TornadoAus den Trümmern entsteht eine neue Hilfsorganisation

Tornado / Aus den Trümmern entsteht eine neue Hilfsorganisation
EVAT: Aus einem Provisorium wird etwas Permanentes Foto: Editpress/René Hoffmann

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Am 18. Dezember fand in Petingen eine Feier für die ehrenamtlichen Helfer statt, die die Opfer des Tornados am 9. August und in den Wochen danach unterstützt haben. Ob Hilfe beim Aufräumen oder ein offenes Ohr für die Betroffenen haben: Viele zeigten sich solidarisch. Einige der Helfer sind jetzt dabei, eine Hilfsvereinigung zu gründen.

Am 9. August gegen 17.30 Uhr zog ein verheerender Tornado über Petingen und Käerjeng. Es gab viele Verletzte. Der Sachschaden war enorm. Neben dem CGDIS waren die Polizei, die Gemeindedienste und die Armee am Katastrophenort. Aus dem Ausland rückte das THW (Technische Hilfswerk) an. Bäume waren umgeknickt, Glas, Dachziegel, Schilder, Dreckkübel, Steine, Bleche usw. erschwerten das Durchkommen der Einsatzkräfte. Um den überlasteten Rettungsdiensten zu helfen, bildeten sich schnell freiwillige Einsatzgruppen in den betroffenen Gemeinden. Sie halfen, wo Not am Mann war. Eines dieser Teams war das Emergency Volunteer Aid Team (EVAT). Aus der spontanen Zusammenkunft wird jetzt ein Hilfsverein, der auch künftig im Einsatz sein will.

Alain Peters ist einer der Gründerväter der Vereinigung, die im Frühling 2020 offiziell konstituiert werden soll. Nun laufe die Vorbereitungsphase. Er war am Tag, an dem der Tornado über Luxemburg hinwegfegte, nicht in Petingen. „Ich bin Mitglied eines Mittelaltervereins. Wir waren zu diesem Zeitpunkt bei einem Event in Saarbrücken. Eine Freundin informierte mich darüber, dass ein Wirbelsturm durch Petingen gezogen war. ‚Du spinnst’, war meine erste Reaktion. Dann aber kamen immer mehr Meldungen übers Handy rein, darunter auch ein Video, das den Tornado zeigte. Das Herz rutschte mir in die Hose, denn meine ganze Familie befand sich im Katastrophengebiet“, erzählt Peters. Er versuchte seine Lieben zu erreichen, zuerst aber vergebens, weil das Telefonnetz überlastet war. Daraufhin wollte er schnellstens nach Hause.

Kein Durchkommen

Ein Freund riet ihm aber davon ab: „Du kommst da ohnehin jetzt nicht rein.“ Als er dann doch seine Frau erreichen konnte, teilte sie ihm mit, dass sich der Rüssel des Sturms nur wenige Meter neben seinem Haus ausgelöst hatte, um sich auf der anderen Seite wieder neu zu formieren. „Wie durch ein Wunder blieb mein Haus verschont.“

Am folgenden Tag fuhr er zurück nach Petingen. „Je näher wir kamen, desto mulmiger wurde mir”, so Peters. Bereits auf der „Biff“ sah er die ersten zerstörten Häuser. „Sofort war mir klar: Ich muss helfen’“, blickt der Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung und ehemalige Feuerwehrmann zurück. Zunächst bot er seine Hilfe auf Facebook an: Vier Personen meldeten sich.

Die Geburtsstunde des Helferteams

Der erste Einsatz war auf der „Biff“. Dort musste das Team die Reste einer schweren gläsernen Trennwand entsorgen. Danach half es dem ehemaligen Kommandanten der Feuerwehr von Rodange, Nico Bartz, seinen Garten von einem entwurzelten Baum zu befreien. Anfangs wusste die Gruppe nicht, wohin mit dem Schutt. Schließlich erhielt sie aber die Ermächtigung der Gemeinde, ihn auf dem Gelände von Eucosider abzuladen. Fortan wurde das Team in den Interventionsplan der Kommune angebunden.

Schnell wollten die Helfe der Gruppe einen strukturierten Rahmen zu geben. EVAT war geboren. Weitere Helfer kamen am Katastrophenort und via soziale Netzwerke hinzu. Die Gruppe wurde weiter von der Gemeinde mit Aufräumarbeiten beauftragt, auch nachdem Bürgermeister Pierre Mellina entschieden hatte, aus Sicherheitsgründen die Anzahl der freiwilligen Helfer drastisch zu reduzieren. „Wir waren insgesamt etwa vier Wochen im Einsatz“, sagt Jérôme Pettinger, der kurze Zeit nach dem Sturm der Gruppe beitrat. „Als ich davon hörte, unterschätzte ich zuerst den Ernst der Lage.“

Viele Ex-Sanitäter und Feuerwehrleute

Erst durch den Facebook-Aufruf von André Pettinger wurde ihm bewusst, wie schlimm die Situation war. Er schloss sich der Gruppe an. Wie die meisten EVAT-Mitglieder war er mal bei Rettungsdiensten aktiv. Sein Kollege Sven Eberhard ist zudem Mitglied der Wetterjäger, einer Organisation, die Wetterphänomene beobachtet. Er war gerade dabei, auf dem „Schlaakentipp” Fotos und Videos zu machen, als sich der Tornado bildete. Er machte sich spontan auf den Weg nach Petingen, um zu helfen. „Das war aber nicht einfach. Ich wartete etwa zwei Stunden auf einen Bus. Als ich endlich beim Rathausplatz ankam, herrschte dort Chaos. Sofort kamen Bekannte auf mich zu und baten um meine Mithilfe“, erinnert sich der Maler.

Weitere Personen schlossen sich dem Projekt EVAT an. Mike Tollando, ein ehemaliger Soldat, sprach die Gruppe bei Aufräumarbeiten auf der Straße an. Der „Gaardenengel“ aus Tetingen, Alain Eck, und Steve Scheid aus Lutzhausen stießen ebenfalls zu der Truppe. „Ihre Hilfe ist unermesslich, zum einen, weil sie viel notwendiges Material besitzen, zum anderen, weil Steve als Baumpfleger hoch auf die Bäume klettern kann“, erklärt Pettinger.

50 ist das Maximum

Zurzeit werden die Statuten ausgearbeitet. Im Frühjahr soll es so weit sein und das EVAT zu einer Asbl werden. 18 Mitglieder, darunter vier Frauen, gehören dem Team aktuell an. Neun kommen aus den Gemeinden, die vom Tornado getroffen wurden. „Wir sind auf der Suche nach neuen Mitgliedern, haben aber auch eine Grenze festgelegt: Bei über 50 Mitarbeiter wäre das Ganze schwer zu führen”, erklärt Peters. Er wird administrativer Präsident sein. Jérôme Pettinger ist als „Team Chief“ für den Kontakt mit den Behörden und Rettungsdiensten verantwortlich. Fünf „Squad Leader“ werden die Einsätze am jeweiligen Ort leiten. Ihnen stehen die „Squad Assistents“ (Elektriker, Baumpfleger, Logistikexperten usw.) mit ihren Kompetenzen zur Seite.

Eines will Peters jedoch klarstellen: „Wir wollen auf keinen Fall eine Konkurrenz zu den Rettungsdiensten oder der Polizei werden.“ EVAT setzt sich ausschließlich aus ehrenamtlichen Mitarbeitern zusammen. Das Team sieht sich als eine Art „Technisches Hilfswerk“, das bei Überschwemmungen zum Beispiel die Sandsäcke befüllt, bei Stürmen die Trümmer entsorgt oder der Polizei bei der Suche nach Vermissten hilft.

Nur Befehle von offizieller Seite

„Alleingänge machen wir nicht. Wir bekommen Befehle von offizieller Seite. Dann wissen wir immer, was zu tun ist. Risiko-Einsätze lehnen wir ab, dafür gibt es Experten”, erklärt Jérôme Pettinger. „Wir stehen in ständigem Kontakt mit Polizei und CGDIS, helfen aber nur, wenn wir gebraucht werden – das aber im ganzen Land”, ergänzt Sven Eberhard. Nach dem Tornado wurde die Gruppe bereits zweimal gerufen: am 16. Dezember, als ein 14-Jähriger aus Schifflingen und am 31. Oktober, als ein 72-jähriger Mann aus Bondorf vermisst wurde.

Bei der Feier am 18. Dezember zu Ehren der freiwilligen Helfer in der Bim-Diederich-Halle in Petingen lobten die Gemeindeverantwortlichen und Vertreter der Rettungsdienste alle, die sich in diesen Notzeiten für ihren Mitmenschen eingesetzt haben. Die Gründung des EVAT begrüßten sie ebenfalls und kündigten an, die neue Vereinigung zu unterstützen.

Petingens Bürgermeister Pierre Mellina (M.) bedankt sich bei allen freiwilligen Helfern
Petingens Bürgermeister Pierre Mellina (M.) bedankt sich bei allen freiwilligen Helfern Foto: Tania Feller
Wenn Gemeinden zusammenhalten
Wenn Gemeinden zusammenhalten Foto: Editpress/Tania Feller