EditorialNeues Leben hinter alten Mauern

Editorial / Neues Leben hinter alten Mauern
Wie man historische Bausubstanz erhalten und sinnvoll nutzen kann: Das 1907 im Jugendstil erbaute Meder-Haus in Esch beherbergt heute ein Jugendhaus  Foto: Editpress-Archiv

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Die Frage ist einfach. Die Antwort nicht. Wenn es um die Erhaltung historischer Bausubstanz oder um deren Überreste geht, scheiden sich die Geister. Abreißen, Raum für Neues schaffen oder bewahren? Und wenn bewahren, wie und zu welchem Zweck? Vieles muss dabei in Betracht gezogen werden. Doch im Zweifel: ja zum Erhalten – vor allem im Sinne der Ästhetik.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Für einige sind alte Steine nicht der Rede wert. Andere geraten ins Schwärmen, für sie sind sie konservierungswerte Vergangenheit. Beide Seiten diskutieren leidenschaftlich, manchmal auch geschichtsvergessen oder realitätsfern. Anspruch und Wirklichkeit scheinen selten auf einer Linie zu liegen. Auch Denkmalschutzgesetze helfen bei der Lösungsfindung nicht immer. Denn was ist Denkmal? Was verdient Schutz? 

Jüngstes Beispiel ist ein „Schloss Eisenborn“ genannter herrschaftlicher Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert in der Gemeinde Junglinster. Das Herrenhaus ist schützenswert. Das direkt angrenzende Gebäude nicht unbedingt. Es sieht heute wie eine Scheune aus. Banal. Ersetzbar. Vor Jahrzehnten wurde es bei einem Feuer zerstört und notdürftig wieder aufgebaut. Keine Augenweide. Von seinem möglichen früheren Charme ist kaum mehr etwas vorhanden. Es ist also nicht ersichtlich, warum man diesen Teil des Anwesens erhalten und einem neuen Zweck zuführen soll. – Oder? Ein Neubau soll kommen. Es bleibt zu hoffen, dass er sich in das allgemeine Erscheinungsbild einfügt und nicht wie ein Remake steriler Plattenbauwohngebäude aussieht.

Bei der Bewahrung historischer Bausubstanz geht es vorrangig um die Frage, wie sie in Zukunft genutzt werden und mit Leben erfüllt werden kann. Stichwort: die Schlösser von Sanem oder Schengen. Schöne Fassaden reichen nicht, wenn in ihrem Innern gespenstische Leere herrscht. Damit aber hinter alten Mauern Leben herrscht, muss viel investiert werden. Wer jemals ein altes Haus renoviert hat, weiß, was das an teuren Überraschungen und Zeitaufwand bedeuten kann.

Doch Kosten und Mühe lohnen sich. Denn ein Dorf, eine Stadt, ja selbst ein ganzes Land – was im Falle des Großherzogtums vielleicht besonders wichtig ist – besteht aus vielen Facetten. Keine davon ist aber auf den ersten Blick so prägend wie die Gebäude, die sie ausmachen. Diese „alten Mauern“ prägen den unvergleichbaren Charakter und sie spiegeln gleichermaßen Kultur und Geschichte eines Ortes wider. Ja, ohne diese Bausubstanz würden viele Dörfer und Städte ihr Gesicht und ihre Seele verlieren. Für Touristen wären sie weniger interessant.

Es geht deshalb natürlich vordergründig um die Erhaltung der Fassade, um das allgemeine Erscheinungsbild, das sich jenen bietet, die an solchen Gebäuden vorbeifahren oder -gehen. Es geht aber wie gesagt nicht minder um das, was sich hinter der Hausfront abspielt.

Nicht jedes alte Gebäude kann ohne weiteres erhalten und beispielsweise zum Rathaus, Versammlungs- oder Proberaum, Jugendhaus oder Museum werden. Da wäre unter anderem der Staat gefordert, der dieser Möglichkeit aber aus Kostengründen nicht immer nachkommen kann. Sinnvoll ist es deshalb, wenn hinter historischen Steinen moderne Wohnungen entstehen. Kein Luxus wie im ehemaligen Kloster Saint-François am Fischmarkt in der Hauptstadt, sondern etwas Erschwingliches.

Wenn das trotz aller Bemühungen nicht möglich ist, müssen sich andere Gedanken über Wohn- und Lebensraum gemacht werden. Ein Abriss darf dann kein Tabu mehr sein.