Freitag31. Oktober 2025

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InterviewDjuna Bernard über ihre Präsidentschaft: „Wurde ins kalte Wasser geworfen und musste schwimmen“

Interview / Djuna Bernard über ihre Präsidentschaft: „Wurde ins kalte Wasser geworfen und musste schwimmen“
Djuna Bernard wurde 2019, im Alter von 26 Jahren, Co-Parteipräsidentin Foto: Editpress/Julien Garroy

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Djuna Bernard wurde im März 2019, im Alter von 26 Jahren, zur Co-Parteipräsidentin von „déi gréng“ gewählt und führte die Partei durch stürmische Zeiten. Nun tritt sie ab und spricht im Interview über Lernprozesse und eine wiedergewonnene Freiheit.

Tageblatt: Frau Bernard, wie ist es, nach gut fünf Jahren die Präsidentschaft abzugeben?

Djuna Bernard: Es ist schon ein komisches Gefühl. Fünfeinhalb Jahre sind nicht nichts, wenn man wie ich jetzt 32 ist. Das Amt hat mein Leben in den vergangenen Jahren maßgeblich beeinflusst. Ich bin nicht mehr das Mädchen, das mit 26 die Präsidentschaft übernommen hat. Es gab viele schöne Momente, aber auch einige schwierige zu überstehen. Jetzt, wo dieses Kapitel zu Ende geht, wird man doch etwas nostalgisch.

Die neue Parteispitze

Am Samstag wählen „déi gréng“ auf ihrem Kongress in Leudelingen eine neue Parteispitze. Djuna Bernard und Meris Sehovic legen nach fünf Jahren ihre Ämter nieder. Ihnen sollen die aktuelle Präsidentin des Leichtathletikverbandes, Stéphanie Empain, und der Gemeinderat aus Luxemburg-Stadt, François Benoy, folgen. Beide saßen von 2019 bis 2023 in der Chamber, wurden anschließend aber nicht wiedergewählt. 

Sie wurden mit nur 26 Jahren Parteipräsidentin, würden Sie das noch einmal so machen?

Hätte ich Anfang 2019 gewusst, was alles auf mich und die Partei zukommen würde, hätte ich wohl abgelehnt. Dafür hätte ich mich nicht bereit gefühlt. Aber ich wurde ins kalte Wasser geworfen und musste schwimmen. Ich hatte keine andere Wahl mehr.

Was meinen Sie genau damit?

Kurz nachdem ich in die Chamber gewählt wurde, ist man an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich die Präsidentschaft übernehmen wolle. Ich wollte eigentlich erst einmal richtig im Parlament ankommen, doch man hat mich überzeugt. Ich könne ein wichtiges Signal an junge Politiker senden, ich würde neue Ideen mit einbringen und außerdem stünde mit Christian Kmiotek ja noch ein erfahrener Politiker an meiner Seite. Es war also eher in einer Lernoptik, in der ich die Präsidentschaft angenommen habe. Sechs Monate nach meinem Antritt hatte Félix Braz seinen Herzinfarkt. Acht Monate später kam der Rücktritt von Roberto Traversini im Rahmen der „Gaardenhaischen-Affäre“, dann die Pandemie, der Rücktritt von Carole Dieschbourg …

Mussten Sie sich als junge Politikerin zuerst Respekt verschaffen?

Als junge Abgeordnete und Parteipräsidentin durchlebt man einen Lernprozess. Sitzungen zwischen Fraktionsvertretern der Regierungsparteien, Ministern und Parteipräsidenten fühlten sich zu Beginn schon etwas komisch an. Es ist klar, dass man als frisch gewählte Abgeordnete nicht alles wissen kann. Wenn dann ein Minister kam und einem ein Dossier erklärte, hörte man erst einmal zu und nahm es so hin. Später, wenn man sich in die Themen eingearbeitet hatte, konnte man gegenüber Ministern auch mal argumentieren, wieso man hier und da etwas anders sieht als sie. Auch den gestandenen Politikern oder Regierungsvertretern mal zu widersprechen, muss man erst einmal lernen. Das ist ein Prozess, den jeder Politiker durchlaufen muss.

Als Präsidentin ist man auch immer die Stimme der ganzen Partei. Das hat man immer zumindest im Hinterkopf.

Djuna Bernard

Hatten Sie oder haben Sie noch immer eine Politikerin oder einen Politiker, der sie durch diesen Prozess begleitet hat?

Ja, und das ist auch enorm wichtig. Bei mir ist das Sam Tanson. Ich kenne sie eigentlich, seitdem ich mit 16 in die Partei eingetreten bin und sie Parteisprecherin war. Sie hat mich immer gefördert. Es war auch ihretwegen, dass ich 2018 im Zentrum kandidierte. Als Einwohnerin von Mamer hätte ich auch auf der Liste im Süden mitgehen können, aber zu wissen, Sam und auch François Bausch an der Seite zu haben, hat damals schon eine Rolle gespielt.

Was bedeutet der Wegfall dieses Amtes für Sie persönlich?

Ich denke, dass ich nun freier auftreten kann als Abgeordnete. Als Präsidentin ist man auch immer die Stimme der ganzen Partei. Das hat man immer zumindest im Hinterkopf. Nun fällt das weg und ich kann mich vollkommen auf meine Arbeit in der Chamber konzentrieren.

Freut sich nun auf eine wiedergewonnene Freiheit als Abgeordnete: Djuna Bernard
Freut sich nun auf eine wiedergewonnene Freiheit als Abgeordnete: Djuna Bernard Foto: Editpress/Julien Garroy

Sie haben die Parteispitze 2019 übernommen, als „déi gréng“ an ihrem bisherigen Höhepunkt angekommen waren. Im vergangenen Jahr kam der Absturz bei den Wahlen. Ist es der richtige Moment für einen Führungswechsel?

Jeder, der Verantwortung in einer Organisation übernimmt, will diese in einem besseren Zustand abgeben, als er sie bei der Übernahme vorfand. Die Frage ist, woran misst man diesen Zustand? In der Politik sind es die Wahlergebnisse, an der eine Partei gemessen wird. Natürlich hätte ich mir bei den vergangenen drei Wahlen andere Resultate gewünscht, dennoch habe ich das Gefühl, dass ich der Partei etwas hinterlasse. Wir haben als Team sehr viel an unseren internen Strukturen gearbeitet, ein Programm für Weiterbildungen auf die Beine gestellt und so weiter. Da spüre ich auch ein positives Feedback unserer Mitglieder. Was das angeht, bin ich zufrieden. Dass vor allem das Ergebnis der Nationalwahl für uns als Partei, aber auch für mich sehr hart war, das ist kein Geheimnis. Über die parteiinterne Aufarbeitung der Wahlergebnisse bin ich wiederum sehr stolz.

Hätte ich Anfang 2019 gewusst, was alles auf mich und die Partei zukommen würde, hätte ich wohl abgelehnt

Djuna Bernard

Hätten Sie bei einem besseren Wahlresultat als Präsidentin weitergemacht?

Nein, ich habe die Entscheidung, das Amt abzugeben, schon im Sommer des vergangenen Jahres für mich getroffen.

Geht es beim Wechsel an der Spitze auch darum, anderen Politikern Visibilität zu verschaffen?

Das bestärkte mich jedenfalls in meiner Entscheidung. Wir haben nur noch vier Abgeordnete und ich sehe nicht ein, wieso zwei von ihnen auch noch Parteipräsidenten sein sollen. Zum einen, um anderen Politikern eine gewisse Visibilität zu verschaffen, zum anderen aber auch aufgrund des hohen Arbeitsaufwandes. Wir versuchen zu viert in der Chamber eine konstruktive Opposition zu betreiben und ich denke, dass eine Arbeitsaufteilung Sinn ergibt. Außerdem schadet es nie, wenn neue Leute andere Ideen und frischen Wind in eine Partei bringen.

Was muss sich bei „déi gréng“ ändern?

Die Gesellschaft wandelt sich so schnell, dass man sich als Partei ständig hinterfragen muss. Wir als Grüne sind eine Bewegung und dürfen nicht stagnieren. Die Menschen haben uns in der Vergangenheit als die Partei wahrgenommen, die immer wieder den moralischen Zeigefinger erhebt, und das darf nicht sein. Das ist von den wenigsten gewollt, aber wenn wir eine gewisse Arroganz vermittelt haben sollten, dann müssen wir unsere Kommunikation und unser Verhalten anpassen.

Was geben Sie Ihren Nachfolgern mit auf den Weg?

Ich werde mich hüten, ihnen Ratschläge zu erteilen. Stéphanie (Empain, d.Red.) und François (Benoy, d.Red.) sind erfahrene Politiker, die ich sehr schätze. Sie werden unserer Partei guttun und frische Ideen mit einbringen. Ich wünsche ihnen, dass sie als Duo so gut harmonieren wie Meris (Sehovic, d.Red.) und ich. Das hilft jedenfalls und macht die Arbeit leichter.

Fräntz Louchetter
11. Oktober 2024 - 17.44

Es gab doch auch schöne Momente, wie zum Beispiel die mondäne Wahlkampf-Reise ins ferne Brasilien.