MobilitätDer Freizeit-Knigge: Respektvoller Umgang zwischen Radler und Spaziergänger

Mobilität / Der Freizeit-Knigge: Respektvoller Umgang zwischen Radler und Spaziergänger
Ein blaues Schild mit Piktogrammen zeigt in der Regel, wer den Weg alles nutzen darf. Reine Radwege sind in Luxemburg eher die Ausnahme. Foto: Editpress/Julien Garroy

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Mit Beginn des Frühlings nimmt auch der Verkehr auf den Luxemburger Wander- und Fahrradwegen wieder zu. Bei so vielen Spaziergängern, Joggern, Radfahrern und Rollerbladern bleiben Reibereien aber nicht aus. Wer darf diese Wege überhaupt nutzen? Wie sollte man sich benehmen? Das Tageblatt hat nachgefragt.

„Das kann doch nicht sein“, echauffiert sich Jean. „Seit Jahrzehnten spazieren wir über die ,Bunn‘ und nun soll sie nur noch den Fahrrädern vorbehalten sein?“, fährt der Hundebesitzer aufgeregt fort. Der Grund für seine Wut: Jean und sein Hund wurden bei einem gemeinsamen Spaziergang am Morgen auf ihrem üblichen Weg von zwei Radfahrern überrascht. Beide hätten ihn ohne Ankündigung von hinten überholt. Der erschrockene Hund sei daraufhin fast mit einem der Radfahrer kollidiert.

Anstatt sich aber über den Umstand zu freuen, dass weder Mensch noch Tier zu Schaden gekommen waren, kochten die Gemüter über. „Sie wurden richtig frech“, so Jean. Das habe er natürlich nicht hingenommen. „Ich habe ihnen meine Meinung auch gesagt. Sie hätten doch nur klingeln müssen. Ihr Antwort aber war, dass ich nichts mit meinem Hund auf dem Weg verloren hätte. Es sei schließlich ein Fahrradweg. Und diese seien Radfahrern mit ihren Rädern vorbehalten.“

Tatsächlich handelt es sich bei besagtem Weg offiziell um die PC5, die „Piste cyclable“ der Weißen Ernz. Der Weg wurde vor einigen Jahren im Rahmen der Renaturierung des Wasserlaufes auf der Trasse der alten Schmalspurbahn angelegt und führt von Medernach an Fels, Ernzen und Fischbach vorbei nach Koedingen. Eine beliebte Strecke, die besonders von älteren Anwohnern wegen ihrer Geschichte immer noch „Bunn“ genannt wird.

Besonders bei gutem Wetter aber wird der Weg gerne Opfer seines eigenen Erfolges. Radfahrer, Spaziergänger, Jogger und Rollerblader lösen sich auf den angrenzenden Parkplätzen regelrecht ab. Auch wenn die meisten Menschen Rücksicht aufeinander nehmen, muss es bei so vielen unterschiedlichen Nutzern zwangsläufig zu Reibereien kommen. Wie auf vielen anderen Luxemburger Rad- und Wanderwegen auch.

„Eine Verkettung verschiedener Bausteine“

Sind „Pistes cyclables“ tatsächlich nur Radfahrern mit ihren Rädern vorbehalten? Streng genommen: Ja! Wenn es sich um einen richtigen Radweg nach holländischem Vorbild handelt, dürfen diese laut Straßenverkehrsordnung nur von Radfahrern genutzt werden. Doch: „Das, was im Volksmund oft Radweg genannt wird, ist laut ‚Code de la Route’ eine Verkettung verschiedener Bausteine“, erklärt Christophe Reuter aus dem Mobilitätsministerium.

Eines dieser Bausteine ist das, was die Straßenverkehrsordnung eine „Piste cyclable“ nennt. Dieser Weg ist mit einem blauen Schild mit Fahrrad gekennzeichnet. In Luxemburg eine absolute Seltenheit, wie Reuter betont. Wenn überhaupt, befinden sich solche Strecken nur innerhalb großer Agglomerationen, wie beispielsweise den Boulevard Kennedy auf Kirchberg entlang. Dies sei denn auch eines der einzigen Beispiele einer reinen Fahrradpiste in Luxemburg.

„Das ist dann ein richtiger Radweg nach niederländischem Vorbild. Fußgänger haben dort nichts verloren“, erklärt der hohe Beamte. Meist komme aber noch ein weiterer Baustein hinzu: ein blaues Schild mit Fußgänger. Womit eine Mehrheit der Strecken, die im Volksmund Radweg genannt werden, auch für Spaziergänger zugänglich sind.

Die absolute Mehrheit der Wege, die außerorts von Menschen für Freizeittätigkeiten genutzt werden, sind allerdings mit einem weißen Schild mit roter Umrandung gekennzeichnet: das Fahrverbot mit Ausnahmen. „Die in der Regel Fahrräder beinhalten“, erklärt Reuter. Spaziergänger seien natürlich willkommen. „Eigentlich ist es eine Straße, die für den Fahrzeugverkehr gesperrt ist, aber noch von Landwirten mit ihren Traktoren sowie von Radfahrern und Fußgängern genutzt werden können.“

Ausschlaggebend sind die Schilder zu Beginn eines Teilstückes. „Entweder handelt es sich um ein Fahrverbot mit Ausnahmen, eine gemischte Nutzung für Radfahrer und Fußgänger oder einen reinen Radweg, von denen es aber kaum welche im Großherzogtum gibt“, fasst der Berater des Mobilitätsministers zusammen. In anderen Worten: Die große Mehrheit der Wander- und Radwege in Luxemburg darf von Spaziergängern und Fahrradfahrern genutzt werden. Und von Joggern, Läufern, Rollerbladern, Tretrollern oder Kinderkutschen …

Vorwürfe hingegen, wonach bestimmte Nutzer nichts auf Wander- oder Radwegen zu suchen haben, sind meist fehl am Platz. Vielmehr sollten die Nutzer gesunden Menschenverstand walten lassen, sich gegenseitig respektieren und niemanden unnötig in Gefahr bringen. Dafür plädiert nicht nur das Mobilitätsministerium, sondern auch die „Lëtzebuerger Vëlos-Initiativ“ (LVI).

Deutliche Trennung bei viel Betrieb

Spaziergängern wird etwa geraten, sich links zu halten und nicht die gesamte Breite des Weges einzunehmen. „So sehen sie auch, wenn ein Radfahrer auf sie zusteuert. Man hat also genug Zeit, um als große Gruppe zur Seite zu treten oder den Hund zur Seite zu nehmen“, erklärt Monique Goldschmit. Die LVI-Präsidentin weiß natürlich, dass die meisten Radwege in Luxemburg auch von Spaziergängern genutzt werden und reine Fahrradpisten, wenn überhaupt, nur in großen Ortschaften funktionieren. Ihre Vereinigung plädiert denn auch für ein respektvolles Miteinander, setzt sich gleichzeitig aber für eine deutlichere Trennung der Infrastruktur auf verkehrsreichen Wegen ein.

So werde die getrennte Nutzung der Fahrrad- und Fußgängerbrücke unterhalb des Pont Adolphe zwar mit Schildern angekündigt. „Zur Mitte der Brücke hin spazieren die Leute aber wieder überall, weil die Wege nicht deutlich voneinander getrennt sind. Ohne klare Trennung aber kommt es zu Konflikten“, sagt Goldschmit.

Positiv sei deshalb das Projekt in Grevenmacher zu bewerten, wo die betriebsamen Rad- und Wanderwege parallel zueinander verlaufen. „Der Spazierweg verläuft unten über die Esplanade, der Radweg etwas oberhalb. Das klappt ganz gut“, erklärt die Vorsitzende der Radinitiative. Es sei schließlich nicht Sinn und Zweck dieser Wege, dass sich Radfahrer im Zick-Zack-Kurs durch Wandergruppen schlängeln oder Spaziergänger in letzter Sekunde erschrocken zur Seite springen müssen, wenn ein Radfahrer im hohen Tempo zum Überholmanöver ansetzt.

Ansonsten rät die LVI Spaziergängern auf gemischten Wegen, den Hund stets an der kurzen Leine zu halten. „Sie würden dem Hund ja auch in der Stadt keine fünf Meter lassen“, erklärt Goldschmit. Eine gespannte Leine sei fatal für Radfahrer. Großen Gruppen empfiehlt die LVI-Vorsitzende, nicht die gesamte Breite des Weges einzunehmen.

Im Gegenzug sollten Radfahrer ihre Geschwindigkeit dem Aufkommen anpassen und Manöver im Rücken der Fußgänger rechtzeitig ankündigen. Etwa mit der Klingel oder, falls nötig, auch verbal. Dafür sollen Spaziergänger aber auch achtgeben und nicht ständig am Telefon herumspielen oder beide Kopfhörer in die Ohren stecken. „Das kann man tun, wenn nur Fußgänger unterwegs sind. Wenn aber auch Radfahrer präsent sind, sollte man aufpassen“, empfiehlt Monique Goldschmit.

Vor dem Pont Adolphe wird die Trennung zwar deutlich angekündigt, doch unter der Brücke vermischen sich die Nutzer wieder. Deshalb plädiert die LVI für eine klare Trennnung auf betriebsamen Wander- und Radwegen.
Vor dem Pont Adolphe wird die Trennung zwar deutlich angekündigt, doch unter der Brücke vermischen sich die Nutzer wieder. Deshalb plädiert die LVI für eine klare Trennnung auf betriebsamen Wander- und Radwegen. Foto: Editpress/Julien Garroy

Rund oder mit Kante

Auf Rad- und Wanderwegen sollen Nutzer auf Hinweise achten. Doch: Anstatt des viereckigen blauen Schildes mit Piktogramm steht an manchen Stellen immer noch das runde blaue Schild mit Spaziergänger und/oder Fahrradfahrer. Der Unterschied: Letzteres signalisiert eine Pflicht, während das erste lediglich eine Empfehlung ausspricht. In Koedingen etwa signalisiert ein rundes blaues Schild, dass Radfahrer den Radweg nach Medernach – die PC5 – nutzen müssen. Auf die enge, kurvenreiche Straße nach Fels dürften sie eigentlich nicht. Da auf dem Radweg aber keine (offizielle) Abzweigung nach Fischbach vorgesehen ist, können Radfahrer diese „Ausrede“ nutzen, um dennoch auf die Straße zu dürfen. Denn: So schön der Weg durch die Natur auch ist, den welligen Belag auf der PC5 mögen viele Radfahrer nicht.

Distanz birgt Sicherheit

„Respect my space“ heißt die neue Kampagne des Verkehrsministeriums zusammen mit der „Sécurité routière“. Ziel ist es, Verkehrsteilnehmer zum respektvollen Umgang miteinander anzuregen, indem man die gegenseitigen Freiräume respektiert. Autofahrer sollten immer genügend Sicherheitsabstand zum Vordermann (z.B. zwei Sekunden bei flüssigem Verkehr) behalten. Auch Radfahrer sollte man mit einem Abstand von mindestens 1,5 m überholen. Im Gegenzug sollten Radfahrer nicht zu knapp an abgestellten Fahrzeugen vorbeifahren, sollte ein Insasse in dem Moment die Tür öffnen. „Respecter les autres usagers, c’est respecter leur espace“, heißt es in der Kampagne. Daran sollten sich sämtliche Verkehrsteilnehmer halten, auch Radfahrer und Fußgänger.

Kross
9. März 2021 - 20.30

"Cyclable" heißt bloß, dass man den Weg mit für ein Fahrrad 'geeignet' ist. Gab es bei der Eisenbahn seit 150 Jahren und selbstverständlich auch per pedes begehbar. Es gibt ganz wenige Wege hierzulande, die man nicht zu Fuß begehen darf, die Autobahn z.B.

Blücher
9. März 2021 - 19.12

@Kemp: Respekt, dann sind Sie ein vorbildlicher Radfahrer und unser grüner Minister brauch keine teueren Fahrradwege mehr bauen zulassen.

J.C. Kemp
9. März 2021 - 14.22

@Blücher: Ich fahre sowieso auf der Strasse, die immerhin noch sicherer ist als Fahrradwege voller Fussgänger, Skateboarder, Hunde(dreck) oder unberechenbarer spielender Kinder. @josy: Warum fährt der Radfahrer auf dem Fussgängerteil? Weil dort mit grösserer Sicherheit keine Fussgänger wandeln.

trotinette josy
9. März 2021 - 13.49

@Von Blücher. einfache Erklärung, auf der Nationalstrasse ist es für Radfahrer oft weniger gefährlich unterwegs zu sein als auf Fahrradwegen. Weshalb, siehe meinen obigen Kommentar.

Von Blücher
9. März 2021 - 12.32

@Kemp: Kleines Beispiel zur Illustration.Die Radfahrerpiste zwischen Diekirch und Echternach wohl getrennt. Wo fahren die Radfahrer ? Die Einen auf dem Fußgängerteil , die Mehrzahl auf der nebenherlaufenden Nationalstraße.

Linda
9. März 2021 - 12.25

An awer get sech net drun gehaal!!!

trotinette josy
9. März 2021 - 10.07

Der Radler auf dem obigen Foto hält sich schon mal deutlich nicht an die Vorschrift. Die meisten Fahhradwege sind breit genug, damit Radfahrer und Fussgänger sich nicht in die Quere kommen. Vorausgesetzt sie halten sich an die im Strassenverkehr geltenden Regeln. Radfahrer rechts und Fussgänger links in Fahrtrichtung. Ist das denn so schwer zu begreifen? Anscheinend. Hinzu kommen dann noch die nicht angeleinten Vierbeiner.

J.C. Kemp
9. März 2021 - 9.25

Ein kurzes Beispiel zur Illustration: Das kurze Stück zwischen Glacis und Staereplaaz endlang des Friedhofs. Optisch und haptisch getrennt für Fussgänger und Radfahrer. Wo wandeln die meisten Fussgänger?