Das Aachener Post-Hardcore-Trio Fjørt gastiert heute in den Rotondes

Das Aachener Post-Hardcore-Trio Fjørt gastiert heute in den Rotondes
Foto: www.andreashornoff.com

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Düstere, teils unbequeme deutschsprachige Texte und dazu harte Musik mit Haken und Ösen – so kann in Kurzform das Schaffen des Post-Hardcore-Trios Fjørt aus Aachen umschrieben werden. Mit ihrem aktuellen Album „Couleur“ (November 2017) kommen Fjørt unter dem Motto „Tournee südwärts“ erneut in die Region. Ein Gespräch mit Sänger und Gitarrist Chris Hell und Bassist und Sänger David Frings.

Von Kai Florian Becker

Tageblatt: In Deutschland stieg Ihr Album „Couleur“ auf Platz 24 der Charts ein. Damit hatte sicherlich niemand gerechnet, oder?
David Frings: Beim Schreiben der Songs war uns klar, dass wir definitiv in die Charts wollen (lacht). Die Top Ten haben wir leider verpasst. Die war das eigentliche Ziel unseres Labels, das uns ausquetschen will (lacht). Nein, Spaß beiseite. Das war krass und das erste Mal, dass meine Mama bemerkt hatte, dass ich in einer Band spiele (lacht).

Bei solch einem Ereignis platzen die Eltern bestimmt vor Stolz. War das in etwa so?
D.F.: Ja, das passiert zwei Mal im Leben eines Musikers: wenn einer deiner Songs im Rundfunk läuft und wenn du in den Charts landest. Ja, das hat Mama mitbekommen. So etwas nehmen Eltern tatsächlich wahr. Wenn du aber ein Konzert spielst und im übertragenen Sinne die Bude brennt – dann denken sie nur: Was machen die denn da für ein Theater? Es ist halt eine andere Generation (lacht).

Ist Underground-Musik salonfähiger geworden oder wo sehen Sie die Gründe für diesen überraschenden Charterfolg?
Chris Hell: Ich vermute, dass die Leute mittlerweile mehr Bock auf Musik haben, die nicht so ganz an einem vorbeigeht. Die Menschen, die auf so eine Art Musik stehen, sind wohl mehr geworden. Man merkt, dass viele Bands, die in diese Underground-Ecke gehen – siehe etwa auch Lygo –, verdientermaßen mehr Aufmerksamkeit bekommen. Das ist aus meiner Sicht eine echt schöne Entwicklung, die uns alle sehr freut. Wir erreichen mit einer Musik, die im Kern eigentlich Unangenehmes thematisiert, dennoch viele Leute.

Sind Wut und Verzweiflung der größte emotionale Antrieb für Ihre Musik?
C.H.: Mit guter Laune in der Musik kannst du uns jagen. Unsereins zieht aus einer guten Laune keine Gründe, Musik zu machen. Wenn uns etwas Tolles passiert, freuen wir uns natürlich und wir genießen es. Aber darüber schreiben wir keinen Song. Was mich dazu bewegt, den Stift in die Hand zu nehmen, sind Dinge, die mich nachts nicht schlafen lassen. Dinge, die eben nicht geil sind. Oder Dinge, die ich beobachte beziehungsweise mitbekomme und bei denen ich machtlos bin. Man muss nur die Augen und Ohren offen halten und findet genug Gründe, um Songs zu schreiben.

Was für ein Gefühl ist es, diese Songs während einer Tournee allabendlich zu spielen? Ist das mit einer Katharsis vergleichbar? Sind Sie danach vom Ballast – zumindest für eine gewisse Zeit – reingewaschen?
C.H.: Wenn wir auf der Bühne stehen … (Pause) Wir haben uns ja schon sehr viele Gedanken darüber gemacht, wo in einem Song ein Wort steht und dass der Song genau das ausdrückt, was uns vorschwebte. Es geht uns tatsächlich recht nahe, was wir da schreiben oder geschrieben haben. Genau das wollen wir: Es soll auch etwas wehtun. Auf der Bühne durchlebst du den Moment, in dem du den Song geschrieben hast, immer wieder. Du möchtest quasi die Message des Songs genau so rüberbringen, wie es sich damals anfühlte. Dafür musst du den Song auch wieder selbst erleben und im Kopf durchgehen. Insofern ist das jeden Abend eine Art Katharsis für uns – wir lassen alles raus. Das ist ein wahnsinnig gutes Gefühl, so etwas mit anderen Menschen teilen und davon zehren zu können.

Ist es auch unangenehm, gewisse Dinge immer wieder aufs Neue zu erleben?
C.H.: Auf der Bühne ist das nicht so. Du hast zwar eine Verbindung zum Publikum, aber du erlebst auf der anderen Seite deinen ganz eigenen Film. Du denkst auch nicht darüber nach, was da gerade auf der Bühne passiert. Man lässt los – und zugleich alles zu. Wie sich das genau anfühlt, das kann ich nicht in Worte fassen. Es kann positiv und negativ sein. Aber alles Negative wird durch all das, was beim Konzert passiert, abgefangen.
D.F.: Es ist in erster Linie unfassbar geil, mittlerweile vor so vielen Leuten zu spielen. Dass all denen das, was wir machen, so viel bedeutet, sie dafür Eintritt bezahlen und mit uns einen Abend verbringen, das schätzen wir jeden Abend. Das ist für uns ein Privileg und wahnsinnig geil.