Donnerstag30. Oktober 2025

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Pierre LiébaertDe leschte Lakert huet eis verlooss

Pierre Liébaert / De leschte Lakert huet eis verlooss
Pier Liébaert während unseres Gesprächs im Jahr 2020 Foto: Guy Kemp

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Am Freitag vergangener Woche ist der ehemalige Unternehmer und ehemalige Kommunalpolitiker Pierre Liébaert im Alter von 84 Jahren gestorben. Er sah sich als einer der letzten „Lakerten“ im Land und hatte kein Problem damit, sich als „Lompekréimer“ zu bezeichnen. Dieser Tätigkeit wollte er bereits als Kind nachgehen, wie er uns vor einigen Jahren erzählte. Und tat dies schließlich auch mit viel Erfolg. 

Pierre Liébaert wurde am 8. September 1940 im Pfaffenthal in dem Haus geboren, wo einst auch der luxemburgische Komponist Laurent Menager zur Welt kam. Die Mutter, Catherine Toussaint, stammte aus dem Pfaffenthal. „Meng Mamm huet um Schräinesch Eck gewunnt, do, wou elo de Lift steet. Si huet do um Späicher gewunnt“, erzählte Pierre. Der Vater, Jean Liébaert, war als französischer Soldat nach dem Ersten Weltkrieg in Luxemburg stationiert. Die Mutter sei bereits als junges Mädchen mit Nähzeug in Ettelbrück und Umgebung hausieren gegangen. Zu jener Zeit seien die Leute noch nicht so wie heute in die Geschäfte der Hauptstadt gekommen. Der Vater, der kein „Lakert“ war, arbeitete anfangs „op der Schmelz“, hätte sich aber wegen Gelenkrheumatismus auf Anraten des Arztes beruflich umorientiert: Die Eltern kauften sich einen Wagen und ein Pferd und gingen auf Tour, Lumpen sammeln.

Sieben Geschwister hatte Pier, von denen jedoch keiner einen „Lakerten“-Beruf gewählt habe. Ab Mitte der 1950er Jahre begleitete Pier seine Eltern auf ihren Runden. Anfangs hätten sie nur Lumpen gesammelt, die sie im Austausch von Porzellan erhalten hätten. Später dann hätten sie ebenfalls Papier, Reifen und Schläuche gesammelt, sowie bei Abdeckern und Metzgern auch Knochen, die gemahlen zu einer Gewürzsauce verarbeitet wurden. 

Als „Lompekréimer“ auf Tour durch die Stadt

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1957 begleitete er seine Mutter weiterhin auf ihrer Tour, bei der sie unter anderem in den Straßen der „Stadt“ unterwegs waren. „Mir hunn un den Diere geschellt a geruff: „Lompen, Lompen.“ Mir hu siwen, aacht Woche gebraucht, fir d’ganz Stad ze maachen. Mir hunn am Neiduerf aacht Deeg geschafft, fir alles ze maachen, bis op de Kierchbierg erop. Do ass keen Haus vergiess ginn“, erinnerte sich Pier. Das sei die Devise seiner Mutter gewesen. Denn allein bei einem Haus hätten sie mit viel Glück einen Tageslohn einfahren können.

Bei ihren Geschäften hätten sie sich stets auf „Jéinesch“ darüber beraten, was sie ihren Kunden anbieten sollten. Etwa welches und wie viel Stück Porzellan sie im Tausch für die erhaltenen Lumpen oder das Alteisen hergeben würden, so Pier weiter. Das Porzellan, das sie zu Losen von 500, 1.000 und 1.500 Franken gekauft hätten, sei anfangs von minderwertiger Qualität gewesen. Als sich die Qualität des Porzellans verbesserte, hätten die Kunden auch schon mal direkt weitere Teile zu den angebotenen dazugekauft. Doch mussten sie dann ebenfalls immer wieder mal feststellen: „En huet nobes Kitten am Nilles“ (Er hat kein Geld im Portemonnaie).

En huet nobes Kitten am Nilles

„Jéinesch“ sei auch schon mal über Tisch geredet worden und so habe ebenfalls seine Ehefrau Marie „d’Lakerschmus“, die Sprache der Lakerten, erlernt. Er habe aber nie auf „Jéinesch“ geschrieben, nicht einmal Notizen habe er sich in der Sprache gemacht, sagt Pier: „D’Jéinesch war fir eis d’Geschäftsleit.“

Sie seien jedoch nicht nur auf Tour gewesen, sondern hätten auch „Lompekréimer“ gehabt, die ihre Waren zu ihnen gebracht hätten. Damit meint Pier sich und seine Frau Marie, die ihm nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 1964 geholfen hat. Da seien schon mal bis zu 125 Tonnen an Lumpen im Monat zusammengekommen, meinte Pier rückblickend, wobei ihm auch gleich einige Anekdoten einfielen. So hätten eines Tages Leute bei ihnen geklingelt, „well am Bop senger aler Pompjeesuniform, déi si an d’Lompe ginn haten, 75.000 Frang waren“. Und auch einen Revolver habe er einmal gefunden. Den wollte Pir behalten, „mee et war engem Amerikaner säin, an deen ass de Klabes siche komm“.

Um seinen Beruf ausüben zu können, brauchte Pier „eng Fläpp“, einen „Hausier-Erlaubnisschein“ oder „permis de colportage“, wie der vom Mittelstandsministerium ausgestellte und von Colonel Harpes, Commandant de la Gendarmerie, unterzeichnete Ausweisschein hieß, den uns Pier vorlegte. Dieser Schein erlaubte es ihm, in den Kantonen Luxemburg, Esch/Alzette und Grevenmacher seinem Geschäft nachzugehen, das wie folgt auf dem Ausweis beschrieben wurde: „Echange de porcelaine contre ferraille papier et chiffons“.

Einer der Ersten im Geschäft des Recyclings

Pier sah sich als einen der Ersten, die mit dem Geschäft des Recyclings im Land begonnen haben. Seinen Betrieb, der sich zusehends auf Altmetalle und Schrott konzentrierte, verlagerte er nach Niederanven und später auf den Senningerberg, als das Unternehmen beträchtliche Maße angenommen hatte. Viele Beschäftigte standen bei Pier in Lohn, dutzende LKWs brachten in den besten Zeiten tausende Tonnen an Eisen zu den Hochöfen im Süden des Landes. Doch es gab auch Probleme, unter anderem mit den Behörden, da Umweltauflagen nicht eingehalten wurden. Und es gab eine Pleite, bei der er viel verloren habe, erzählte Pier. Doch: „Mir haten e schéine Métier. Ech war och ëmmer ganz stolz. Mir hu gelidden, awer och Geld verdéngt.“

In einem Buch erzählt Pierre Liébaert seine Geschichte
In einem Buch erzählt Pierre Liébaert seine Geschichte

Er kam geschäftlich wieder auf die Beine und gründete ein neues Unternehmen, das längst von seinen beiden Kindern Karin und Claude geführt wird. Pier selbst engagierte sich später in der Kommunalpolitik seiner Gemeinde Schüttringen, wo er von 2008 bis 2017 dem Gemeinderat angehörte. Auch im Vereinsleben war er aktiv, als Präsident der Amiperas-Sektion und seit dem Jahr 2000 als Präsident des „Gaart an Heem Schëtter“. Zudem war er langjähriger Präsident des „Caecilien Veräin Pafendall“.

Pier ist immer wieder auch öffentlich aufgetreten, um über die „Lompekréimer“ zu reden: „Ech war ëmmer stolz, e Lakert ze sinn.“ Änder Bausch aus Weimerskirch, der sich viel um den Erhalt des „Jéinesch“ bemüht hat, hätte ihn darin bestärkt. Und über das „Jéinesch“ meinte er: „D’Sprooch geet ni verluer. Et sinn ëmmer erëm Leit, déi dat opfrëschen. Ech gleewen net, dass dat verluer geet.“

An diesem Donnerstag kehrt „de leschte Lakert“ ins Pfaffenthal zurück, wo er im engsten Familienkreis begraben wird.

(Das Gespräch mit Pier Liébaert führten wir im Februar 2020)

Pin Mac
3. November 2024 - 7.38

Hun hien emol perseinlech kenne geleiert, vill geschnesst......nach mei gelacht......en onvergiesslechen Metten.......

Nadia L
1. November 2024 - 22.04

Danke für diesen schönen Nachruf. Ein faszinierender und sympathischer Mann. Ich habe mir sein Buch bestellt.

Den anderen Kommentar hätte man ruhig löschen können. Wie unangebracht u. pietätlos.