LeitfadenDen Kindern die Angst nehmen: So soll der Grundschulbesuch sicher werden

Leitfaden / Den Kindern die Angst nehmen: So soll der Grundschulbesuch sicher werden
Kinder des „Cycle 1“ dürfen grundsätzlich keine Spielsachen mit in die Schule bringen. Ausnahmen werden allerdings bei Kuscheltieren gemacht. Foto: dpa/Sebastian Kahnert

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Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren spielen gerne, raufen sich und brauchen Körperkontakt. Sowohl untereinander als auch mit den Lehrern. Dies zu unterbinden, wäre pädagogisch falsch. Wie soll das funktionieren unter den strengen Sicherheitsmaßnahmen gegen Covid-19? Das Bildungsministerium hat den Lehrern des Zyklus 1 einen Leitfaden dazu ausgehändigt.

Die Kunst des Zyklus 1 sollte laut „Vademecum“ des Bildungsministeriums folgende sein: die Umsetzung der Corona-Sicherheitsmaßnahmen an die Bedürfnisse der Kleinen zu knüpfen und somit zu versuchen, diese Maßnahmen für die Kinder „begreifbar“ und „lebbar“ zu machen. So sieht das dann in der theoretischen Praxis aus:

Gruppen sollen interagieren

Den Lehrern wird empfohlen, die Kinder auf die getrennten Gruppen vorzubereiten, damit sie die Situation besser verstehen. Das Bildungsministerium rät den Lehrern des Zyklus 1, in der Woche vor Schulbeginn den Kindern mitzuteilen, wer bei ihnen in der Gruppe ist und wer nicht. Auch könnten Fotos, Videos oder eine virtuelle Videokonferenz dazu genutzt werden, den Kindern ihren Lehrer mit Maske vorzustellen oder den umgestalteten Klassenraum zu zeigen. Die jeweils andere Gruppe könnte man für die Kinder greifbar machen, indem man entweder Namenskärtchen oder Fotos der Kinder aus der anderen Gruppe im Klassenzimmer aufhängt. Daneben könnte der Lehrer mit der Lerngruppe an einem bestimmten Tag einen Anruf über Videokonferenz oder Facetime mit den Schülern aus der Übungswoche machen.

Neben der virtuellen Präsenz gibt es weitere Möglichkeiten, den Austausch zwischen den zwei Gruppen zu fördern. Diese Rolle soll ein Briefkasten übernehmen, der in der Klasse aufgestellt wird. Kinder der Lerngruppe können Bilder malen, Fotos von schönen Momenten aufnehmen, sich kleine Briefe schreiben oder Geschichten füreinander aufnehmen. Dies sollte alles in dem Briefkasten hinterlegt werden, damit in der darauffolgenden Woche die zweite Gruppe das dort entnehmen kann und anschließend für die erste Gruppe wieder füllen kann. Eine weitere Aktivität könnte das Malen eines gemeinsamen Bildes oder das Basteln eines Gegenstandes sein, an dem beide Gruppen nacheinander dran arbeiten.

Gefährdete Kinder oder jene, deren Eltern oder andere Mitglieder im Haushalt es sind, müssen auch in der Lernwoche zu Hause bleiben. Sie werden von Lehrern, die zu den Risikogruppen gehören, im Homeschooling betreut, Lehrer, die aus den gleichen Gründen nicht in die Schule gehen können. Für diese Kinder sei es laut Bildungsministerium besonders wichtig, den Kontakt zu beiden Gruppen nicht zu verlieren. Dies könne durch virtuellen Kontakt zwischen der jeweiligen Lerngruppe und dem gefährdeten Kind erfolgen.

Abstand und Nähe

Im Zyklus 1 gibt es einige Momente im Laufe eines Schultags, in denen die Kinder sich körperlich näher kommen: Freispiel, Sitzkreis und Pause. Diese Momente seien laut Bildungsministerium ein wesentlicher Bestandteil des Bildungsauftrags und könnten deshalb nicht einfach weggenommen werden. Dennoch werde versucht, dies mit den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen in Einklang zu bringen.

Durch das Splitting ist die Anzahl der Schüler nur noch halb so groß. Die Sitzordnung wird sich dadurch ändern. Jedes Kind bekommt einen Tisch zugeordnet, an dem es die ganze Woche Platz nehmen wird. An jedem Tisch werden folglich zwei Namensschilder beziehungsweise zwei Fotos angebracht werden. Eins für das Kind in der Gruppe A und eins für jenes aus der Gruppe B. Die Distanz zwischen den Bänken muss zwingend den Sicherheitsabstand von zwei Metern einhalten. Falls es nur Gruppentische gibt, sollten die Kinder weit genug auseinander sitzen. Ist dies aufgrund der Größe des Tisches nicht möglich, muss der Tagesablauf so eingeplant werden, dass nicht alle Kinder gleichzeitig am Tisch sitzen, jeder aber die Möglichkeit dazu bekommt. Andere Kinder könnten sich in dieser Zeit in der Bücherecke oder woanders im Raum hinsetzen. Zum Frühstück kann man auch verschiedene „Picknickplätze“ auf dem Boden einrichten. Wieso dieser Abstand nötig ist, sollten die Lehrer den Kindern verständlich erklären.

Die Unterteilungen durch Regale oder andere Strukturelemente in den Klassenzimmern sollten es den Kindern einfacher machen, beim Freispiel die Sicherheitsabstände einzuhalten. Bei zehn Kindern und fünf Spielecken sollten sich demnach maximal zwei Kinder in der gleichen Spielecke aufhalten. Der Lehrer sollte festlegen, wer mit wem wo spielt, wie viele Kinder maximal in einer Spielecke sein dürfen und wie oft gewechselt wird.

Der Sitzkreis ist ein weiterer Platz, wo die Kinder sich näher kommen. Dort wird ein Thema besprochen, eine Geschichte erzählt oder eine Aktivität vorbereitet. Normalerweise sitzen die Kinder im Kreis nebeneinander auf dem Boden, auf Kissen oder einem Teppich. Nun aber wird angeraten, die Kinder auf ihren Stühlen oder Bänken zu installieren und so den Sitzkreis zu bilden. Falls der Raum zu klein ist, um einen Sitzkreis unter diesen Bedingungen zu gewährleisten, müsse in zwei Gruppen eingeteilt werden. Der Sitzkreis könne aber auch ausnahmsweise in andere Räumlichkeiten verlegt werden oder im Schulhof stattfinden.

Das Bildungsministerium erlaubt es den Lehrern explizit, Kinder auf den Schoß oder in den Arm zu nehmen, wenn das Kind das Bedürfnis dazu verspürt. Dabei sollte die Lehrkraft ihre Maske anhaben und versuchen, nicht zu nahe an das Gesicht des Kindes zu kommen. Danach sollten sich beide zusammen die Hände waschen. Die Lehrer sollten den Kindern erklären, wieso sie Distanz halten. Nicht etwa, weil sie ein Kind nicht mögen, sondern weil sie nicht wollen, dass es krank wird. Anhand einer Schnur oder eines Maßbandes könne den Kindern spielerisch gezeigt werden, wie lange zwei Meter eigentlich sind.

Spielsachen und Puppen

Eine „Spillschoul“ ohne Spielsachen geht auch in Zeiten von Covid-19 nicht, so die Auffassung des Bildungsministeriums. Da es aber unterschiedliche Kategorien gebe, die je nach Material oder Größe für die Reinigungskräfte schwierig seien, sauber zu halten, würden folgende Spielsachen bereits jetzt „in die Ferien geschickt“: kleine Teppiche, Vorhänge, Kissen, Plüschtiere und Puppen aus Stoff, Kleiderkisten mit Kostümen, Perücken, Masken, Hüte usw. Puppenkleider aus Wolle werden ebenfalls in die Ferien geschickt, jene aus Baumwolle, die man bei 60 Grad waschen kann, dürfen bleiben. Diese sollten nach Möglichkeit mindestens einmal in der Woche einen Waschgang durchlaufen. Es ist außerdem verboten, Spielsachen von zu Hause mitzubringen. Eine Ausnahme wird dem Kuscheltier des Kindes gewährt. Das bekommt aber seinen festen Platz und muss, wenn das Kind es braucht, stets bei ihm bleiben.

Beim Konstruktionsmaterial wie Lego oder Duplo sollte der Bestand der Bauklötze an die jeweiligen Gruppen verteilt werden. In der Hälfte bis zu den Sommerferien sollte getauscht werden, nachdem das Material saubergemacht wurde. Es sollte aber dennoch einmal pro Woche gereinigt werden.

Auch Gesellschaftsspiele und Bücher werden auf die zwei Gruppen aufgeteilt. So sollte gewährleistet werden, dass immer die gleichen Kinder mit den gleichen Materialien in Kontakt kommen. Es sollte verhindert werden, dass im Laufe eines Vormittags viele Kinder mit dem gleichen Material spielen. Jeden Tag nimmt sich ein Kind ein Buch oder ein bestimmtes Spiel. Sollte das Material zwischen den Gruppen Mitte Juni gewechselt werden, dann empfiehlt die „Santé“ eine Frist von 72 Stunden, um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren. Mal- und Bastelmaterial wird in der „Spillschoul“ normalerweise geteilt. Ab dem 25. Mai wird jedem Kind ein Set mit Farben, Schere, Kleber und Pinseln zugeordnet. Die Sets dürfen nicht mit nach Hause genommen und sollen in Stoffsäckchen verstaut werden.

Eher draußen als drinnen

Grundsätzlich empfiehlt das Bildungsministerium, Aktivitäten nach draußen zu verlagern. In den Pausen auf dem Schulhof sollen sich die Kinder austoben können. Hierzu sollte jede Schule einen Pausenplan aufstellen, damit so wenig Kinder wie möglich sich gleichzeitig dort aufhalten. Auch eine Einteilung in Zonen ist möglich.

Zudem werden Waldspaziergänge explizit angeraten. Dort sollten die Kleinen nach Möglichkeit ebenfalls die Sicherheitsabstände einhalten. Dazu sollten sie möglichst hintereinander und nicht nebeneinander laufen. Um die Zwei-Meter-Distanz einzuhalten, kann man beispielsweise eine Schnur einsetzen, an der sich die Kinder festhalten und die alle zwei Meter mit einer Markierung versehen ist. Zur Basisausstattung sollten Feuchttücher, Desinfektionsmittel, Handschuhe und Handtücher gehören.

Ruppert Odette
22. Mai 2020 - 15.05

Danke für ihren aufschlussreichen Artikel. Ich kann nur hoffen, dass bei der Umsetzung der Regeln des Ministeriums der gesunde Menschenverstand bei den Beteiligten erhalten bleibt und die seelische Verwundbarkeit der 3-6jährigen nicht unbeachtet bleibt. Was Kinder im Moment benötigen wäre grösstmögliche Wiederherstellung von Normalität und nicht zusätzliche Belastungen durch Angst und Unsicherheit. Diese hatten sie in den letzten Wochen schon zur Genüge. Vor allem bei den Kleinsten, denen man nicht wirklich erklären kann, um was es geht, habe ich Sorgen. Wie sollen sie denn die Vorschrift verstehen die da heisst: "nicht zu nah!" - "nicht berühren!" ohne dass bei ihnen der Eindruck entsteht: "Nähe macht krank!"?