Die Piraten haben ein turbulentes Jahr hinter sich. Mit seinem Austritt am 15. Juli. 2024 brachte der damals noch dritte Piratenabgeordnete Ben Polidori (heute LSAP) eine Lawine ins Rollen: Eine Welle von Parteiaustritten, heftige Diskussionen um die MALT-Affäre (siehe Infokasten) und eine öffentliche Schlammschlacht zwischen den zwei verbleibenden Abgeordneten.
Seinen Austritt begründete Polidori in einem Presseschreiben mit dem „instabilen und konfliktreichen Arbeitsumfeld“ innerhalb der Partei. Für seinen Austritt scheinen vor allem zwei Dinge ausschlaggebend gewesen zu sein: die Hierarchie unter den Piraten-Abgeordneten, also die Vormachtstellung von Sven Clement, und der Umgang der Partei mit der Causa „MALT“, wie das Tageblatt berichtete. Polidori äußerte sich infolge seines Austritts allerdings nicht mehr ausführlicher zu seinen Beweggründen. In einem Tageblatt-Interview bemängelte er abermals die mangelnde Transparenz, für die die Piraten eigentlich stehen sollten.
Für die nunmehr auf zwei Personen geschrumpfte Gruppe der Piraten und ihre Mitarbeiter hatte Polidoris Entscheidung drastische Folgen: Sie verloren ein Drittel ihres Budgets.
Seitdem fliegen die Fetzen zwischen Goergen und Clement – und das in hohem Maße über die Presse. Ihre parlamentarische Zusammenarbeit wurde zur reinen Zweckgemeinschaft. Es wurde berichtet, dass Goergen und Clement nur noch in voneinander abgeschotteten Büros arbeiteten und auf jeweils getrennt voneinander fungierende Mitarbeiter zurückgriffen.
Die MALT-Affäre
Für die Entwicklung der App „Mobile Assisted Language Tool“ (MALT) soll die Piratenpartei 2016 rund 135.000 Euro aus einer öffentlichen Ausschreibung erhalten haben – wovon das „Office national d’accueil“ rund 92.000 Euro zurückforderte. Mittendrin in der Affäre: Sven Clement und seine IT-Firma. Von Clements Unternehmenskonten oder persönlichen Konten sei nichts beschlagnahmt worden, wie der Abgeordnete vergangene Woche in einem Interview mit 100,7 bestätigte. Es sei aber interessant, dass jetzt von einem deutlich niedrigeren Betrag gesprochen werde.
Die MALT-Affäre hat die Piratenpartei in ihre bislang größte Krise gestürzt. Dahinter verbirgt sich eine App, die es ermöglichen sollte, Arabisch auf Luxemburgisch zu übersetzen und somit den 2015 aus Syrien geflüchteten Personen in Luxemburg die Integration zu erleichtern. Bei Sven Clement war es im Zuge der Ermittlungen im November vergangenen Jahres zu einer Hausdurchsuchung gekommen. Auch in der Partei und der „sensibilité politique“ selbst hat die Polizei Durchsuchungen durchgeführt. (dr)
Weg von der „Sven-Clement-Partei“
Als Mitbegründer der Piraten fungierte Clement oft als Gesicht der Partei. Dieses Image verstärkte sich einmal mehr während der Pandemie, in der Clement mit guten Umfragewerten hervorstach. Doch infolge der Causa MALT bemühten sich die Piraten um eine Abwendung von ihrem Image als „Sven-Clement-Partei“. Dafür gaben sie sich neue Statuten, mit denen sowohl Änderungen an den internen Strukturen als auch ihren Kontrollmechanismen beschlossen wurden.
Im Januar 2025 unternahmen die Piraten einen weiteren Schritt in diese Richtung: In einer Pressemitteilung bedauerte die Parteileitung, dass bei parteiinternen und politischen Themen allen voran Clement von der Presse kontaktiert werde. Dafür aber sei eigentlich das auf dem Parteikongress gewählte Koordinations-Team zuständig.
Die öffentliche Schlammschlacht zwischen Clement und Goergen sowie die MALT-Affäre haben in dem vergangenen politischen Jahr deutliche Spuren hinterlassen: Neben Polidori haben 25 Mitglieder und sechs weitere gewählte Mandatsträger (Vincenzo Turcarelli, Steve Curfs, Mathis Godefroid, Morgan Engel, Marie-Marthe Muller, Tammy Broers) infolgedessen das Piratenschiff verlassen, wie Radio 100,7 am Mittwoch berichtet.
„Wir reden miteinander“
Nachdem die Luxemburger Staatsanwaltschaft im vergangenen Oktober angekündigt hatte, dass die Europäische Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in der MALT-Affäre leiten würde, wurden im Mai 23.801,72 Euro von den Konten der Piraten beschlagnahmt. Die beschuldigten Personen in der Affäre sollen „bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und die entstandenen finanziellen Schäden der Partei zu übernehmen“, schrieb die Parteileitung in einer Pressemitteilung Anfang Juni. Darin distanzierte sie sich auch ein weiteres Mal von Clement: „Die Parteileitung präzisiert, dass Sven Clement in der MALT-Affäre nicht im Namen der Partei spricht.“
Und wie sieht es heute aus? Die Partei ist aus finanzieller Sicht operationell, sagte Clement am Mittwoch bei Radio 100,7. Was die parlamentarische Zusammenarbeit mit Goergen betrifft: „Wir reden miteinander, wir arbeiten im Interesse unserer Mandate zusammen, wir sprechen unsere Anträge ab, wir sprechen unsere Abstimmungen für Gesetzesprojekte ab“, teilt Clement mit.
Auch wenn man nicht immer auf einer Wellenlänge sei, sei eine funktionale Zusammenarbeit essenziell. „Wir haben gelernt, dass Konflikte so ausgetragen werden müssen, dass man immer noch respektvoll miteinander umgeht“, sagt er. Dies sei eine der großen Lektionen, die er aus dem vergangenen parlamentarischen Jahr ziehen musste – und dass er den Wählerauftrag vor seine persönlichen Emotionen stellen müsse.
Kein Blick zurück
Auf einen gemeinsamen Auftritt, um vor der Presse Bilanz zu dem parlamentarischen Jahr zu ziehen, werde die Partei jedoch dieses Jahr verzichten, sagt Clement. Dies ließe sich auch über andere Wege und Kanäle kommunizieren.
Ob er bei den kommenden Wahlen 2028 wieder antreten werde, stehe noch nicht fest. Derzeit habe er zumindest noch keine anderen Pläne. Fest steht für Clement hingegen, dass er nicht bereit ist, die Piraten aus freien Stücken zu verlassen.
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De Maart













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