Hip-HopDie Rapper Fatoni und Edgar Wasser verbinden Humor mit Gesellschaftskritik

Hip-Hop / Die Rapper Fatoni und Edgar Wasser verbinden Humor mit Gesellschaftskritik
Fatoni und Edgar Wasser halten der (Deutsch-)Rapszene und der Gesellschaft den Spiegel vor

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Zum Rap-Mainstream gehören sie nicht. Aber so richtig underground sind sie mittlerweile auch nicht mehr. Fatoni und Edgar Wasser ziehen ihr Ding durch und locken damit keine Massen an. Das Open-Air-Konzert am vergangenen Donnerstag in Trier war nicht ausverkauft, doch das Publikum bestand aus eingefleischten Fans und verlangte zwei Zugaben. Und das nicht ohne Grund, denn Fatoni und Edgar Wasser gehören zu den Hip-Hop-Künstlern, die man live sehen sollte.

Ja, es wird immer schwieriger für Satiriker, Zyniker und Sprechgesangslyriker. Die Welt geht vor die Hunde und lässt selbst die Sarkastischsten sprachlos. Ein Delirium. Teilweise ist es so absurd, dass man es nur noch ertragen kann, indem man es noch absurder darstellt. Fatoni will nicht, „dass man mich ironisch nennt, aber schreibe ironische Lieder“, Edgar Wasser ist „die Definition von ’nem komischen Kauz“, der keine Interviews gibt und über den man nichts weiß. Die beiden toben sich aus und nehmen mit Wortspielen und Übertreibungen vieles auf die Schippe: die deutsche Rapszene, Rechtsextreme, Verschwörungstheoretiker, die Gesellschaft – und machen dabei vieles richtig. Ein Überblick.

Humor und Sozialkritik

Gesellschaftskritik und dabei auch noch witzig sein ist ein Spagat, der nicht allen gelingt. „Delirium“, das neue gemeinsame Album von Fatoni und Edgar Wasser, enthält viel schwarzen Humor und Zynismus, aber auch Punchlines, die so überzogen sind, dass man sie kaum ernst nehmen kann.

Meine Generation hat den Zynismus perfektioniert Kids gehen jetzt wieder demonstrieren Wir können das gut mit dummen Sprüchen kommentieren Es war so simpel, etwas Reales nehmen und tierisch übertreiben Und dann Satire drüber schreiben

Fatoni, „Realität“

„Der Beste“ beispielsweise ist eine Satire von typischem Representer-Rap. Es ist nun mal so: Mit Mainstream-Hip-Hop werden meistens protzige Gangsta-Rapper verbunden, die vom harten Leben auf der Straße sprechen, Mütter ficken und toxische Maskulinität verkörpern, auch wenn es Ausnahmen wie Marteria, Prinz Pi oder neuerdings Sido gibt. Sieht man sich die Liste der populärsten deutschen Rapper an, wird schnell klar, dass das Klischee nicht ohne Grund existiert. „Auch ohne Bosstransformation knocke ich beide Klitschkos aus“, rappt Edgar Wasser auf „Der Beste“ – die Bosstransformation ist hier eine Anspielung auf Kollegah, den Inbegriff des aufgepumpten Ich-bin-ja-so-männlich-Rappers. Fatoni meint in „Ratatatatatatatatat“: „Was ist jetzt mit der Realness, huh? – Ihr redet von Ehre, aber macht alles für ein geschenktes Sneakerpaar – Ich hab’ kein Gesichtstattoo, wie sieht das denn aus? – Ich hab’ auf meiner Stirn doch schon den Ironiestempel drauf.“

Ihr Fett weg bekommen auch Xavier Naidoo („Seit Jahren Reichsbürger – Aber andere brachten munter mit ihm Features raus – Und jetzt kann wirklich jeder sehen – Bei dem sind ein paar Lichter aus“) und andere Verschwörungstheoretiker-Genossen sowie die AfD (Edgars Part in „Freierssohn“). Allgemein gehören Fatoni und Edgar Wasser in Sachen Satire-Rap wohl zu dem Besten, was die deutsche Hip-Hop-Szene derzeit zu bieten hat.

Shoutouts gehen auch raus an den aufmerksamen Kellner Der extra Englisch mit mir spricht, obwohl ich auf Deutsch bestellt hab Und wenn wir schon beim Thema sind, bedank’ ich mich auch bei Rentnern Die mir Komplimente machen, dafür, dass ich fast kein Akzent hab’

Edgar Wasser, „Danke für dein Feedback“

Flow und Delivery

Wer sich über andere Künstler lustig macht, sollte zumindest besser als sie sein. Das ist hier der Fall: Fatoni und Edgar Wasser haben beide einen unverkennbaren Flow und sind raptechnisch richtig gut. Wer sich davon überzeugen will, sollte sich auch die älteren Cyphers reinziehen. Die Beats auf „Delirium“ sind eher dem Old-School-Hip-Hop zuzuordnen.

In Zeiten von Mumble-Rap und Autotune tut es zudem gut, Rappern mit starker Delivery zuzuhören. Vor allem live überzeugen die beiden.

Setlist

Das „Nocebo“-Duo („Nocebo“ ist der Titel des ersten gemeinsamen Albums, Anm. d. Red.) schafft den Sprung von beißender Satire über nicht so ganz ernst zu nehmendem Representer-Rap bis hin zu nachdenklichen Songs. Neben Material aus dem neuen Album hat das Duo noch ein Medley bestehend aus früheren gemeinsamen Tracks wie „Übertreib nicht deine Rolle“ und „An der Uhr“ sowie einige Solos im Gepäck.

Sie sagen, Hip-Hop wäre sexistisch und homophob Aber das war schon immer so, und deshalb ist es Tradition Und Tradition muss man bewahren, und zwar um jeden Preis Lebt damit, dass ihr die Objekte und nicht die Künstler seid

Edgar Wasser, „Bad Boy“

„Bad Boy“ von Edgar Wasser ist feministisch, ohne offen feministisch sein zu wollen. Der Künstler zieht gängige Geschlechterrollenklischees im Hip-Hop-Bereich ins Lächerliche und erklärt, warum „Frauen im Hip-Hop nichts zu tun haben“.

Fatoni performt Songs aus seinem letzten Soloalbum „Andorra“ und erntet vor allem bei „Alles zieht vorbei“ Applaus. Dann die Überraschung: „Feeling“, das erst vor zwei Wochen erschienen ist. Ein Gute-Laune-Song, der eigentlich ein Sommerhit hätte werden sollen, wenn sich mehr Menschen für diese Art von Musik interessieren würden.

Das Publikum geht richtig ab. In Zeiten von Pandemie und Negativschlagzeilen kommt ein Track wie „Feeling“ gerade gut.

Tausende Lichter, tausend Gesichter Mit tausend Geschichten Jede Nacht dieses diffuse Gefühl Noch nach draußen zu müssen

Fatoni, „Alles zieht vorbei“

„Das Leben ist dumm“ ist wohl der Song auf dem Album mit den „deepsten“ Lyrics. Live gehen die Zeilen noch mehr unter die Haut. Ganz ohne Sarkasmus sagt Edgar: „Leben ist der Tod, der dich permanent bedroht – Leben ist Schmerz und Depression, doch ich würd’s gerne wiederholen.“ Fatoni zeigt hier auch eine andere Seite seines Schaffens: „Leben ist Gewöhnungssache – Und am Ende wahrscheinlich das Schönste, das ich hatte.“

Bühnenpräsenz

Sie gehören zu den Rappern, die man mindestens einmal live gesehen haben soll. Während andere Genrevertreter auf Special Effects und eine ganze Gang von Back-up-Rappern mitbringen, um zu verstecken, dass sie live dann doch nicht so toll klingen, nehmen Edgar und Fatoni die Bühne ein, interagieren miteinander und mit dem Publikum und bringen jede Line sauber rüber.

Für Satiriker wird es immer schwieriger. Aber Fatoni und Edgar Wasser sind der Beweis, dass man es auch richtig machen kann.