Neu in der ChamberDer Landwirt, der kein Abgeordneter sein wollte: Luc Emering

Neu in der Chamber / Der Landwirt, der kein Abgeordneter sein wollte: Luc Emering
Der Dippacher Schöffe wurde ganz ohne groß angelegte Social-Media-Kampagne gewählt Foto: Editpress/Tania Feller

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Bei den Chamber-Wahlen am 8. Oktober hat Luc Emering es auf Anhieb geschafft, als Viertplatzierter der DP-Südliste ins Parlament einzuziehen. Dabei wollte er ursprünglich gar nicht bei den Wahlen antreten. Ein Porträt.

Luc Emering ist dieser Tage ein viel gefragter Mann. Als das Tageblatt auf dem Bio-Bauernhof des Neu-Abgeordneten eintrifft, verabschiedet Emering gerade die Kollegen des Luxemburger Wort. Kein Wunder: Nicht nur hat Luc Emering bei den Nationalwahlen auf Anhieb den Sprung in die Chamber geschafft, er hat dabei auch die beiden ehemaligen DP-Abgeordneten Barbara Agostino und Pim Knaff sowie JDL-Präsident Michael Agostino hinter sich gelassen. Zeit für lange Interviews hat er im Trubel der vergangenen Tage eigentlich keine. Die Frage der Vereinbarkeit von Arbeit und zu wenig Zeit – eine Konstante, die sich durch Emerings Alltag zieht.

Emering lädt in den „Dudel-Magie“-Shop des Bauernhofs auf einen Kaffee ein. Dann verschwindet er wieder für zehn Minuten. „Ich muss noch kurz was arbeiten.“ Luc Emering ist Landwirt. Seit vergangenem Jahr führt er den Biomasthühnchen-Betrieb seines Vaters in Sprinkingen in der Gemeinde Dippach in vierter Generation. Zeit, sich auch weiterhin Vollzeit um den Familienbetrieb zu kümmern, wird Emering künftig wohl nicht mehr haben. Am Dienstag wird er sein Chamber-Mandat offiziell annehmen und die erste Sitzung als einer der beiden jüngsten Abgeordneten gemeinsam mit Michel Wolter (CSV) und Liz Braz (LSAP) sogar leiten.

Seit 2018 sitzt er im Dippacher Gemeinderat. Als Max Hahn in die Regierung kam, rückte Emering als Erster Schöffe nach. Zudem war er bis zu seiner Kandidatur bei den Nationalwahlen auch Präsident der „Landjugend und Jungbauern“. Den Posten hat er nun geräumt – „damit die politische Unabhängigkeit der Landjugend garantiert ist“ – und für einen Platz bei den Koalitionsverhandlungen auf Schloss Senningen eingetauscht, wo er nicht nur die DP-Jugend vertritt, sondern auch seine Expertise in den Arbeitsgruppen für Umwelt und den Bereich der Landwirtschaft einfließen lässt.

„E gudde Jong vun hei“

Der DP-Shootingstar auf seinem Hof in Sprinkingen
Der DP-Shootingstar auf seinem Hof in Sprinkingen Foto: Editpress/Tania Feller

Als „gudde Jong vun hei“ beschreibt die Dippacher Bürgermeisterin Manon Bei-Roller (LSAP) den Shootingstar der politischen Konkurrenz gegenüber dem Tageblatt. „Er ist immer anwesend und nimmt sich die für sein Mandat nötige Zeit.“ Sie kenne ihn schon von klein auf, schließlich sei er in Dippach zur Schule gegangen. „Ich arbeite gut mit ihm zusammen. Er ist kompromissbereit, kollegial, sozial und offen für alles.“

Dass Luc Emering bei den Nationalwahlen so gut abgeschnitten hat, hat seinen politischen Ziehvater Max Hahn nicht überrascht: „Er ist in seinem Umfeld sehr gut akzeptiert.“ Beide sind bei den Koalitionsverhandlungen dabei. Der DP-Minister sagt nicht ohne stolz, dass er Luc Emering damals in der Gemeinde „entdeckt“ hat. „Luc kommt aus einer Familie, die im Dorfleben sehr gut integriert ist“, sagt Hahn. Auch wenn der neue DP-Abgeordnete medial ein eher zurückhaltender Typ sei, habe er keine Angst, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen. Und: „Er steht zu seinem Wort.“

Was von den einen als konsequent umschrieben wird, würden andere wohl eher als ungemütlich bezeichnen. Ein Mitläufer ist Luc Emering jedenfalls nicht. Einen Wahlkampf, wie andere Politiker ihn geführt haben, indem sie ein Selfie von jedem Fest in den sozialen Medien posteten, hat er nicht geführt. Das sei nicht seine Art. „Einige in der Partei haben das nicht gut gefunden“, sagt Emering – doch der Erfolg gibt ihm recht. Sein Profilfoto auf Facebook hat er nicht mit Parteilogo und -farben hinterlegt. „Ich habe nur ein oder zwei Tage vor der Wahl ein Video gepostet“, sagt Emering. Ansonsten sei er schon auf Festen gewesen – dann jedoch den ganzen Abend da geblieben, ohne seine Präsenz für die Nachwelt festzuhalten. „Ich habe irgendwo gelesen, dass rund acht Prozent der Menschen ihre Wahlentscheidung durch soziale Medien treffen“, erklärt Emering, warum er sich online nicht sonderlich bemüht hat. „Wenn man der Hälfte davon dann noch auf den Sack geht …“ Es ist schwer, dagegen zu argumentieren.

Dabei weiß Emering sehr gut, wie man die Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann. Als Präsident der Jungbauern hat er 300 grüne Kreuze mit roten Stiefeln im ganzen Land aufstellen lassen, um gegen das damalige Agrargesetz zu protestieren. Der Protest wurde bis auf den „Krautmaart“ getragen, wo sich auch Landwirtschaftsminister Claude Haagen in der Menge blicken ließ. Schlussendlich beugte sich die Regierung dem Druck der Landwirte und lud zu einer Landwirtschafts-Tripartite, auf der schließlich eine Einigung erzielt wurde. „Schlussendlich sind wir mit 80 Prozent des Textes einverstanden“, sagt Emering. Und die restlichen 20? „Der Text ist halt ein Kompromiss.“

Eins plus eins ergibt zwei

Hobbys hat Luc Emering keine. Seine Zeit als Präsident der Landjugend kommt da noch am nächsten an eine Art Hobby heran. „Ich vergleiche das Zusammensein in der Landjugend gerne mit den ‚Scouten‘“, sagt Emering rückblickend. Zwar habe er als Präsident unzählige Texte gelesen und verfasst – als Arbeit habe sich das jedoch nicht angefühlt. „Neben der Arbeit bleibt nicht viel Zeit.“ Bereut habe er seine Berufswahl nie. Landwirt zu werden, sei schon immer sein Traum gewesen und es habe ihn niemand dazu gezwungen, den Familienbetrieb zu übernehmen. Sein Studium der Agrarwissenschaften an der Technischen Universität Bingen am Rhein sei „eigentlich nicht nötig“, um den Hof der Familie weiterzuführen. Aber: „Besser, man hat ein Diplom“, fügt er nüchtern hinzu.

Emering sagt, er wolle eher eine Politik für die Luxemburger Mittelschicht machen
Emering sagt, er wolle eher eine Politik für die Luxemburger Mittelschicht machen Foto: Editpress/Tania Feller

Nüchtern blickt er auch auf seine Kandidatur bei den Wahlen zurück, die fast nicht zustande gekommen wäre. Zweimal sei er bei Premierminister Xavier Bettel gewesen, weil dieser ihn unbedingt für die DP-Liste im Süden gewinnen wollte. Luc Emerings rasanter Aufstieg war also weder geplant noch wirklich gewollt. „Zwei Tage vor der Deadline wollte ich eigentlich nicht wirklich bei den Chamber-Wahlen antreten.“ Dass er sich doch noch kurzfristig umentschied, ist nicht nur auf Bettels Überzeugungsarbeit zurückzuführen. „,Weniger arbeiten und mehr verdienen‘ hat irgendeine Partei auf einem Wahlplakat versprochen“, erklärt Emering. „Ich habe mir nur gedacht, dass jeder, der um 6 Uhr morgens an diesem Plakat vorbei zur Arbeit fährt, sich komplett verarscht fühlen muss.“ Auch er könne es sich als Leiter eines Betriebes mit mehreren Angestellten nicht vorstellen, wie er das bewältigen solle. Er wolle eher eine Politik für die Luxemburger Mittelschicht machen. Wie er Mittelschicht definiere? „Ich denke, dass 5.000 bis 6.000 Euro ein ordentliches Einkommen darstellen“, sagt Emering. „Das Problem ist einfach, dass man sich damit in Luxemburg nichts mehr leisten kann.“

Luc Emering wolle sich demnach für die wirklichen Probleme des Landes einsetzen – und nicht für das, was auf Wahlplakaten mit #Gerechtegkeet angepriesen werde, wie er in seinem einzigen Wahlvideo auf Facebook erklärt. Als Landwirt weiß er das Wenige an Zeit, das ihm eigentlich bleibt, zu schätzen. Jede freie Minute verbringt er auf dem Hof und kann auch auf die Unterstützung seiner Familie zählen. Fünf Jahre hat er nun, um seine politischen Visionen in der Chamber in Handfestes zu verwandeln. Wie es auf dem Hof weitergehen soll, wenn er in Chamber und Gemeinderat ist? „Jetzt im Winter wird es etwas ruhiger, aber im Frühjahr muss ich schauen, wie ich das organisiere“, gesteht Emering. Bis dahin bleibt aber ohnehin noch genug Arbeit, weswegen der Jungbauer nach einer Stunde aufsteht und sagt: „Sou, gi mir erëm schaffen.“ Mehr als zwei Interviews an einem Tag schaffe er dann doch nicht. Dafür fehle einfach die Zeit.