Jüngster und ältester Bürgermeister des Landes erzählenAn einem Strang ziehen und die Krise meistern

Jüngster und ältester Bürgermeister des Landes erzählen / An einem Strang ziehen und die Krise meistern
Jean-Pierre Klein (links) ist mit 76 Jahren der älteste Bürgermeister Luxemburgs. Eric Thill ist mit 26 Jahren der jüngste Gemeindechef. Montage: Editpress/CdS

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Mit 76 Jahren ist Jean-Pierre (Jempi) Klein der älteste Gemeindevater des Landes. Eric Thill ist 50 Jahre  jünger und gilt somit als jüngster Bürgermeister. Im Tageblatt-Gespräch erzählen sie aus ihren Gemeinden: Steinsel und Schieren. Beide geben sich in der Krise besonnen und verantwortungsvoll. Ihr respektives Alter spielt keine wesentliche Rolle bei der Einschätzung und Herangehensweise. Im Tageblatt-Gespräch sind sie sich auch einig darüber, dass am Ende der Corona-Krise viel Arbeit auf das Land zukommen wird. Wenn es darum gehe, die Wirtschaft anzukurbeln, werden die Gemeinden eine wichtige Rolle zu spielen haben. 

Tageblatt: Eric Thill, Sie sind der jüngste Bürgermeister des Landes, ein Newcomer sozusagen. Jempi Klein hingegen ist der älteste und hat in seiner jahrzehntelangen Arbeit bereits vieles gesehen. Als wie schlimm empfinden Sie beide nun diese Krise?

Jempi Klein: Ich bin seit dem 1. April 2020 während 55 Jahren ununterbrochen im Gemeindewesen in Steinsel tätig, habe in meinen verschiedenen Laufbahnen vieles gesehen und erlebt, Erfreuliches und weniger Erfreuliches. Naturkatastrophen wurden durchgestanden. Die Corona-Krise jedoch, die das Leben der Menschen bedroht, ist das schlimmste Ereignis, das ich je erfahren habe.

Eric Thill: Covid-19 verändert unseren Alltag, auch in Schieren. Sei es im Privat- oder im Berufsleben. Wir erleben tiefe Einschnitte in die bürgerlichen Freiheiten, die aber wohl eine Zeit lang zu ertragen sind, weil wir wissen, zu was sie gut sind. Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Krise gemeinsam überstehen.

Haben Sie das Gefühl, gut genug aufgestellt zu sein, um diese Krise gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern zu meistern?

J.K.: Meine Mitarbeiter sind voll motiviert und gewillt, mit mir und meinen Kollegen alle Kraft aufzuwenden und treffende Mittel einzusetzen, um die Krise schnellstmöglich zu überwinden. Mit einer solchen Einstellung fühlen wir uns gemeinsam stark, um auf lokaler Ebene wirksam zu sein.

E.T.: Ja. Denn ich kann mich in dieser Krise auf der ganzen Linie auf kompetente Mitarbeiter verlassen, von denen jeder dem anderen hilft. Ich bin ein positiver Mensch, der nach vorne schaut. Auch jetzt. Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen und auch die Chance nutzen, die diese Krise bietet.

Ist Ihr respektives Alter von Vor- oder von Nachteil?

J.K.: Keinesfalls sehe ich mein Alter in dieser elenden Lage als Nachteil, sondern eher als Vorteil angesichts der im Laufe der Jahre angesammelten Erfahrungen, was besonders die Erwartungen und Bedürfnisse der Bevölkerung anbelangt.

E.T.: Ich sehe mein Alter weder als Vorteil noch als Nachteil. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation, die so noch niemand erlebt hat. Wichtig ist, eine engagierte und pragmatische Politik zu machen, die jedem zugutekommt. In unserer Verwaltung und im Schöffenrat nutzen wir den Mix aus älteren und jüngeren Leuten, um bestmögliche Lösungen zu finden.

Wie geht die Gemeindeverwaltung allgemein mit dieser Krise um?

J.K.: Die Gemeindeverwaltung nimmt diese Krise selbstverständlich äußerst ernst, es geht um den physischen und psychischen Zustand der Menschen, um ihre Gesundheit. Die Kom­mu­nal­ver­wal­tung steht den Menschen bei allen Anfragen mit Rat und Tat zur Seite. Wir gehen das Problem mit Ruhe und Besonnenheit an und wollen keine Panik aufkommen lassen.

E.T.: Jeder gibt sein Bestes, um unter den gegebenen Umständen den Betrieb aufrechtzuerhalten. Unsere Leute arbeiten – sofern möglich – im Home-Office. Die technischen Kommunikationsmittel erlauben es uns, zum Beispiel via Videokonferenzen oder WhatsApp miteinander zu reden, uns auszutauschen. Das klappt richtig gut. Um Mitarbeiter und Bürger gleichermaßen zu schützen, sind direkte Kontakte auf ein striktes Minimum reduziert. Nur in Notfällen und auf Termin darf man ins Rathaus kommen.

Was sind die Hauptsorgen und -nöte der Einwohner?

J.K.: Die Hauptanliegen der Einwohner sind vorrangig der Schutz ihrer Gesundheit und besonders bei den älteren oder gefährdeten Mitbürgern ihre Verpflegung und Versorgung. Jedermann macht sich allerdings auch Gedanken über die Zukunft, die Zeit nach der Krise.

E.T.: Es geht unter anderem um soziale Isolation. Diese Problematik darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Um die Bürger unserer Gemeinde bestmöglich einzubinden und ihnen das Gefühl der Ungewissheit zu nehmen, informieren wir über alle Kanäle, die uns zur Verfügung stehen. Auch über Flugblätter. Da geht es zum Beispiel um einen Einkaufsdienst, den wir mit den Scouts aus Ettelbrück anbieten. Es geht um das Seniorentelefon Nordstad oder um Ratschläge, wie mit Angstzuständen in der sozialen Isolation umgegangen werden kann. Dann haben wir über die Komplementarwahlen in unserer Gemeinde informiert, die ja auf Oktober verschoben wurden.

Fühlen Sie sich als Gemeindevater gut informiert und begleitet von staatlicher Seite?

J.K.: Die Informationen und Begleitung staatlicherseits sind meines Erachtens für das augenblickliche Funktionieren der Gemeinden völlig ausreichend. Ministerielle Pressekonferenzen und Rundschreiben stehen auf der Tagesordnung. Die Erfahrungen der Kommunalpolitiker erlauben die treffende Vorgehensweise und Eigeninitiativen aufgrund der Krisensituation. Die Gemeinden sind bestens aufgestellt, um den Erwartungen ihrer Bürger gerecht zu werden

E.T.: Ja. Ein konkretes Beispiel in Schieren sind die Komplementarwahlen, die wie gesagt in den Herbst verlegt wurden. Die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium hat hier einwandfrei funktioniert. Dann gibt es die Rundschreiben, die fast im Stundentakt eintreffen und über Entwicklung und Herangehensweise informieren. Wichtig ist auch die Arbeit des Syvicol. 

Was leistet das Syvicol als Hilfe?

J.K:. Der Gemeindeverband Syvicol bietet mit seinem äußerst kompetenten Staff eine hervorragende Hilfestellung. Ratgeber und Begleiter, alle Gemeinden miteinander in Kontakt bringen, Projekte und Erfahrungen austauschen, das kommt letztlich der gesamten Einwohnerschaft zugute.

E.T.: Als Bindeglied zwischen Gemeinden und Innenministerium respektive anderen betroffenen Regierungsstellen leistet das Syvicol in dieser Situation eine wichtige Arbeit. Besonders die Bürgermeister-WhatsApp-Gruppe, die zu Beginn der Krise gegründet wurde, ist für mich als Newcomer eine wertvolle Hilfe.

Gibt es einen systemrelevanten Betrieb in Ihrer Gemeinde?

J.K.: Ja, wir haben in Steinsel den Produktionsbetrieb CEBI S.A.. Der Betrieb ist von internationaler Dimension. Er stellt Elektrothermostate her, die vor allem in der weltweiten Automobilindustrie Verwendung finden. In der Kommune sind außerdem noch neun landwirtschaftliche Betriebe ansässig.

E.T.: Das ist bei uns in Schieren nicht der Fall.

Geht Ihre Gemeinde in irgendeinem Bereich einen Sonderweg?

J.K.: Steinsel geht keinen Sonderweg. Wie schon erwähnt, haben sich die Gemeinden via Syvicol größtenteils untereinander abgestimmt, Ideen und Initiativen werden ausgetauscht und an die gegebenen lokalen Umstände angepasst.

E.T.: Nein. Auch in Schieren halten wir uns an die Vorgaben der Regierung. Ich kann aber sagen, dass wir in verschiedenen Bereichen die kommunale Autonomie haben spielen lassen und einige Entscheidungen vorgezogen haben. Ich denke an die Schließung der Spielplätze, Sporteinrichtungen oder öffentlichen Gebäude.

Was unternehmen Sie, um den Menschen in Ihrer Gemeinde Mut zu machen? Wettbewerbe zum Beispiel?

J.K.: Der spezifische Einsatz, den unserer Gemeindeverwaltung in der aktuellen Situation im Interesse der sich in Not befindenden Bevölkerung leistet, gibt ganz klar Anlass zum Mut. Wir stehen zusammen!

E.T.: In den vergangenen Tagen haben wir versucht, die Leute bestmöglich zu informieren und die Dienste der Gemeinde so gut es nur geht weiterlaufen zu lassen. Das ist in einer Gemeinde mit wenigen Mitarbeitern in diesen Zeiten schon eine Herausforderung. Für die Kinder haben wir jetzt einen Malwettbewerb organisiert. Sie sollen malen, worauf sie sich am meisten freuen, nachdem diese Krise überstanden ist. Wir haben unsere lokale Geschäftswelt in der Auswahl der Preise mit eingebunden.

Was werden Sie tun, wenn alles vorbei ist? Ein großes Fest?

J.K.: Ich hoffe, wie sicherlich jedermann, dass die Krise so schnell wie möglich vorbei ist. Ich werde nach Abschluss dieser hoffentlich einmaligen schweren Krise kein Fest feiern. Wir werden genötigt sein, Bilanz zu ziehen und dazu beizutragen, den daraus entstandenen Schaden bestmöglich wiedergutzumachen.

E.T.: An ein Fest denken wir jetzt noch nicht. Zuerst gilt es, die Situation zu meistern. Das Ende der Corona-Krise wird dann Fest genug sein. Konkret heißt es dann, Projekte zu starten, um die lokale und nationale Wirtschaft wieder ins Rollen zu bringen.

Jempi Klein (76) ist seit 55 Jahren in der Gemeindepolitik aktiv. Eine Krise wie jetzt habe er jedoch noch nicht erlebt.
Jempi Klein (76) ist seit 55 Jahren in der Gemeindepolitik aktiv. Eine Krise wie jetzt habe er jedoch noch nicht erlebt. Foto: Editpress/Isabell Finzi

Jempi Klein, 76

Seit 55 Jahren ist Jean-Pierre Klein, genannt Jempi, in der Gemeindepolitik aktiv und seit 1988 ist der LSAP-Politiker Bürgermeister. Seine Hobbys sind lesen, wandern und Fahrrad fahren. Seine Gemeinde Steinsel zählt 5.433 Einwohner. 

Eric Thill, 26

Seit 2019 ist der DP-Politiker Bürgermeister. Zurzeit macht er einen Master in „Gouvernance européenne“. In seiner Freizeit nimmt er gerne an Fahrradrennen teil, fährt Mountainbike, geht laufen oder spazieren. Seine Gemeinde Schieren zählt 2.030 Einwohner. 

trotinette josy
8. April 2020 - 23.57

Ob Jung oder alt, sämtliche Bürgermeister , Schöffen-und Gemeinderäte müssenbesonders in diesen schwierigen Zeiten ihre Verantwortung übernehmen, zum Schutz und zum Wohl ihrer Bürger .

de Bunnert
8. April 2020 - 19.27

Mögen die beiden, weiterhin so gut gelaunt bleiben und sich bester Gesundheit erfreuen!