Alain spannt den BogenNachdenkliche Klänge bei den Osterkonzerten mit dem OPL und dem Pianisten Jean Muller

Alain spannt den Bogen / Nachdenkliche Klänge bei den Osterkonzerten mit dem OPL und dem Pianisten Jean Muller
Jean Muller im Artikuss Foto: V. Wagner

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Wenn auch in diesem Jahr typische große Osterwerke wie Richard Wagners Parsifal oder Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion coronabedingt ausfallen, so kann man dadurch vielleicht andere, weniger oft gespielte Kompositionen neu kennenlernen.

 Wie beispielsweise Josef Haydns „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“. Die Luxemburger Philharmonie hatte dieses Werk kurzfristig ins Programm genommen und präsentierte dem Publikum die Orchesterfassung aus dem Jahre 1785/86.

„Die sieben letzten Worte“ ist laut Haydn „eine Instrumental Music abgetheilt in 7 Sonaten, wovon jede Sonate 7-8 Minuten dauert, nebst einer vorhergehenden Indroduction, zuletzt ein Terremoto, oder Erdbeben. Diese Sonaten sind bearbeitet, und angemessen über die Worte, so Christus unser Erlöser am Kreutz gesprochen.“

Dieser Passionsmusik ohne Worte folgten drei weitere Bearbeitungen, und zwar eine für Streichquartett, eine für Klavier und eine zehn Jahre spätere Fassung als Oratorium mit Chor und Solisten.

Für das Konzert hatte das Orchestre Philharmonique du Luxembourg den Dirigenten Jérémie Rhorer gewonnen, der erst vor einigen Wochen das Orchester dirigiert hatte und der, wie auch dieses Konzert zeigte, ein sehr gutes Verhältnis zu den Orchestermusikern hatte und demnach auch hier eine qualitativ hochwertige Interpretation vorlegte.

Rhorer, der ja von der historischen Aufführungspraxis herkommt, hatte keine Schwierigkeiten, Haydns Werk mit einem klassisch instrumentierten Orchester aufzuführen. Sein Dirigat war sehr klar und seine Interpretation erreichte eine wunderbar homogene Balance, vor allem in den Streichern, die ja die Hauptaufgabe zu bewältigen haben.

Holz und Blech dienen hier der Auflockerung der Klangfarben und spielen eigentlich nur im Hintergrund. Rhorer ließ die verschiedenen Instrumentengruppen wunderbar ineinander verschmelzen und schuf somit ein sehr farbiges Klangbild. Die dynamischen Abstufungen und die eigentlich sehr objektive Behandlung der Musik führten zu einer recht kernigen und reliefreichen Interpretation, die Haydns Passionsmusik in allen Hinsichten gerecht wurde.

Großes Lob auch wieder an die OPL-Musiker, die das anspruchsvolle Werk konzentriert und klangschön zweimal hintereinander spielten. Unsere Rezension bezieht sich auf das 20.00-Uhr-Konzert.

Atemberaubender Beethoven in Zolver

Ein großer Musiker muss viele Eigenschaften besitzen. Eine davon ist sicherlich die Kunst, immer sein Bestes zu geben und immer eine Interpretation auf höchstem Niveau anzubieten, egal, ob er vor 1.500, 100 oder 30 Leuten spielt. Vor knapp vier Wochen hat der luxemburgische Pianist Jean Muller in der Philharmonie ein phänomenales Konzert mit den letzten drei Beethoven-Sonaten gespielt; am Karfreitag war er nun im Artikuss in Zolver zu Gast, wo Werke von Beethoven und Chopin auf dem Programm standen.

Für Muller machte es keinen Unterschied, wo er spielte. Die Intensität des Konzerts im Artikuss war vor 30 Zuhörern genauso packend wie sein Konzert in der Philharmonie und machte deutlich, dass Muller nicht nur ein sehr gewissenhafter Musiker ist, sondern darüber hinaus zweifelsohne zu den besten europäischen Pianisten der Gegenwart gezählt werden muss.

„Es ist alles Raum – und darin befindet sich ein Mensch“, sagt der Pianist Igor Levit über Beethovens Sonate Nr. 14 „Mondscheinsonate“, mit der das Programm begann. Muller interpretierte diese Sonate dann auch in diesem Sinne, mit viel Dramatik, spröden Melodien und Noten, die sich quasi zu verlieren scheinen. Einsamkeit und Traurigkeit sind in jedem Moment vorhanden, selbst das Allegretto kann nicht so recht Licht ins Dunkel bringen.

Mit einer beeindruckenden Intensität und einem Sinn für dunkle Farben gestaltete Muller diese Sonate wie aus dem Bauch heraus. Gerade diese Unmittelbarkeit machte seine Interpretation so faszinierend und bereichernd.

Gleiches Niveau auch bei der Sonate Nr. 23 „Appassionata“, die Muller sehr vielschichtig zu gestalten wusste und das Schicksalsmotiv-ähnliche Thema der 5. Symphonie scheinbar in den Mittelpunkt seiner Interpretation stellte. Leidenschaftlich spielte und interpretierte Muller, wie schon in der Mondscheinsonate schien auch hier immer wieder eine unterdrückte Wut auszubrechen und die Bezeichnung „Aufschrei der Angst“ des deutschen Musikwissenschaftlers Adolf Bernhard Marx scheint exakt auf die Interpretation Jean Mullers zu passen.

Spieltechnisch, das braucht man inzwischen schon kaum mehr zu erwähnen, leistete der luxemburgische Pianist Exemplarisches. Zwischen diesen beiden düsteren Beethoven-Sonaten hatte Muller dann drei Dur-Stücke von Frédéric Chopin mit ins Programm genommen. Die Barcarolle op. 60, die Nocturne op. 61 und die Berceuse op. 57 erwiesen sich als ideale Bindeglieder zwischen den beiden Beethoven-Sonaten und wurden vom Pianisten mit der ihm eigenen Gestaltungskraft gespielt.

Chopins Musik war immer ein Eckpfeiler in Mullers Repertoire und es war auch heute erfreulich, zu hören, dass der Pianist Chopins Musik immer noch ernst nimmt und weitaus interessierter ist, ihre Tiefen auszuloten als ihren Saloncharakter in den Vordergrund zu stellen. Für den begeisterten Schlussapplaus gab es noch eine Zugabe in Form einer weiteren Chopin-Nocturne.