SteinselBis 2027: Gemeinderat investiert 27 Millionen in neuen Ortskern

Steinsel / Bis 2027: Gemeinderat investiert 27 Millionen in neuen Ortskern
Die Bürger müssen sich in den kommenden Jahren auf Baulärm im Zentrum von Steinsel einstellen Foto: Editpress/Alain Rischard

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64 Millionen Euro investiert Steinsel in den kommenden vier Jahren, um die Gemeinde auf die Herausforderungen der Zukunft einzustimmen. Das Tageblatt hat sich mit Bürgermeister Fernand Marchetti über die wichtigsten Projekte, aber auch etliche Sorgenkinder unterhalten. 

Wenn die Bürger am 11. Juni in Steinsel zu den Urnen schreiten, wird ein Name auf dem Wahlzettel fehlen: Zum ersten Mal seit 35 Jahren wird Jean-Pierre Klein nicht bei den Kommunalwahlen antreten. Dennoch trägt auch die Zukunft der Zentrumsgemeinde immer noch die Handschrift des ehemaligen Bürgermeisters, der im Dezember 2021 überraschend von all seinen Ämtern zurückgetreten war.

Viele Projekte, die von dem einst dienstältesten Gemeindevater des Landes mit initiiert wurden, werden das Gesicht der Gemeinde auf Jahre hinaus verändern. Und das deutlich zum Positiven, wie sein langjähriger Weggefährte Fernand Marchetti (LSAP) dem Tageblatt verrät. Der Ausbau des Rathauses, die Tiefgarage mit grüner Lunge an der Oberfläche, das Shared-Space-Konzept im Zentrum, die Renaturierung der Alzette, der Bau einer Schule oder das Recyclingzentrum im Industriegebiet: „All diese Projekte wurden von Jean-Pierre Klein angestoßen“, betont Marchetti. „Wir werden sie nun zu Ende führen.“

Er selbst sei natürlich motiviert, auch über die Kommunalwahlen hinaus an diesen Projekten mitzuwirken. Doch: „Egal, wie der Gemeinderat der Zukunft aussieht: Transparenz, Kollegialität und gegenseitiger Respekt sind die Schlüssel zum Erfolg“, so der ehemalige Gemeindesekretär, der Klein im Amt des Bürgermeisters beerbt hat und sich am 11. Juni der Wiederwahl stellt.

Als Beweis für die gute Zusammenarbeit im Gemeinderat führt Marchetti den aktuellen Haushalt an: Dieser wurde einstimmig von allen Räten angenommen. Das Gleiche gilt auch für den mehrjährigen Investitionsplan. Im Konsens wurden all die großen Projekte bestimmt, die bis 2027 abgeschlossen sein sollen. 64 Millionen Euro wird die Gemeinde in den nächsten vier Jahren investieren. „Standpunkt heute“, ergänzt Marchetti. Wie hoch die Kosten im Endeffekt sind, könne zum aktuellen Zeitpunkt noch niemand sagen. „Das ist nun mal die Realität, mit der wir leben müssen“, gibt sich der Gemeindevater pragmatisch.

Ein Prestige-Projekt

Bestes Beispiel ist die Erneuerung des Ortskerns von Steinsel. Statt der geplanten 21 Millionen Euro soll das Shared-Space-Projekt mit dem Bau einer Tiefgarage, dem Ausbau des Rathauses und der Verwirklichung einer grünen Lunge nun 27 Millionen Euro kosten. „Wie jedes Projekt ist auch dieses Vorhaben teurer geworden. Im Gemeinderat aber waren sich alle Fraktionen einig: Für Steinsel ist es eine Bereicherung!“

So werden zwischen dem Michel-Rodange-Platz und dem Rathaus in Kürze die Bagger anrollen, um den Bau eines unterirdischen Parkhauses mit 80 Stellplätzen und den Ausbau des Rathauses in Angriff zu nehmen. An der Oberfläche soll anschließend ein kleines Freizeitgebiet entstehen. „Ein Shared-Space-Konzept im Zentrum soll das ganze Projekt dann abrunden“, verrät Fernand Marchetti.

Die Genehmigungen liegen alle vor. „In den nächsten zwei Monaten kann es endlich losgehen“, freut sich der Bürgermeister. Nach archäologischen Grabungen werden zunächst Kanäle und Leitungen verlegt, bevor dann die Tiefgarage ausgehoben wird. Gleichzeitig werden die Stützen für den Ausbau des Rathauses angefertigt. „Über dem Parkhaus legen wir dann die grüne Lunge an, bevor wir das Shared Space umsetzen“, erklärt Marchetti. „Das wird allerdings nicht vor 2026-2027 der Fall sein.“

Bis dahin müssen sich die Bürger der Gemeinde auf noch mehr Bagger, Lastwagen und Baulärm im Ortskern einstellen. Der Parkplatz neben der aktuellen Baustelle, auf der private Promotoren neue Wohnhäuser errichten, soll dann ebenfalls verschwinden. Stellplätze sind ab diesem Zeitpunkt Mangelware im Zentrum. „Zweifelsohne eine der größten Herausforderungen des Projekts“, urteilt der Bürgermeister.

Denn: Die Parkfläche neben dem Sportkomplex fällt demnächst auch weg. Dort entsteht für rund 14 Millionen Euro eine neue Schule mit 14 Klassenzimmern und zwei Kunsträumen, die zur Rentrée im September 2024 in Betrieb genommen wird. „Von 100 Parkplätzen auf fast null, das wird nicht einfach“, gesteht Marchetti. Abhilfe soll ein kostenloser Rufbus für Steinseler schaffen, die im Ortskern einkaufen wollen. Und ein Pendelbus für Arbeitnehmer, die im Zentrum von Steinsel angestellt sind, ihren Wagen aber am Ortsrand abstellen wollen. Ein weiteres „Verkehrsärgernis“ hat der Gemeinderat aber bereinigt. Linienbusse halten im Ortskern nur noch, um Passagiere aufzunehmen, respektive rauszulassen. Die Endstation wurde ins Industriegebiet verlegt. 

Im Ortskern entstehen gerade mehrere Wohngebäude. Daneben soll bald das Parkhaus mit grüner Lunge gebaut werden.
Im Ortskern entstehen gerade mehrere Wohngebäude. Daneben soll bald das Parkhaus mit grüner Lunge gebaut werden. Foto: Editpress/Alain Rischard

Die Sorgenkinder von Steinsel

Ein weiteres Projekt, das dieses Jahr noch in Angriff genommen wird, ist der Ausbau des Friedhofs in Heisdorf für knapp 6,5 Millionen Euro. „Diese Arbeiten werden allerdings Schritt für Schritt vorgenommen“, so Marchetti. „Ansonsten wären die Kosten nicht zu stemmen.“ Mit der Renaturierung der Alzette muss nämlich ein weiteres Vorhaben umgesetzt werden, das auf der Prioritätenliste ganz oben steht. 2,8 Millionen Euro wird allein die erste Phase veranschlagen. Die Arbeiten beginnen im März/April. „Dieses Projekt wurde lange herbeigesehnt. Denn: Beim geringsten Tropfen Regen beginnt in Steinsel das große Zittern. Viele Leute haben panische Angst vor weiteren Überschwemmungen“, sagt Marchetti. „Glücklicherweise liegen nun alle Genehmigungen vor.“

Sorgenkinder hat die Gemeinde dem Vernehmen nach gleich mehrere. „Da wäre zum einen das Recyclingzentrum, das wir gerne in der Industriezone unterbringen möchten. Beim letzten Hochwasser aber wurde auch dieses Gebiet überschwemmt, sodass die Behörden nun keine Genehmigung erteilen“, erklärt der Gemeindevater. Zum anderen stünden plötzlich zwei weitere Projekte im Raum, die im Investitionsplan noch nicht berücksichtigt wurden.

So hat das CGDIS den Gemeindeverantwortlichen mitgeteilt, dass man nicht mehr in der Lage sei, Steinsel und Walferdingen vom Gaspericher Hauptquartier aus abzudecken. Man könne nicht mehr garantieren, innerhalb von 15 Minuten vor Ort zu sein. Also muss ein neues Einsatzzentrum her, das die Gemeinde trotz einer Zusammenarbeit mit Walferdingen mehr als 15 Millionen Euro kosten könnte. „Wenn es um Menschenleben geht, müssen wir handeln“, verspricht Marchetti. „Das sind wir unseren Bürgern schuldig.“

Schlaflose Nächte bereitet dem Bürgermeister das interkommunale Schwimmbad PIDAL. „Bei weitem unser größtes Sorgenkind“, wie Marchetti betont. Allein die Betriebskosten ließen den Verantwortlichen graue Haare wachsen. 3,6 Millionen Euro müssten die drei beteiligten Gemeinden Steinsel, Walferdingen und Lorentzweiler 2023 für den Unterhalt und den Betrieb des Zentrums aufbringen. Steinsel stehe mit 1,1 Million Euro in der Bringschuld.

Nun wird über eine Vergrößerung nachgedacht, die mit 37 Millionen Euro zu Buche schlagen soll. „Vor diesem Hintergrund nehmen die Betriebskosten sicher nicht ab“, so der Bürgermeister. Das PIDAL sei eines jener Projekte, die immer wieder für eine Überraschung gut seien. Man wisse nie wirklich, was das nächste Jahr bereithalte. Auch wenn es ein schönes Angebot für die Bürger sei: „Wenn wir nicht dafür sorgen, dass Leistungen wie das Restaurant oder der Wellness-Bereich outgesourct werden oder kostendeckend operieren, werden wir daran noch eine bittere Pille zu schlucken haben.“

Auch das Rathaus genügt den Ansprüchen nicht mehr. Ein Ausbau soll Abhilfe schaffen.
Auch das Rathaus genügt den Ansprüchen nicht mehr. Ein Ausbau soll Abhilfe schaffen. Foto: Editpress/Alain Rischard