StaatsfinanzenCNFP: Der Luxemburger Staat muss effizienter werden

Staatsfinanzen / CNFP: Der Luxemburger Staat muss effizienter werden
Als Präsident des CNFP prüft der langjährige Geschäftsführer der SES, Romain Bausch, heute die Staatsfinanzen auf ihre langfristige Nachhaltigkeit  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Auch wenn aktuell manche Zahlen besser ausfallen als erwartet, so stehen Luxemburgs Staatsfinanzen langfristig vor großen Herausforderungen, warnt der nationale Finanzrat. Bei den Ausgaben gebe es „Rigiditäten“, während der Überschuss im Bereich der Sozialversicherung kontinuierlich sinke.

Mission der kleinen staatlichen Institution CNFP („Conseil national des finances publiques“), die nicht einmal eine Handvoll Mitarbeiter zählt, ist es, eine unabhängige Bewertung zur Entwicklung der Planung und der Lage der Staatsfinanzen vorzunehmen. In jedem Mitgliedsland der Eurozone gibt es eine solche Institution. Am Mittwoch gab der Rat nun seine Bewertung für den Staatshaushalt 2024 und die Pläne für die kommenden Jahre (bis 2027) ab.

Der CNFP stellt eine grundlegende Veränderung bei den Luxemburger Staatsfinanzen fest: „Während das Haushaltssaldo in der Vergangenheit prinzipiell immer im Plus lag, und nur in Krisen kurz in die roten Zahlen abrutschte, so ist das heute nicht mehr der Fall“, erläuterte Romain Bausch. Das Saldo komme nun, nach der letzten Krise, nicht mehr aus dem Minus heraus. „Es ist ein struktureller Impakt, der sich über Jahre zieht“, so der Präsident des CNFP. Mit anderen Worten: Bis 2027 plant der Staat, Jahr für Jahr mehr Geld auszugeben, als er Einnahmen hat. 

Ins Minus gedrückt werden die Staatsfinanzen dabei einerseits durch die Entwicklung beim Zentralstaat und bei den Sozialversicherungen: Der Zentralstaat soll laut den Plänen der Regierung, wenigstens bis 2027, Jahr für Jahr ein Defizit erwirtschaften, während die traditionell wachsenden Überschüsse im Bereich der Sozialversicherungen Jahr für Jahr kleiner werden.

Lag das Plus 2023 im Bereich der Sozialversicherungen noch bei über einer Milliarde Euro, so sollen es 2027 nur noch rund 260 Millionen sein, so Bausch. Besserung ist keine in Sicht. „Irgendwann in den Jahren danach kommt dann wohl der Punkt von unter Null. (…) Es ist ein struktureller Wandel.“ Hintergrund ist die älter werdende Bevölkerung und ihre Folgen für Kranken- und Pensionskasse.

„Die Einnahmen sind nicht das Problem“

Im Bereich des Zentralstaats seien dabei die Einnahmen nicht das Problem, so Bausch weiter. „Die sind gut gestiegen.“ Im Jahr 2023 beispielsweise habe es hier ein Plus von 9,3 Prozent gegeben – deutlich mehr als die historische Zuwachsrate von 6,3 Prozent. Allein bei den direkten Steuern (etwa auf Gehältern) seien in dem Jahr satte 14,1 Prozent mehr eingenommen worden.

Problematischer sei es bei den Ausgaben des Staates, so der CNFP-Präsident. Sie sind in dem Jahr um 11,5 Prozent gestiegen, „fast doppelt so schnell wie im historischen Durchschnitt“. Für einen Teil dieser höheren Ausgaben gebe es gute Gründe, fügte er hinzu. Etwa für mehr Subventionen und Investitionen in der Krisenzeit. Kritischer sieht er derweil den Anstieg bei den Konsumausgaben und den Staatsgehältern: Letztere haben 2023 um 12 Prozent zugelegt (historischer Durchschnitt: sechs Prozent). 2024 ist ein erneuter Anstieg von über zehn Prozent geplant. Es sei „beeindruckend“, wie viele neue Stellen zuletzt geschaffen wurden.

Mit einem Schmunzeln stellte er fest, dass zum Ende der Planungsperiode die Einnahmen (mit plus fünf Prozent) schneller steigen sollen als die Ausgaben (plus vier Prozent). Auch die vom Staat bezahlten Gehälter sollen dann weniger schnell zulegen. „Traditionell wird das später revidiert.“

Trotzdem gab er sich erfreut, dass die Regierung den Willen zeige, gegen den negativen Trend vorzugehen. Man begrüße, dass im Mehrjahresbudget erstmals maximale Geldsummen festgehalten wurden, die der Zentralstaat in diesen Jahren ausgeben darf. „In den kommenden Jahren werden wird dann sehen, ob dies auch eingehalten wird.“

Als eigene Ratschläge nennt der CNFP eine „effizientere Organisation der Staatsverwaltung“, wodurch weniger neues Personal benötigt würde, wie auch ein besseres Achtgeben auf die Konsumausgaben des Staates. Beispielsweise könne beim Mieten von Büroräumlichkeiten „professioneller“ gearbeitet werden. Das sei zwar „Kleinarbeit“, doch so könne „sehr viel eingespart werden“. Im Bereich der Sozialversicherungen fand er es gut, dass nun Reformen ausgelotet werden sollen. „Man kann vieles machen, ohne dass es dramatische Konsequenzen hätte“, so Bausch. „Das ist viel besser, als die Augen zu verschließen.“

Schuldensituation „relativ gut“

Die wachsende Staatsschuld dagegen beunruhige ihn nicht weiter. Dass die Summe zulege, sei einfach ein „mechanisches Zusammenrechnen der jährlichen Defizite“. Eine „Entgleisung“ sehe er nicht. Die Schuldensituation sei immer noch „relativ gut“. Immerhin stünden den derzeit 26 Milliarden Schulden Guthaben (etwa Firmenbeteiligungen) in Höhe von 29 Milliarden Euro gegenüber. Abgesehen von der Beteiligung an der BNP Paribas seien die meisten jedoch nicht schnell und einfach zu verkaufen.

Mittel- und langfristig stehe das Land dabei vor einer ganzen Reihe Herausforderungen, warnte er. Themen wie Wohnen, digitaler Wandel, Altern der Gesellschaft, Landesverteidigung, Wohnungssituation, Mobilität und Energiewandel „werden sich alle noch in den Staatsfinanzen niederschlagen“.

Schwierig, aber nicht dramatisch

Zu den Wachstumsprognosen, die genutzt wurden, um die Haushaltspläne zu erstellen, bemerkte Bausch, dass sich das Land in einer „wirtschaftlich schwierigen Zeit“ befinde. „Dramatisch schlecht“ sei die Lage jedoch nicht. Nachdem die nationale Wirtschaft letztes Jahr in eine Rezession gerutscht war, rechnet Statec ab 2024 wieder mit Wachstum. Laut den jüngsten Prognosen soll dieses Jahr ein Plus von zwei Prozent, nächstes ein Plus von drei Prozent, und danach ein Wachstum von 2,8 Prozent erreicht werden. Ab 2025 sollen die Luxemburger Wachstumsraten demnach wieder „praktisch dem historischen Durchschnitt entsprechen“, erinnerte Bausch.

Etwas weniger gut fallen die Prognosen bei der Preissteigerungsrate aus. Zwar wird, nach überaus hohen Inflationsraten in 2022 und 2023, im laufenden Jahr wieder mit einer spürbaren Beruhigung gerechnet, doch sollen die Preise 2025 dann wieder schneller ansteigen. Hintergrund ist, dass die aktuelle Gesetzgebung, die die Energiepreise deckelt, in dem Jahr nicht mehr gilt. „Vom Effekt waren wir etwas erschreckt“, so Bausch. Gas- und vor allem Strompreise für die Verbraucher würden 2025 demnach „dramatisch“ ansteigen. Doch ob es der Regierung (von Brüssel) überhaupt erlaubt würde, die Deckelung zu verlängern, sei derzeit noch unklar.

Nicht gut entwickelt sich im untersuchten Zeitraum (2024 bis 2027) die Zahl der neu geschaffenen Jobs. Während der historische Durchschnitt bei leicht über drei Prozent pro Jahr lag, soll es im laufenden Jahr nur ein Plus von 1,3 Prozent werden, 2024 nur 2,2 Prozent, und auch danach nur ein Zuwachs von 2,5 Prozent. Die Situation im Bereich der Sozialversicherungen werde sich hierdurch weiter verschärfen.

Romain Bausch hob hervor, dass die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt abhängig von der Zinspolitik und der Lage auf dem Immobiliensektor bleiben wird. 

Luxemburg braucht „eigene Leitplanken“

Ein weiteres Thema, das den nationalen Finanzrat derzeit beschäftigt, sind künftige neue Regeln zur Analyse der Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen. Eine diesbezüglich in Brüssel entschiedene Reform muss noch in nationales Recht umgesetzt werden. „Doch es gibt noch viele Grauzonen.“

Die einzelnen Länder sollen mehr Flexibilität erhalten, erklärt er weiter. Nur die Länder, die die Maastricht-Kriterien nicht einhalten, sollen dann noch mittelfristige Kursvorschriften aus Brüssel erhalten. Dies jedoch findet der CNFP „gefährlich“ für Luxemburg. Wenn große Länder die Maastricht-Regeln nicht einhalten, dann zeige sich die EU-Kommission oft flexibel – bei kleinen Ländern jedoch nicht.

Um zu verhindern, dass Luxemburg in eine solche Situation rutscht, sei es demnach wichtig, dass „wir uns nun eigene Regeln geben, selbst wenn Brüssel keine vorschreibt. (…) Eigene Leitplanken, um für eine gesunde langfristige Budgetpolitik zu sorgen.“