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Die am 8. März 2024 erfolgte Einschreibung des Rechts auf Schwangerschaftsunterbrechung in die französische Verfassung stellt zweifellos eine sehr wichtige Etappe im Kampf um die Verbesserung der Frauenrechte dar. Dass dies möglich wurde, ist dem ausdauerhaften Engagement vieler feministischer Organisationen und linker Parteien zu verdanken. Im Laufe dieses Kampfes stieg die Zustimmung zu dieser Idee in der französischen Zivilgesellschaft derart an, dass auch Präsident Emmanuel Macron das Thema aufgriff und veranlasste, dass Frankreich als erstes Land der Welt dieses elementare Frauenrecht in seiner Verfassung verankerte.

Alle Länder der Europäischen Union sollten sich in der Tat in diesem Zusammenhang an Frankreich inspirieren. Ich möchte an dieser Stelle Frau Ministerin Yuriko Backes, der bekanntlich bei Amtsantritt erfreulicherweise von ihrer Vorgängerin bescheinigt wurde, überzeugte Feministin zu sein, einladen, die diesbezüglich erforderlichen Schritte in Luxemburg einzuleiten. Setzen Sie ein Zeichen, Frau Backes! Insbesondere in einer Zeit, in der ewiggestrige Politiker weltweit wieder an Zustimmung gewinnen, ist es unbedingt erforderlich, die elementaren Frauenrechte gut abzusichern.

Der uneingeschränkt positiv zu bewertende Umstand, dass das Recht auf Abtreibung mittlerweile in der französischen Verfassung verankert ist, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Frankreich, genau wie in vielen anderen Länder der EU bezüglich Frauenrechte immer noch vieles im Argen liegt.

So ist vielerorts immer noch schwierig, eine(n) Ärztin/Arzt zu finden, welche/welcher denn bereit ist, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Zum Teil wird die Lage durch Privatisierungen im Gesundheitssystem sogar noch zusätzlich verschärft.

Mir ist zudem völlig unverständlich, dass medizinisches Personal, welches über die erforderliche Qualifikation verfügt, einen Schwangerschaftsabbruch ablehnen darf. Das ist doch unterlassene Hilfeleistung und müsste mit einem Entzug der Zulassung geahndet werden. In diesem Bereich drängen sich demnach Anpassungen in der Gesetzgebung auf.

Jede Frau muss das Recht haben, völlig selbstständig, unabhängig und ohne jegliche Einschränkungen (etwa obligatorische Beratung usw.), über einen Schwangerschaftsabbruch innerhalb der gesetzlich geregelten Fristen zu entscheiden (My body, my choice!). Männer haben diesbezüglich keinerlei Mitspracherecht!

Ein Wort an die Abtreibungsgegner*innen: Ich möchte betonen, dass es sich in diesem Kontext um ein Abtreibungsrecht handelt! Frauen steht selbstredend das Recht zu, für sich selbst dieses Recht nicht in Anspruch zu nehmen, diese persönliche Entscheidung ist absolut zu respektieren und wird auch mit Sicherheit von keinem/er Abtreibungsbefürworter*in beanstandet. Allerdings ist es völlig inakzeptabel, dass Abtreibungsgegner*innen versuchen, anderen Menschen ihre persönliche Überzeugung aufzuzwingen.

Das rezente Engagement von Emmanuel Macron im Sinne der Frauenrechte darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er dies wohl hauptsächlich deshalb gemacht hat, weil die Zustimmung zum Thema innerhalb der französischen Bevölkerung sehr hoch ist. Dagegen hat Macron z.B. gemeinsam mit dem deutschen Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vor wenigen Wochen die europaweite Einführung der Konsensregel („Nur Ja heißt Ja“-Regel; siehe dazu auch den Artikel „Warum ,Nein heißt Nein‘ nicht reicht“ von Liz Mathey, erschienen im Tageblatt-Forum vom 2. Februar 2024) verhindert. Vor wenigen Tagen tat er allerdings überraschenderweise kund, dass er bereit sei, die „Nur Ja heißt Ja“-Regel in die französische Gesetzgebung aufzunehmen; die Zeitung l’Humanité kommentierte dies mit den Worten, dass Macron derzeit wohl alles tut, um seine Politik als fortschrittlich erscheinen zu lassen. Unvergessen, zudem Macrons schändliches Verhalten in der Angelegenheit Depardieu.

Die Aufnahme des Femizids als Straftat in die Strafgesetzgebung aller EU-Länder ist längst überfällig und somit ein weiterer wichtiger Punkt, der zeitnah auf der Tagesordnung stehen muss. Gleiches gilt für die „Nur Ja heißt Ja“-Regel. Besonders gefordert in diesem Kontext sind unsere Ministerinnen Yuriko Backes und Elisabeth Margue, es bleibt demnach viel zu tun, packen Sie’s an!

In Zeiten von Stimmenzuwächsen von rechtsextremen Parteien ist es bei der bevorstehenden Europawahl wichtiger denn je, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen und darauf zu achten, mit seiner Stimme exklusiv jene Parteien und Parlamentarier*innen zu stärken, welche sich konsequent für eine freie und tolerante Gesellschaft einsetzen, für eine Gesellschaft, die für alle Menschen, völlig unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Hautfarbe, Nationalität, Herkunft, Religion usw. gleichermaßen lebenswert ist! Diversity stellt einen Gewinn für alle dar und macht unsere Gesellschaft lebenswert!

Sollten die rechtsradikalen Parteien an Stärke gewinnen, so ist die Gefahr hingegen real, dass künftig die Rechte von Frauen, LGTBQIA+-Community, „Ausländern“, religiösen Minderheiten, kurzum von allen, die diesen braunen Gesellen*innen nicht ins Konzept passen, radikal eingeschränkt werden.

Dass ultrarechte Parteien wie etwa RN, AFD, ADR, FPÖ, Fratelli d’Italia, Lega & Co. für Wähler*innen, welchen die Menschenrechte im Allgemeinen und die Rechte der vorgenannten Gruppen im Besonderen wichtig sind, nicht wählbar sind, muss wohl nicht speziell erklärt werden, ein einfacher Blick in deren generell menschenverachtende Programme und Veröffentlichungen sowie die von ihnen verwendete Sprache genügen zur Entlarvung ihrer Absichten völlig.

Wähler*innen dieser Parteien, Ihr müsst Euch im Klaren sein, dass Ihr bewusst rechtsextrem wählt, Euch also bewusst gegen die Menschenrechte und somit sogar gegen Eure eigenen Interessen entscheidet! Dass ihr einfach aus Protest gegen die „etablierten Parteien“ rechtsextrem gewählt habt, ohne selbst rechtsextrem zu sein, kauft Euch niemand mehr ab! Es gilt der Spruch: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.“

Allerdings ist seit geraumer Zeit auch eine Verschiebung nach rechts bei vielen anderen Parteien, ob Konservative, Sozialdemokraten oder Grüne, zu verzeichnen, was eigentlich noch besorgniserregender ist. Das von den Rechtsextremen versprühte Gift wirkt somit bis in diese Kreise hinein.

So hat zum Beispiel die Europäische Volkspartei (EVP), der u.a. die deutsche CDU und die luxemburgische CSV angehören, sich rezent dafür ausgesprochen, künftig Asylverfahren in „einem sicheren Drittland“ durchzuführen, was etwa dem britischen „Ruanda-Modell“ entspricht. Solche Überlegungen sind einfach skandalös und aus Sicht der Menschenrechte strikt abzulehnen! Zwar hat die luxemburgische CSV sich von diesem spezifischen Programmpunkt distanziert, jedoch zu keinem Zeitpunkt deswegen ihren Verbleib in der EVP infrage gestellt.

Dieser Umstand, kombiniert mit der derzeit von der CSV seit Regierungseintritt verfolgten Politik (siehe populistisches Bettelverbot auf Kosten der Ärmsten unserer Gesellschaft, populistische Bemerkungen seitens CSV-Politiker*innen usw.), lassen vermuten, dass die CSV sich derzeit einer ultrakonservativen Politik verschrieben hat, welche künftig weder von christlichen noch von sozialen Werten geprägt sein wird.

Für fortschrittlich gesinnte Wähler*innen, welchen eine freie und tolerante Gesellschaft am Herzen liegt, wird die derzeitige CSV demnach wohl kaum noch eine wählbare Option darstellen.

Erschreckend ist ebenfalls, dass die DP als liberale Partei die neue Regierungslinie mitträgt – oder steht das Wort „liberal“ bei der DP etwa nur noch für „wirtschaftsliberal“?

Unter den derzeitigen Luxemburger EU-Parlamentarier*innen möchte ich besonders Marc Angel (LSAP) und Tilly Metz („déi gréng“) positiv für ihr Engagement im Sinne der Frauenrechte und der Rechte der LGTBQIA+-Community hervorheben. Es wäre gut, wenn die beiden am 9. Juni einen weiteren Auftrag erhielten, unsere Interessen im EU-Parlament zu vertreten.

Lasst uns am 9. Juni 2024 unser Wahlrecht ausnutzen und klar für eine offene, tolerante und pluralistische Gesellschaft in einem freien Europa wählen!

Auf den Listen der Parteien „déi Lenk“, „déi gréng“ und LSAP stellen sich genügend Kandidaten*innen zur Wahl, denen diese gesellschaftspolitischen Aspekte am Herzen liegen. Sie verdienen unsere Unterstützung!