Diskussionsabend in Düdelingen„Belästigung im Betrieb kann auch subtile Formen annehmen“

Diskussionsabend in Düdelingen / „Belästigung im Betrieb kann auch subtile Formen annehmen“
Thema des Filmabends war subtile Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz Foto: Pixabay

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2008 startete der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon eine weltweite, jährlich zu wiederholende Kampagne, um auf physische und mentale Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen. In Luxemburg fand das als „Orange Week“ firmierende Projekt erstmals 2017 statt. Eine der auch dieses Jahr teilnehmenden Gemeinden war Düdelingen. Sie richtet seit 2019 im November Veranstaltungen zum Thema aus.

Dieses Jahr lag einer der Schwerpunkte bei der Gewalt unter Jugendlichen und bei der Belästigung am Arbeitsplatz. Fortgeführt wurde die bereits 2020 in Zusammenarbeit mit der Fondation Pro Familia eingeleitete Informationskampagne zur häuslichen Gewalt. Ein Informationsblatt mit Erklärungen und mit Adressen von Hilfediensten wurde laut Angaben der Gleichstellungsdienststelle an alle Haushalte verteilt. Auf Facebook wurden Gewaltformen erläutert, von denen Frauen und Mädchen besonders betroffen sind. In mehreren, zusammen mit der Fondation Pro Familia veranstalteten Workshops lernten junge Menschen im Austausch untereinander, wie sie sich selbst und andere schützen können.

Den Abschluss der am 25. November gestarteten Kampagne bildete am 8. Dezember ein Filmabend zum Thema „subtile Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz“, gefolgt von einem Gespräch zwischen Vertreterinnen der Gleichstellungsdienststelle und der psychosozialen Dienststelle Düdelingens, der Fondation Pro Familia und des OGBL.

In den Betrieben sind die Betroffenen wenig darüber informiert, an wen sie sich wenden könnten. Außerdem gibt es in diesem Bereich sehr wenige Fortbildungskurse.

Manon Meiresonne, beigeordnete Zentralsekretärin beim OGBL

Als Einführung diente der 2009 im Zuge des Weinstein-Skandals um Machtmissbrauch in der Filmindustrie und der #MeToo-Bewegung entstandene Film von Kitty Green „The Assistant“. Der Streifen beschreibt den unermüdlichen, aber gering geschätzten Einsatz der jungen Assistentin Jane, eine „Bonne à tout faire“, in einer Filmproduktionsgesellschaft. Als sie den Personalleiter von ihrem Verdacht informiert, der Chef habe ein junges Mädchen im Gegenzug für sexuelle Gefälligkeiten eingestellt, tut Ersterer die Sache mit der Bemerkung ab, sie, Jane, sei bloß neidisch.

Wo Hilfe suchen?

Man könne den Eindruck haben, dass das, was im Film gezeigt werde, von Luxemburg weit entfernt sei, leitete Annabelle Laborier-Saffran, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Düdelingen, das Gespräch ein. Ob es derartiges auch in Luxemburg gebe, warf sie in die Runde. Derlei gesellschaftliche Erscheinung gebe es in der Tat auch hierzulande, sagte Manon Meiresonne, beigeordnete Zentralsekretärin beim OGBL. Gewalt am Arbeitsplatz könne aber sehr subtile Formen annehmen. Eine Einschätzung, die auch Patricia Marques, Leiterin der psychosozialen Beratungsstelle der Gemeinde Düdelingen, teilte. Man beantworte den Gruß des Kollegen oder der Kollegin nicht, wenn er oder sie den Raum betritt, man spricht hinter seinem Rücken schlecht von dieser Person – Marques führte einige Beispiele dazu an. Das Problem: Oftmals wüssten die Betroffenen nicht, an wen sie sich wenden könnten. Der Dienstchef müsste eigentlich der erste Ansprechpartner sein. Aber vor diesem Schritt würden die Opfer meist zurückschrecken.

In den Betrieben seien die Betroffenen wenig darüber informiert, an wen sie sich wenden könnten, erzählt Meiresonne aus ihrer Erfahrung. Die Chefs wüssten oftmals nicht, wie sie einen beraten sollen. Außerdem gibt es in diesem Bereich sehr wenige Fortbildungskurse.

Arbeitgeber in der Verantwortung

Béatrice Ruppert, beigeordnete Direktorin von Pro Familia, weitete das Gespräch auf die Problematik häusliche Gewalt aus. Der erste Schritt aufseiten des Opfers müsste darin bestehen, Hilfe zu suchen. Es müsse die Isolation durchbrechen. Denn darin rutsche die Person, wenn sie ständig erniedrigt werde und das Selbstwertgefühl verschwinde. Wenn alle ständig sagen, das Opfer sei eine Null, dann glaube man das schließlich.

Wichtig ist, dass es im Betrieb klare Prozeduren gegen Gewalt am Arbeitsplatz gibt

Patricia Marques, Leiterin der psychosozialen Beratungsstelle der Gemeinde Düdelingen

Manon Meiresonne sah auch den Arbeitgeber in der Verantwortung. Laut Arbeitsrecht sei es seine Aufgabe, für das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu sorgen, also auch vor Belästigung und Mobbing am Arbeitsplatz zu schützen. Nur sei die Gesetzeslage unklar und der Interpretationsspielraum groß. Auch seien keine Sanktionen vorgesehen. Wichtig sei, dass es im Betrieb klare Prozeduren gegen Gewalt am Arbeitsplatz gibt, betonte Patricia Marques. Allein deren Vorhandensein trage zur Vorsorge bei. Von Bedeutung seien ebenfalls ständige Kommunikation und Fortbildung in den Betrieben, fügte Meiresonne hinzu. Ihre Gewerkschaft versuche, Präventionsmaßnahmen auch in den Kollektivverträgen zu verankern.

Arbeitsrechtlich sei noch viel zu tun, sagte Annabelle Laborier-Saffran abschließend. Alle größeren Betriebe sollten außerdem über einen psychosozialen Dienst verfügen, an den sich Betroffene wenden könnten.

V.l.: Béatrice Ruppert, Patricia Marques, Manon Meiresonne, Annabelle Laborier-Saffran
V.l.: Béatrice Ruppert, Patricia Marques, Manon Meiresonne, Annabelle Laborier-Saffran Foto: Editpress/Alain Rischard
Auf dem Foto ist eine Menschenkette zu sehen, die im Zuge der „Orange Week“ gebildet wurde, um auf Gewalt gegen Mädchen und Frauen aufmerksam zu machen
Auf dem Foto ist eine Menschenkette zu sehen, die im Zuge der „Orange Week“ gebildet wurde, um auf Gewalt gegen Mädchen und Frauen aufmerksam zu machen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante