Menschen auch“, unterstreicht Fonseca. Nur sei der Lohn, den manche Häftlinge für ihre Arbeit im Gefängnis erhielten, nicht angemessen. Außerdem käme es später zu Problemen bei der Auszahlung der Renten, da die Häftlinge während der Haft keine Beiträge zahlen.

Aus diesem Grund setzt sich „Eran, eraus … an elo“ für einen speziellen Statut für Häftlinge ein, die während der Haft einer Arbeit nachgehen. Der „Code du travail“ müsse auch in der Strafanstalt angewendet werden, so die Forderung der Vereinigung. Mit einem garantierten Mindesteinkommen und Sozialabgaben, wie Rentenbeiträgen.

Gehalt in sieben Stufen

Viele Möglichkeiten, ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen, haben die Häftlinge derzeit nicht. Einzige Option in Schrassig sind die neun Werkstätten. Vorausgesetzt man erfüllt die nötigen Bedingungen für eine Anstellung. Die Bezahlung ist in sieben Stufen aufgeteilt und kann je nach Atelier variieren. Im „Façonnage“ müssen beispielsweise nur einfache, repetitive Aufgaben erledigt werden, wie etwa das Füllen von Nikolaus-Tüten mit Süßigkeiten. Tätigkeiten, die auch außerhalb der Gefängnismauern nicht mit hohen Gehältern entlohnt werden. Eine höhere Bezahlung erhalten Betroffene in der „Buanderie“. Die Wäscherei des Gefängnisses wird von vielen Krankenhäusern und Pflegeheimen beliefert. Diese Einrichtungen sind auf die Erfüllung der Aufträge angewiesen, weshalb dort höhere Ansprüche an die Arbeitnehmer gestellt werden als in anderen Ateliers. Das spiegelt sich auch im Lohn wider.

Eine feste Anstellung mit einem herkömmlichen Arbeitsvertrag ist aus unterschiedlichen Gründen im Gefängnis recht kompliziert. Deswegen haben „Angestellte“ im Gefängnis ein ganz spezielles Statut, das den Häftlingen nur wenige Pflichten vorschreibt und dem Arbeitgeber auch nur begrenzte Rechte einräumt.

So scheinen manche Häftlinge nicht immer von einem heiligen Arbeitseifer befallen zu sein: Jeden Tag komme es vor, dass ein Teil der Betroffenen nicht zur Arbeit erscheine. „Wir können sie aber nicht zwingen“, so Legil. Auch müssten Betroffene im Gefängnis keine komplette Arbeitswoche leisten. „Wir reden hier von 20, maximal 30 Stunden die Woche. Mehr als 30 Stunden hat niemand“, bestätigt der Direktor.

So werden die Häftlinge je nach Dauer ihrer Anstellung, Können und Engagement eingestuft und „befördert“. In der höchsten Stufe konnten Betroffene Ende 2021 rund 670 Euro verdienen. Dieser Betrag wird allerdings regelmäßig angepasst. „Ist das viel Geld oder wenig? Darüber kann man diskutieren. Fakt aber ist, dass die Insassen im Gefängnis kaum feste Ausgaben haben“, gibt der Direktor der Gefängnisverwaltung, Serge Legil, zu bedenken.

Für Kost und Logis kommt natürlich der Staat auf. Gleiches gilt auch für Fortbildungen, kulturelle Angebote und Krankenkosten, die von der Gefängnisverwaltung getragen werden. Für individuelle Bedürfnisse aber müssen die Häftlinge selbst aufkommen. Das reicht von alltäglichen Kosten, wie Telefonaten, Kleidung, Snacks, Pflegeprodukten und Lebensmitteln bis hin zu Annehmlichkeiten, wie TV, Büchern und Tabak.

Allerdings haben viele Insassen auch außerhalb der Gefängnismauern noch finanzielle Verpflichtungen, die mit der Haft nicht plötzlich auf Eis gelegt werden: Darlehen etwa, die abgezahlt werden müssen, oder Angehörige, die auf Unterstützung angewiesen sind. „Manche Familien haben Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen, wenn plötzlich das Familienoberhaupt in Haft muss“, erklärt Gregory Fonseca. Dies treffe sozial schwächere Familien besonders hart: „Die Mutter muss dann zur Arbeit und hat weniger Zeit für die Kinder, die womöglich abzurutschen drohen“, so der Sprecher von „Eran, eraus … an elo?“. „Deshalb gibt es auch im Gefängnis noch viele Männer, die ihren Familien das wenige Geld zukommen lassen, das ihnen noch bleibt.“

Vor allem aber müssten viele Häftlinge regelmäßig Schadensersatz- oder Schmerzensgeldzahlungen leisten – eine Voraussetzung, um überhaupt für eine vorzeitige Haftentlassung in Frage zu kommen. Davon profitiere aber nicht nur der Betroffene: „Die rasche Tilgung dieser Schuld kommt auch dem Opfer und der gesamten Gesellschaft zugute“, betont Fonseca.

Ein Vorteil für beide Seiten

Nicht selten seien geschädigte Zivilparteien auf dieses Einkommen angewiesen, bestätigt Serge Legil. „Deshalb legt die Generalstaatsanwaltschaft viel Wert darauf, dass diese Schuld beglichen wird. Beim Häftling soll zumindest ein gewisses Bestreben dafür erkennbar sein“, so der Direktor der Gefängnisverwaltung. Die Höhe der Rückzahlung sei weniger ausschlaggebend: Vielmehr werde auf die Mittel geachtet und was der Häftling davon abgibt. „Bestrebungen zur Begleichung einer angerichteten Schuld sind ein wichtiger Teil zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft“, unterstreicht der Direktor der Gefängnisverwaltung.

Bis vor einigen Jahren wurden Beiträge für Rückzahlungen automatisch vom Einkommen der Häftlinge abgehalten. Inzwischen aber können die arbeitenden Insassen frei über ihren Lohn verfügen. Sie entscheiden, welche Summe sie welchen Zwecken zukommen lassen. Für die Gefängnisverwaltung handelt es sich auch dabei um einen wichtigen Beitrag zur Wiedereingliederung. „Eran, eraus … an elo“ wünscht sich allerdings eine Rückkehr zum alten System. „Damit die Schuld schneller beglichen werden kann“, so Fonseca.

Auf politischer Seite gibt es derzeit keine Bestrebungen, eine Art Grundeinkommen für Häftlinge im normalen Strafvollzug einzuführen. Im aktuellen Koalitionsvertrag sind derartige Pläne nicht vorgesehen, während das Thema auch im öffentlichen Diskurs keine Rolle spielt. Und das, obschon die Gefängnisverwaltung die Einführung eines Mindesteinkommens durchaus begrüßen würde, wie der Chef der „Administration pénitentiaire“ im Gespräch mit dem Tageblatt bestätigt: „Für uns hätte es gewisse Vorteile, wenn Häftlinge über ein Einkommen verfügten“, betont Legil.

So trägt die Gefängnisverwaltung etwa sämtliche medizinische Kosten der Häftlinge. Bei alltäglichen Eingriffen sei dies kein Problem. Bei schweren Krankheiten aber rissen die Kosten rasch ein Loch ins Budget. „Bei manchen Krankheiten kostet nur eine Infusion bereits mehrere tausend Euro. Andere Insassen haben orthopädische Probleme, deren Pflege mit hohen Summen zu Buche schlagen“, erklärt Legil. Bei einer direkten Übernahme durch die Gesundheitskasse könnten diese Einsparungen bei der Aufstellung des Haushaltes etwa für andere Investitionen genutzt werden. Im Gegenzug könnten Häftlinge mit ihrem Grundeinkommen auch Sozialbeiträge leisten und einen Teil ihrer Unterhaltskosten übernehmen. Diesbezügliche Pläne gebe es derzeit aber nicht.

Die Gefängnisverwaltung würde sich dem Mindestlohn für Gefangene im normalen Strafvollzug nicht widersetzen. Pläne gibt es derzeit aber keine.
Die Gefängnisverwaltung würde sich dem Mindestlohn für Gefangene im normalen Strafvollzug nicht widersetzen. Pläne gibt es derzeit aber keine. Foto: Editpress/Isabella Finzi
Laird Glenmore
9. Januar 2022 - 17.35

qfür arbeitende Häftlinge Mindesteinkommen

und vielleicht auch noch Urlaubs - und Weihnachtsgeld, ich dachte immer das man nach Missetaten bestraft werden soll und nicht auch noch belohnt werden.

Tarchamps
8. Januar 2022 - 17.08

Grundeinkommen für Häftlinge?

Grundeinkommen für Alle!

Dann kommen schon weniger Leute in den Knast.