EU-KommissionNeue Maßnahmen im Kampf für Steuergerechtigkeit und gegen Steuerflucht

EU-Kommission / Neue Maßnahmen im Kampf für Steuergerechtigkeit und gegen Steuerflucht
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni während der Vorstellung des Maßnahmenpakets Foto: AFP/Francisco Seco

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Die EU-Kommission hat gestern ein Maßnahmenpaket vorgestellt, mit dem sie in der Union für mehr Steuergerechtigkeit und gegen unlauteren Steuerwettbewerb und Steuermissbrauch vorgehen will.

Es war wohl kein Zufall, dass gerade gestern der Vizepräsident der Kommission, Valdis Dombrovskis, und Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni ihr neues steuerpolitisches Regelvorhaben vorstellten. Denn rund zwei Stunden zuvor hatte das EU-Gericht am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die Klage der Kommission gegen Irland abgewiesen, nach der Dublin dem US-Technologiekonzern Apple unrechtmäßig eine Steuervergünstigung von 13 Milliarden Euro gewährt haben soll. Die Brüsseler Behörde verlangte, dass Apple die Steuern zurückzahlt. Nicht nur wegen der sehr hohen Rückzahlungsforderung hat der Fall für Aufsehen gesorgt, denn allgemein wird vor allem US-Internetgiganten vorgeworfen, in der EU keine Steuern zu zahlen.

Sie stehen damit jedoch nicht allein. Viele andere mehr profitieren von Schlupflöchern in den Steuergesetzgebungen der Mitgliedstaaten, um sich, wenn nicht gar der Abgaben an den Staat zu entziehen, so doch um diese auf ein Minimum zu drücken. Jährlich würde den EU-Staaten durch internationale Steuerflucht durch einzelne Personen 46 Milliarden Euro an Einnahmen verloren gehen, sagte Gentiloni. Bei der Körperschaftssteuer entgingen den Steuerbehörden im Jahr 35 Milliarden Euro und der grenzüberschreitende Mehrwertsteuerbetrug summiere sich auf 50 Milliarden Euro. „Das sind mehr als 130 Milliarden Euro. Das ist ein Skandal“, sagte Gentiloni.

„Wir wollen den ehrlichen Steuerzahlern das Leben leichter machen und denen, die aktiv versuchen, im System zu betrügen und zu schummeln, denen wollen wir das Leben schwerer machen“, versprach der Italiener und zählte, ohne ins Detail zu gehen, eine Reihe von technischen Maßnahmen auf, wie die Kommission gedenkt, dies bis 2024 umzusetzen. Für einfache Steuerzahler soll der Verwaltungsaufwand verringert werden, die Regeln zu Mehrwertsteuer sollen für verschiedene Bereiche vereinfacht werden, es wird Vorschläge zur Prävention und Streitschlichtung im Bereich der Mehrwertsteuer geben, es soll ein automatischer Informationsaustausch für Verkäufe über digitale Plattformen eingeführt werden, für grenzüberschreitende Investitionen sollen Steuerhürden abgebaut werden, andere Maßnahmen sollen dazu beitragen, es den Unternehmen leichter zu machen, sich an die Regeln zu halten, zählte Gentiloni unter anderem auf.

Lösung für Digitalsteuer

Selbst international will die EU-Kommission aktiv werden und, im Sinne nachhaltiger Entwicklungsziele,  Entwicklungsländer im Steuerbereich unterstützen. Auch bei der Frage der Besteuerung großer Internetkonzerne wolle man vorankommen. Die EU und die Mitgliedstaaten wollten eine globale oder zumindest eine europäische Lösung für die digitale Besteuerung, sagte der Wirtschaftskommissar. Auf jeden Fall sollte vermieden werden, dass es eine Vielzahl verschiedener Systeme gebe. Die EU-Staaten wollten noch in diesem Jahr eine Lösung finden, so Gentiloni, der auf die Schwierigkeiten mit den USA verwies. Die Trump-Regierung hat Verhandlungen mit der EU über die Einführung einer Digitalsteuer im Juni bis auf Weiteres abgebrochen und Frankreich, das eine solche Steuer im Alleingang anwenden wollte, mit Strafzöllen gedroht.

Ihre Vorschläge zu „systemischen Veränderungen“ in der europäischen Steuerpolitik, wie Gentiloni es bezeichnete, dürften trotz aller schönen Worte über Steuergerechtigkeit und Fairness bei manchen EU-Staaten jedoch nicht nur auf Gegenliebe stoßen. Der Italiener führte daher schon mal den starken politischen Willen der Kommission, etwas zu ändern, ins Feld und sieht im Europäischen Parlament einen Verbündeten, der diesen politischen Willen teile. Da in Steuerfragen allerdings Einstimmigkeit im Rat der EU-Staaten erforderlich ist, wollen sich die Kommissare des Artikels 116 des Lissabonner Vertrages bedienen. Dieser erlaubt es der Kommission, im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Richtlinien vorzulegen, durch die Strukturen, die die Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt verfälschen oder verzerren, beseitigt werden. Und zu diesen Strukturen könnte auch eine bestimmte Steuergesetzgebung zählen. Es müssten nun nur noch entsprechende Fälle identifiziert werden, so Paolo Gentiloni.