EditorialDen Mobilitätsplan von Luxemburg-Stadt muss man mit Skepsis lesen

Editorial / Den Mobilitätsplan von Luxemburg-Stadt muss man mit Skepsis lesen
Laut Mobilitätsplan soll für Fahrräder an Kreuzungen verstärkt auf „Konfliktvermeidung mit Querverkehr“ gesetzt werden Foto: Editpress/Tania Feller

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Luxemburg-Stadt hat endlich einen Mobilitätsplan. Etwas weniger als drei Jahre haben die Verantwortlichen daran getüftelt. Fast könnte man meinen, das Dokument wäre irgendwo zwischen Cloche d’Or und Knuedler im Stau stecken geblieben. Das Resultat könnte einen Mentalitätswechsel für die Verkehrsstrategie der Gemeinde darstellen – doch so wirklich glauben kann man es nicht.

Auf rund 130 Seiten stehen Verkehrsanalysen, -prognosen und -strategien. Es wird definiert, wie die Stadt in Zukunft Mobilität planen und mit dem Bevölkerungswachstum umgehen will. Konkrete Projekte oder terminierte Pläne sucht man allerdings vergeblich. Und das ist das Problem. Von einem Dokument, das sich schon seit so langem in der Produktion befindet, muss man mehr erwarten können.

Das heißt nicht, dass die in dem Plan definierten Vorgaben schlecht sind. Abgesehen von der neuen Strecke für die Tram, die noch für reichlich Gesprächsstoff sorgen wird, entsprechen die präsentierten Ideen einer modernen Verkehrsplanung des 21. Jahrhunderts: mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer, ein ausgebautes Busnetzwerk, multimodale Knotenpunkte und vieles mehr. Diese Eingeständnisse scheinen umso beeindruckender, wenn man sich anschaut, wie die politischen Verantwortlichen noch vor ein paar Jahren oder sogar Monaten über die Mobilität in Luxemburg-Stadt gesprochen haben. Vor allem Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) glänzte selten mit großem Lob für die sanfte Mobilität.

Beispiel Fahrrad: Als Luxemburg-Stadt während der Pandemiejahre die Gelegenheit verpasste – so wie Brüssel und Paris –, die Fahrradinfrastruktur zu verbessern, erntete die Bürgermeisterin reichlich Kritik. Polfer meinte hingegen, es sei „illusorisch“, ihre Gemeinde mit diesen Städten zu vergleichen. Luxemburg sei immerhin eine „Festungsstadt“. Der Mobilitätsplan schlägt jetzt andere Töne an. „Die Voraussetzungen sind fürs Radfahren in der Stadt Luxemburg geeignet […]. Daher hat das Rad das Potenzial für eine echte Alternative zum Auto“, steht in dem Dokument.

Freudensprünge lösen diese Aussagen bei Radaktivisten allerdings nicht aus. Eine gesunde Portion Skepsis hat sich verständlicherweise in den vergangenen Jahren bei ihnen eingenistet. Der Mobilitätsplan sieht für das Fahrrad eine von anderen Verkehrsmitteln „getrennte Infrastruktur“ und „Geschwindigkeitsreduktion (des Kfz-Verkehrs) in Konfliktbereichen“ vor. Radfahrer lesen diese Zeilen mit zusammengekniffenen Augen. Wo soll dieser Platz herkommen? Das Auto soll nämlich weiterhin alle Bereiche der Stadt erreichen. Fertig geplante Projekte, die diese Ideen verbildlichen, sind nicht in Aussicht. Wir dürfen uns also wieder auf weitere Studien freuen, die analysieren, wie und wo diese Konzepte am besten in der Praxis umgesetzt werden.

Im Plan steht außerdem, dass die Abstellkapazitäten für Fahrräder an Bahnhöfen „entsprechend der zukünftigen Anforderungen“ deutlich erhöht werden. Gleichzeitig zweifelte Polfer noch vergangenen Mai während einer Bürgerinformationsveranstaltung den Nutzen des geplanten unterirdischen Fahrradparkhauses beim Hauptbahnhof an. Die Frage ist also: Kündigt der Mobilitätsplan einen ehrlichen Sinneswandel an?

Die Antwort darauf wird wohl noch etwas auf sich warten lassen. In der Zwischenzeit kann die Opposition den Schöffenrat bei zukünftigen Straßenbauprojekten auf die Aussagen im Plan hinweisen.