„Eine sehr komplexe Situation“: Verhandlungen über Arbeitsprogramm kommen nur schleppend voran

„Eine sehr komplexe Situation“: Verhandlungen über Arbeitsprogramm kommen nur schleppend voran

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Im Europäischen Parlament können sich die maßgebenden Fraktionen nicht nur nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einigen. Auch bei der Ausarbeitung eines Arbeitsprogramms für die künftige Kommission geht es nicht weiter.

Eigentlich wollten die beteiligten EU-Parlamentarier ihre „Koalitionsverhandlungen“ bereits dieser Tage abschließen. Doch es hakt an vielen Ecken und Enden. Fraktions-Vertreter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialdemokraten (S&D), der Liberalen sowie der Grünen sind dabei, ein Arbeitsprogramm für die künftige Kommission auszuarbeiten. Darin soll in großer Linie festgelegt werden, wie es in verschiedenen Politikbereichen in der EU weitergehen soll. Die EU-Parlamentarier erwarten sich, dass sich der noch zu nominierende Kandidat für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten zu diesem Programm bekennt, wenn er die Zustimmung des EU-Parlaments bekommen will.

Lediglich das Kapitel über die Außenpolitik sei fertig. Über die vier anderen Themenbereiche bestehe noch Diskussions- und Klärungsbedarf, erklärte uns der neue LSAP-Europaparlamentarier Nicolas Schmit. Der ehemalige luxemburgische Arbeitsminister verhandelt für seine Fraktion gemeinsam mit dem italienischen EP-Abgeordneten Roberto Gualtieri über den Themenblock Wirtschaft und Soziales, Steuerpolitik und Währungsunion. Andere Politikfelder, über die verhandelt wird, sind nachhaltige Entwicklung und Umwelt, Innovation und Digitalisierung sowie Sicherheit, Migration und Grundrechte.

Erhebliche Diskussionen

Die Verhandlungen in seiner Arbeitsgruppe würden sich schwierig gestalten, da vor allem die EVP bei vielem bremse. „Die EVP hat das Versprechen ihres Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, die EU zu einem sozialen Triple-A zu führen, offenbar bereits vergessen“, sagt Nicolas Schmit. Eine ähnliche Haltung würde er bei den Liberalen feststellen, wenn auch nicht so ausgeprägt. Neben Schwierigkeiten, die soziale Dimension der EU auszubauen, würden die Verhandlungen auch bei Fragen der Reform der Eurozone und der Investitionspolitik stocken. Zudem gebe es Widerstand, den Klimapakt in die Diskussionen über das Europäische Semester zu integrieren, während dem die EU-Staaten ihre haushalts- und wirtschaftspolitische Eignung offen legen müssen.

Noch haben die EP-Abgeordneten mit ihren Verhandlungen Zeit. Denn der Kommissionspräsident soll erst während der zweiten Plenarwoche des EP Mitte Juli gewählt werden. Kommende Woche wird sich das EP mit sich selbst beschäftigen, der Wahl des EP-Präsidenten und der Vizepräsidenten, der Bildung der verschiedenen Ausschüsse. Doch auch das wird noch für erhebliche Diskussionen sorgen. Vor allem wenn die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondergipfel am morgigen Sonntag keinen Kandidaten für die Nachfolge Jean-Claude Junckers finden. Dann ist die Wahl des EP-Präsidenten offen, will heißen: Es gibt keine Absprache zwischen den Fraktionen, wodurch auch andere Personalfragen geklärt werden könnten wie die Präsidentschaft des Europäischen Rates, der Europäischen Zentralbank und der Posten des EU-Außenbeauftragten.

Die EU befinde sich in „einer sehr komplexen Situation“, was die Personalfrage anbelange, so Nicolas Schmit. Denn erstmals könnte es sein, dass eines der beiden großen Mitgliedsländer, Deutschland und Frankreich, in dieser Frage bei einer eventuellen Abstimmung den Kürzeren ziehen würde.

Solange kein neuer Kommissionspräsident gefunden ist, wird Nicolas Schmit sein Mandat im EP wahrnehmen, wo er sich dem Wirtschafts- und dem Sozialausschuss angeschlossen hat. Zwar wollte er auch im Gleichstellungsausschuss mitarbeiten, doch zog er seine Kandidatur wegen des zu hohen Andrangs zurück.

Erst wenn der EU-Kommissionspräsident gewählt ist, werden auch die übrigen Kommissare genannt werden können. Nicolas Schmit wurde bekanntlich von der Regierung als luxemburgischer Vertreter in der Brüsseler Behörde vorgesehen. Er wäre nicht abgeneigt, sich dort um die soziale Dimension der EU kümmern zu können.