SerieHistorisches und architektonisches Esch (67): Cité Lallingerpesch

Serie / Historisches und architektonisches Esch (67): Cité Lallingerpesch
Die Cité Lallingerpesch heute. Ein Graffito von Natalia Rak, das 2017 im Rahmen des Urban-Art-Projekts der Kufa realisiert wurde, schmückt den Giebel eines der Wohngebäude. Foto: Christof Weber, 2020

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Während der langen Periode wirtschaftlicher Hochkonjunktur in der Stahlindustrie, bekannt als die „Trente Glorieuses“, die von der Nachkriegszeit bis in die Mitte der 1970er Jahre währte, erlebte Esch/Alzette einen beispiellosen Wohlstand. Um den Herausforderungen dieser Entwicklung auf gesellschaftlicher Ebene zu begegnen, schlossen sich die wichtigsten öffentlichen und privaten Akteure zusammen, um Wohnraum zum Verkauf oder zur Miete für die aktive Bevölkerung der Arbeiter, Angestellten und Handwerker zu schaffen.

So trugen die Stadt Esch/Alzette, die Arbed-Gruppe, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und die „Société nationale des habitations à bon marché“ (SNHBM) im gegenseitigen Einvernehmen zum Wohnungsbau in den Stadtteilen Brouch, Lankelz, Lallingen, Raemerich und Neiduerf bei.

Im Allgemeinen bevorzugten die öffentlichen Bauträger in Luxemburg die Förderung des Eigenheims gegenüber der Mietwohnung. Bei dieser Politik spielten sowohl ideologische als auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle. Die Strategie zielte darauf ab, das Familienleben durch Wohneigentum zu unterstützen und damit zum sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft beizutragen. Der Verkauf von Häusern befreite die Bauherren zudem von der Verpflichtung, Instandhaltungskosten zu tragen. Dennoch führte der wachsende Bedarf an Wohnraum für die finanziell schwächsten Bevölkerungsgruppen dazu, dass die Stadt Esch nach und nach weitere Gebäude mit Mietwohnungen baute oder ankaufte. Zwischen 1947 und 1956 ließ sie 211 Einfamilienhäuser und 21 Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 355 Wohnungen in Esch errichten. Die Gemeinde verlangte nur geringe Mieten, einerseits aus ihrer sozialen Zielsetzung heraus, andererseits in der Hoffnung, einen Einfluss auf die Preise auf dem freien Markt nehmen zu können. Im Jahre 1956 waren noch 345 Familien als Wohnungssuchende registriert.

Ein schönes Beispiel für den Sozialwohnungsbau der Stadt ist die vom Stadtarchitekten Robert van Hulle (1906-2003) geplante Cité Lallingerpesch. Sie wurde in den Jahren 1954-1955 von den Firmen Zambelli & Cie, Jean Bregoli und Marco Moia & Fils gebaut. Mit seinem kompakten Volumen, der puristischen Fassadengliederung und den flach geneigten Dächern repräsentierte der Gebäudekomplex den in den 1950er Jahren angesagten Baustil. Die Wohnungen entsprachen außerdem voll und ganz den Anforderungen der damaligen Zeit in Bezug auf Hygiene und Komfort.

Laut Raymond Vouels Publikation „Le nouveau visage de la ville d’Esch-sur-Alzette“ (Das neue Gesicht von Esch/Alzette) „[könnte] die Cité Lallingerpesch von sich behaupten, eine der brillantesten Errungenschaften der Nachkriegszeit zu sein“. Sie bestand aus vier Gebäuden, einem Ladenpavillon und einer Schule. Letztere wurde nach 2000 zu einem großen Schulkomplex mit „Maison relais“ erweitert. Zwei der vierstöckigen Wohngebäude stehen einander gegenüber, im rechten Winkel zum Boulevard Pierre Dupong, sodass Raum für einen kleinen, mit Bäumen bepflanzten Platz bleibt. Die Gebäude verfügen jeweils über 16 Wohnungen, die über zwei Treppenhäuser zu erreichen sind. Die Wohnungen haben zwei oder drei Schlafzimmer, eine Küche und ein Badezimmer. Die meisten von ihnen sind mit einem kleinen Balkon oder einer Loggia ausgestattet. Die beiden Gebäude sind jedoch nicht identisch, da die Fassaden unterschiedlich angeordnet sind. Der ursprüngliche Giebeldekor ist bei der Renovierung der Fassaden verschwunden. Seit 2017 ist eine der Wohnanlagen mit einem im Rahmen des 2014 von der Kulturfabrik initiierten Projekts Kufa’s Urban Art realisierten Graffito von Natalia Rak (P) verziert.

Die beiden anderen Gebäude liegen zurückversetzt und parallel zum Boulevard. Sie sollten an ältere Menschen vermietet werden. Jedes von ihnen verfügt über vier Wohnungen mit Küche, Bad und einem Schlafzimmer sowie eine Garage. Die ehemaligen Fahrradunterstände werden nun als Carport genutzt.

Alle Wohnungen hatten von Anfang an Ölzentralheizung und waren an eine Gemeinschaftsantenne angeschlossen. Die gemeinsame Waschküche war mit automatischen Waschmaschinen und Bügelmaschinen ausgestattet. Diese Ausrüstung sollte ebenso wie das Geschäft im Pavillon „die Aufgaben der Hausfrauen erleichtern“. Der Pavillon beherbergte vorübergehend ein Postamt.