SanderusSeefahrernation Luxemburg: Franz Fayot besucht Baggerschiff in Antwerpen

Sanderus / Seefahrernation Luxemburg: Franz Fayot besucht Baggerschiff in Antwerpen
Kapitän Cor Plugge zeigt Wirtschaftsminister Franz Fayot das Schiff Foto: Cédric Feyereisen

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Wirtschaftsminister Franz Fayot hat am Dienstagmorgen eines der 216 luxemburgischen Schiffe besucht, die weltweit unterwegs sind. Obwohl das Großherzogtum keinen eigenen Zugang zum Meer hat, ist das Land seit 30 Jahren eine Seefahrernation. Der Besuch in Antwerpen an Bord des Saugbaggerschiffes „Sanderus“ hat gezeigt, dass Schiffe keine Dreckschleudern sein müssen. Und trotzdem: Der Schiffsverkehr bleibt Klimakiller.

„Was macht Luxemburg als Binnenland im maritimen Bereich?“ Mit dieser rhetorischen Frage gewinnt Wirtschaftsminister Franz Fayot während seiner Rede den Anwesenden ein Schmunzeln ab – darunter Angestellte des Wirtschaftsministeriums, der Kapitän des Schiffes und die Presse. Der Minister hat die „Sanderus“ am Dienstagmorgen besucht und dort auch gleich über das Luxemburger Schiffsregister gesprochen. Das Laderaumsaugbaggerschiff der Firma Jan De Nul ist eines der 216 Schiffe, die unter der Luxemburger Flagge die Weltmeere befahren – obwohl sich die „Sanderus“ in diesem Fall nur im Antwerpener Hafen aufhält, um dort dafür zu sorgen, dass das Kanalbett weiterhin tief genug ist.

Drei Schiffsregister

Das „Commissariat aux affaires maritimes“ ist die staatliche Verwaltung, die für das Meeresschiffsregister zuständig ist. Ehe ein Schiff in Luxemburg angemeldet wird, untersucht die Behörde mit knapp 20 Mitarbeitern technische Daten und andere Dokumente, etwa die Besitzverhältnisse des Schiffes. Daneben gibt es hierzulande ein „Registre de plaisance“, wo Leute, die in Luxemburg wohnen, ihre eigenen Freizeitschiffe und -boote eintragen können. Dort sind etwa 1.000 Einheiten (Segelboote, Motorschiffe, Jetskis usw.) eingetragen. Auch dieses Register wird vom „Commissariat maritime“ verwaltet. Das dritte Luxemburger Schiffsregister ist für die Binnenschiffe zuständig. Es wird vom Transportministerium aus geleitet. Bei der Binnenschifffahrt handelt es sich mehr um eine Transportaktivität, bei der Schiffe auch Luxemburg anlaufen.

„Die Schifffahrt ist eine Diversifizierung der Luxemburger Wirtschaftsaktivitäten und funktioniert gut“, beantwortet Fayot seine eigene Frage. In den 30 Jahren seit der Gründung des Schiffsregisters hat sich rund um dieses ein kleiner, aber dynamischer Wirtschaftssektor entwickelt. Tatsächlich habe Luxemburg weltweit das größte Schiffsregister aller Binnenländer. Trotzdem gehe es in erster Linie darum, Qualität über Quantität zu stellen. In Luxemburg sind laut Fayot deswegen auch keine Öltanker, Kreuzfahrtschiffe und Fischereischiffe registriert – „und das ist eine bewusste Wahl“.

Kurz nach Fayot kommt Robert Biwer zu Wort. Als „Commissaire du gouvernement aux Affaires maritimes“ kümmert er sich um das Luxemburger Register. Seine Abteilung zählt mittlerweile 20 Angestellte, die sich sowohl um administrative Arbeiten als auch um die technische Kontrolle der Schiffe kümmern. „Auch wenn es dem Luxemburger Register auf nationaler Ebene an Anerkennung fehlt, hat das Großherzogtum auf internationaler Ebene einen guten Ruf“, sagt Biwer. Luxemburg lege viel Wert auf Flexibilität und schnelle Antwortzeiten. Außerdem sei es möglich, zugeschnittene Lösungen für einzelne Betriebe zu erschaffen. „In Luxemburg gibt es auch keine Tonnagebesteuerung – das heißt, die Unternehmen werden nicht auf die Größe der Flotte besteuert, sondern auf ihren Gewinn“, sagt Biwer. Dazu würden die üblichen Mittel kommen, um ihre Steuerlast in Luxemburg zu senken. Geschätzte 2.500 Arbeitsplätze in Luxemburg haben laut Biwer mit dem maritimen Sektor zu tun – dazu gehören auch Anwaltskanzleien, Finanzinstitute und Versicherer. Trotzdem handele es sich bei dem Wirtschaftszweig nur um eine kleine Nische.

Robert Biwer ist für das „Commissariat aux Affaires maritimes“ zuständig
Robert Biwer ist für das „Commissariat aux Affaires maritimes“ zuständig Foto: Cédric Feyereisen

Die „Sanderus“

Das Saugbaggerschiff „Sanderus“ ist 111,7 Meter lang
Das Saugbaggerschiff „Sanderus“ ist 111,7 Meter lang Foto: Cédric Feyereisen

Die „Sanderus“

Fassungsvermögen des Schachts: 6.000 m³
Eigengewicht: 9.880 t
Gesamtlänge: 111,7 m
Breite: 24,6 m
Tiefgang bei Volllast: 7,2 m
Maximale Aushubtiefe: 35 m
Durchmesser des Ansaugschlauches: 1.000 mm
Pumpen (Ansaugung): 1.500 kW
Pumpen (Entladung an Land): 4.000 kW
Antrieb: 2 x 2.150 kW
Installierte Dieselleistung insgesamt: 7.700 kW
Geschwindigkeit: 12,5 kn (23,15 km/h)
Besatzung: 16
Gebaut: 2019

Eines der Unternehmen, die von dem Luxemburger Register profitieren, ist die Jan-De-Nul-Gruppe. Der Konzern führt weltweit Wasser- und Landprojekte aus. Die Dienstleistungen reichen von Arbeiten für den Offshore-Energiemarkt über große Baggerarbeiten bis hin zu Bau- und Umweltarbeiten. Die Gruppe beschäftigt hierzulande etwa 540 Menschen, darunter 440 Seeleute und 100 Mitarbeiter in Capellen. Sie betreibt eine Flotte von 82 Schiffen. 63 fahren unter luxemburgischer Flagge – und eines davon ist die „Sanderus“.

Das Baggerschiff ist ein „ultra-low-emission vehicle“ (ULEv). Heißt: Der Dieselelektromotor ist mit einem Abgasreinigungssystem ausgestattet. Laut Jan De Nul macht ein Katalysator die Stickoxide unschädlich und ein Rußfilter hält feinste Partikel zurück. Auf diese Weise behandele die Technologie bis zu 99 Prozent der Partikel im Abgas. Diese Art von Filter sei in Schweizer Tunneln sehr verbreitet.

Das Schiff ist seit Februar 2020 im Hafen von Antwerpen stationiert und sorgt dafür, dass das Kanalbett konstant etwa 15 Meter tief ist, wie Jesper Briers, zweiter Steuermann an Bord der „Sanderus“, erklärt. „Belgien und Holland schreiben eine gewisse Minimaltiefe für die Häfen vor“, sagt Briers. Das Luxemburger Baggerschiff saugt den Sand ab, der immer wieder von Strömungen und Gezeiten angespült wird. „Sobald der Laderaum komplett voll ist, fahren wir zur Dumping-Area und schütten den Sand dorthin“, erklärt Briers. Der Staat schreibe vor, wo das Schiff den Sand ausschütten darf – „das kann eine Stelle sein, an der das Flussbett immer sehr tief ist, oder wir schütten es dorthin, wo die andere Schiffe Sand zum Verkauf abbauen“.

Das Leben auf einem Schiff

Jesper Briers ist der zweite Steuermann an Bord der „Sanderus“
Jesper Briers ist der zweite Steuermann an Bord der „Sanderus“ Foto: Cédric Feyereisen

Für die Arbeit muss die „Sanderus“ 24 Stunden auf sieben Tage unterwegs sein. Das Schiff dockt nur alle drei Wochen für Lebensmittel und Treibstoff an. 16 Mitarbeiter sind für den einwandfreien Abbau des Kanalbettes an Bord zuständig. Zwei Mannschaften arbeiten abwechselnd zwölf Stunden am Stück – eine Tages- und eine Nachtschicht. Ein Wochenende gibt es nicht. Nach sechs Wochen ohne Pause an Bord haben die europäischen Seeleute für sechs Wochen Urlaub. Die asiatischen Mitarbeiter sind im Sechs-Monate-Takt auf der „Sanderus“.

Laut Briers bleibt keine Zeit für Hobbys – das scheint dem zweiten Steuermann allerdings nicht viel auszumachen. „Es ist ein wirklich toller Beruf – ich habe sehr viel Abwechslung und die Tage vergehen sehr schnell“, sagt Briers. Das Leben sei sehr strukturiert: „Du arbeitest von sechs bis sechs, danach essen und ein bisschen Fitness, und dann geht es schon wieder ins Bett.“ Entscheidend sei auch, dass die Mannschaft sich gut verstehe. „Ich sehe diese Menschen mehr als meine Freundin und Familie“, sagt der Seemann schmunzelnd.

Umweltfreundlichkeit der Schifffahrt

Die Schifffahrt hat erhebliche Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Gesundheit. Etwa 90 Prozent des Welthandels erfolgen laut deutschem Umweltministerium unter normalen Bedingungen auf dem Seeweg. Der Seeverkehr habe vor der Corona-Pandemie 2,2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursacht. Franz Fayot geht in seiner Rede auch auf den Klimaschutz ein: „Ich habe vor, in den kommenden Monaten Initiativen im Bereich der Forschung und Entwicklung zu ergreifen, aber auch über die Verbesserung des rechtlichen und steuerlichen Rahmens nachzudenken, um finanzielle Maßnahmen für nachhaltige Schiffe zu fördern.“ Die luxemburgische Regierung wolle die Unternehmen dazu ermutigen, in umweltfreundlichere Technologien zu investieren – so wie Jan De Nul.

Denn ganz ohne den Seeverkehr gehe es nicht. „Es ist wie mit der Industrie, man kann sagen, die Industrie macht viel Dreck, aber man kann sie auch nachhaltiger machen“, so Fayot. Eine Deadline, wann die restlichen Schiffe mit Luxemburger Flagge auf umweltfreundlichere Technologien umsteigen, gebe es nicht. „Der Bereich befindet sich in einer Übergangsphase und kann nicht von heute auf morgen umsteigen“, sagt Fayot. Es sei illusorisch, zu glauben, dass wir komplett ohne Schifffahrt auskämen.

Obwohl Luxemburg Schiffe wie Öltanker, Kreuzfahrtschiffe und Fischereischiffe nicht im Register haben will, ist nicht jedes Projekt der Luxemburger Flotte besonders umweltfreundlich. So waren Luxemburger Schiffe etwa am Bau der Palmeninsel vor Dubai beteiligt. Laut Fayot habe die großherzogliche Regierung in dieser Hinsicht sehr wenig Einfluss. Nicht jedes Projekt sei besonders ökologisch – das hänge immer von den Kunden ab. „Wenn ein Kunde wie Dubai entscheidet, seine Küste mit einer Insel umzumodellieren, dann finden sie auch ein Unternehmen, das dies machen will. In dem Fall geht es dann natürlich darum, das so wenig schädlich für die Umwelt zu machen wie möglich.“ Der Staat könne die in Luxemburg registrierten Unternehmen nur ermutigen, in neue Technologien zu investieren. „Wir können nicht jedes Projekt, das umwelttechnisch fragwürdig ist, aufhalten“, betont der LSAP-Minister.

Der Besuch von Franz Fayot an Bord der „Sanderus“ hat mehrere Stunden gedauert
Der Besuch von Franz Fayot an Bord der „Sanderus“ hat mehrere Stunden gedauert Foto: Cédric Feyereisen

Robert Biwer sieht das ähnlich: Luxemburg habe alleine nicht viel Einfluss. „Wenn wir heute sagen, dass wir nur ein Viertel der bisherigen Emissionen wollen, dann registrieren sich die Schiffe woanders“, sagt der „Commissaire du gouvernement aux Affaires maritimes“. Trotzdem: Das Großherzogtum akzeptiere nur Schiffe, die nicht mehr als 15 Jahre alt sind. Dadurch habe Luxemburg eine der jüngsten Flotten Europas – was wiederum bedeute, dass die Motoren umweltfreundlicher seien. Um allerdings wirklich etwas zu bewirken, seien globale Initiativen nötig. Luxemburg hat laut Biwer überraschend viel Gewicht auf internationaler Ebene. „Unsere Stimme zählt bei der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation genauso viel wie die von China“, sagt Biwer. Das Großherzogtum nutze diese Stimme vor allem, um ambitionierte Projekte zu fördern. „Wir müssen kein schlechtes Gewissen haben“, meint Biwer.

Frage?
1. Oktober 2021 - 11.04

Hat man Vorteile wenn man als Segel Yacht Besitzer eines Binnenlandes eine Seefahrer Nation macht? Eigentlich will ich es gar nicht wissen.

Emile
30. September 2021 - 20.08

Guten Titel! Bravo Journalisten..