Haushaltsentwurf 2021 angenommenDas Schweigen der Mehrheit: Wenn die Opposition unter sich diskutiert

Haushaltsentwurf 2021 angenommen / Das Schweigen der Mehrheit: Wenn die Opposition unter sich diskutiert
CSV, ADR, déi Lénk und die Piraten stimmten am Donnerstag gegen den Haushaltsentwurf für 2021 Foto : Editpress/Didier Sylvestr

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Mit den Stimmen von DP, LSAP und ‚déi gréng’ wurde der Haushaltsentwurf für 2021 erwartungsgemäß angenommen. Die Mehrheitsabgeordneten antworteten vor der Abstimmung allerdings nicht auf die Motionen der Opposition. Die Oppositionspolitiker nannten dieses Verhalten einen Tiefpunkt des Parlamentarismus.

Das Luxemburger Parlament hat den Haushaltsentwurf für 2021 mit den Stimmen der Mehrheitsparteien angenommen. Die Oppositionsparteien CSV, ADR, déi Lénk und die Piraten stimmten dagegen. Vor der Abstimmung wurden 16 Motionen eingereicht.

Das Einreichen von Motionen ist für die parlamentarische Opposition eine der seltenen Möglichkeiten, während der Plenarsitzungen auf die Regierungspolitik einzuwirken. Die der Abstimmung vorausgehenden Diskussionen dazu sind manchmal interessanter als die langatmigen Debatten zu den Gesetzesprojekten. Anders als bei Gesetzentwürfen, die im Vorfeld lang und breit in den Ressortausschüssen erörtert werden, sind die Reaktionen der Mehrheitsparteien auf die Motionen der Opposition selten tiefgründig vorbereitet. Gelegenheit also für eine lebendige politische Debatte. Doch darauf wurde am Donnerstag bei der Diskussion über die 16 Motionen verzichtet. Zum Missfallen der Opposition. Sie sprach unter anderem von Missachtung der Opposition und einem Tiefpunkt des Parlamentarismus.

Zu allen Motionen äußerten sich ausschließlich Oppositionspolitiker. Lediglich Finanzminister Pierre Gramegna bezog Stellung insbesondere zu Fragen die Finanzpolitik betreffend. Mehrheitsabgeordnete hörte man nicht. Michel Wolter (CSV) sprach von einer zunehmenden Ausartung der parlamentarischen Arbeit. Seit Wochen antworte die Mehrheit systematisch nicht auf die Motionen der Opposition. Allein letztere würde sich äußern. Wolter sah darin ein Zeichen dafür, dass die Mehrheitsparteien im Parlament anwesend seien allein, um der Regierung die Mehrheit zu sichern.

Wenn die Mehrheit nicht reagiere, bedeute wohl, dass ihr Argumente fehlen würden, so David Wagner (déi Lénk), der von einer Degradation der parlamentarischen Debatten sprach. Fernand Kartheiser (ADR) vermutete ein tiefes Misstrauen zwischen den Regierungsparteien. Deshalb würden sie schweigen. Das sei ein Zeichen der Schwäche. Eine „coalition silencieuse“, so Kartheiser. Die  Opposition diskutiere Politik, die Mehrheit schweige, so auch Marc Baum (déi Lénk).

Tiefpunkt des Luxemburger Parlamentarismus

Michel Wolter, der in einer weiteren Stellungnahme von einem Tiefpunkt des Luxemburger Parlamentarismus sprach, erinnerte daran, dass das Abgeordnetenhaus von der Konfrontation der Ideen lebe, die während den Diskussionen entstehe. Derzeit würde die Opposition eine Motion deponieren, sie kommentieren. Dann antworte der angesprochene Minister und anschließend stimme die Mehrheit ab. Diesem Szenario folgte die gestrige Morgensitzung.

Dabei boten die während der Budgetdebatten deponierten und zur Abstimmung vorliegenden Motionen durchaus Gelegenheit für die einzelnen Parteien, ihre Haltung zu konkreten Fragen nochmals klar darzulegen, etwa zum Index oder zu mehr Transparenz in Steuerfragen. 

So forderte eine ADR-Motion über die Finanztransaktionssteuer, dass eine solche nur auf OECD-Niveau vereinbart werden dürfe. Anlass dazu waren Äußerungen von Premierminister Xavier Bettel nach einem EU-Gipfeltreffen, wonach Luxemburg sich für eine EU-Regelung ausgesprochen habe. Finanzminister Pierre Gramegna zufolge sei die Regierungsposition klar. Eine Finanztransaktionssteuer sei lediglich im ganz breiten Kreis annehmbar. Das stehe auch so im Regierungsprogramm. Weshalb es keine zusätzliche Motion  bedürfe. Also wurde der Text abgelehnt. Auch déi Lénk hatte sich gegen die Motion ausgesprochen, weil sie sich eine solche auch unabhängig von der OECD-Entscheidung wünscht. Der Piratenpartei war der Text wegen der Bezugnahmen auf die OECD zu restriktiv.

Rententisch sei momentan nicht nötig

Abgelehnt wurde auch die ADR-Motion zur Einberufung eines Rententischs. Die Finanzierung des aktuellen Rentensystems beruhe auf stetiges Wirtschaftswachstum.  Es müsse überprüft und notfalls reformiert werden, sollten die Renten langfristig abgesichert werden. Dem Ansinnen schloss sich die CSV an. Was DP, déi gréng und LSAP denken, war nicht in Erfahrung zu bringen. Lediglich Mars di Bartolomeo (LSAP) sah sich zu einem Zwischenruf verpflichtet, nachdem ihm Fernand Kartheiser (ADR) vorgehalten hatte, mit seiner Rentenreform als damaliger Sozialminister die Renten gekürzt zu haben. Falsch, so der Angesprochene, der dem ADR vorwarf von „5/6 fir jidfereen“ zu „manner fir alleguer“ abzurutschen. Der Zustand der Rentenkasse und ihre Finanzierung würden regelmäßig geprüft. Im Moment brauche man keinen Rententisch, da alle Angaben für eventuelle politische Entscheidungen vorliegen würden. 

Ohne Kommentar von Seiten der Mehrheitsparteien fielen auch mehrere Motionen zum  Index. So sollten die Kinderzulagen erneut indexgebunden werden, forderten ADR und déi Lénk in zwei getrennten  Motionen. Auf 7,7 Prozent belaufe sich die Entwertung der Kinderzulagen seit 2014, so déi Lénk. Sie forderte eine entsprechende Aufbesserung.  Schließlich hatte sich die Regierung in jenem Jahr bereit erklärt, das Kindergeld erneut an die Preisentwicklung zu koppeln. 

Keine Chance auf eine Annahme oder gar eine Diskussion mit den Mehrheitsparteien hatten ebenfalls Motionen zur Einbindung der neuen CO2-Steuer im Warenkorb des Preisindex und der Vorschlag zur Besteuerung der Einkünfte von Nichtansässigen auf Immobiliengewinne, die sie durch Luxemburger Gesellschaften erzielen. Letztere Frage werde auch vom ehemaligen Direktor der Luxemburger Steuerverwaltung aufgeworfen, so David Wagner. Auffällig sei, dass die Mehrheit sogar zu den Aussagen des Ex-Chefs der Fiskalverwaltung schweige.

Kalte Zimmertemperatur

Zum Schluss sollten sich dennoch einige Mehrheitsabgeordnete in die Debatte einklinken. So die DP-Politikerin Lydie Polfer. Auch sie sprach von einem Tiefpunkt, aber nicht der politischen Diskussionskultur, sondern in Sachen Zimmertemperatur im Cercle-Gebäude. Der Heizungsanlage seien falsche Angaben übermittelt worden, weshalb es immer kälter geworden sei. Die Techniker seien unterwegs, beruhigte die hauptstädtische „député-maire“.

Der liberale Fraktionschef Gilles Baum bemühte seinerseits das Bonmot des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering „Opposition ist Mist“. Diese habe leichtes Spiel, so Baum. Sie könne alles fordern, brauche sich nicht um die Umsetzung zu kümmern. Die vorgebrachten Motionen würden lediglich zusätzliche Staatsausgaben verursachen. Dabei habe man sich am Vortag darauf verständigt, dem Staat weitere Ausgabe und eine zusätzliche Verschuldung zu ersparen. Was ihm denn auch prompt den Vorwurf der  „Arroganz der Mehrheit“ einbrachte. Opposition sei keinesfalls Mist, echauffierte sich Fernand Kartheiser. Ihre Aufgabe sei es zu hinterfragen und Anregungen einzubringen. Die wurden gestern jedoch herzlich wenig geachtet.

G.B.
17. Dezember 2020 - 22.23

Das Schweigen der Lämmer , oder ?

Nomi
17. Dezember 2020 - 17.00

"Die Mehrheitsabgeordneten antworteten vor der Abstimmung allerdings nicht auf die Motionen der Opposition." Respektlosegkeet an Arroganz vum Gambiaclub !

verviers
17. Dezember 2020 - 15.50

Lasst sie quaken, macht nichts.

Garce
17. Dezember 2020 - 15.39

Also genau wie 50 Jahre lang CSV an der Macht.