KunsteckeFormen, Symbole und Farben kombiniert gesetzt: Michels-Ausstellung im Ratskeller

Kunstecke / Formen, Symbole und Farben kombiniert gesetzt: Michels-Ausstellung im Ratskeller
Gast Michels, porträtiert von Jochen Herling Foto: Jochen Herling

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Unter der Federführung des MNHA und unter dem Titel „Movement in Colour, Form and Symbols“ wird nicht nur mit zwei Ausstellungen im Museum und im Cercle Cité, Ratskeller des allzu früh im Alter von 59 Jahren verstorbenen Künstlers Gast Michels gedacht. Konferenzen, Rundtischgespräche, Sonderführungen und gar eine Müllerthal-Wanderung auf den Spuren von Gast Michels sowie ein gediegener Katalog runden das Programm ab. Kunstlehrer, unabhängiger und eigensinniger Künstler – Gast Michels pochte auf seine Freiheit und erfand eine eigene Zeichen- und Bildersprache. Sein Œuvre bedarf Erläuterungen, ist offen für Interpretationen.

Zeichnen Lis Hausemer und Ruud Priems für die Ausstellung im Museum für Geschichte und Kunst verantwortlich, so kuratiert Paul Bertemes die Expo im Ratskeller. Gast Michels wird als „bemerkenswerter scharfer Beobachter seiner Umwelt“ bezeichnet, ein Künstler, der seine so gewonnenen Erkenntnisse in „seinen eigenen formalen Kosmos“ übersetzte. Er kombinierte von ihm geschaffene Figuren und Symbole mit eigenartigen Formen. Er setzte kuriose, manchmal ganz unterschiedliche Farbakzente. Bei seinen grafischen Arbeiten und Collagen vermischte er oft Realität und Fiktion, sodass interpretationsreiche, aber ausdrucksstarke Werke entstanden sind. Da Michels sein Umfeld gerne in stilisierter Form in eigener ironischer Bildsprache umdeutete und dabei gerne Kurioses hervorhob, sprechen seine Arbeiten selbst weniger auf Abstraktion fixierte Betrachter an.

Zeichenlehre im Ratskeller

Rund 35 bildliche Arbeiten und sieben minimalistisch gehaltene Skulpturen/Objekte umfasst die Ausstellung im Cercle Cité Ratskeller. Neben amüsanten Zeichnungen auf Bierdeckeln und Skizzen in seinen Heften (Sketchbooks) sowie anderen Zeichnungen überzeugen hier die serienweise thematisch und/oder farbenmäßig gruppierten Grafiken, die vorwiegend die Zeichen- und Symbolsprache des Künstlers zum Tragen bringen. Interessant ist, wie der Künstler, egal in welcher Stimmungslage er sich befand, stets aufgelockerte und doch strukturierte Kompositionen auf Papier, Karton oder Leinwand zauberte. In einigen Arbeiten setzte er die Collage-Technik ein. Wichtige Elemente in den Werken im Ratskeller sind seine Pfeile. Weitere Momente sind die aufgezeichneten Dinge des Alltags, die verfremdeten Visagen, die enigmatischen Farbtupfer und natürlich die Kombinationsgabe des Künstlers, der die Fähigkeit besaß, schnell zu erfassen, um im Nachhinein überlegt Dinge miteinander zu verflechten, um so ein manchmal chaotisch anmutendes, in fine aber „geplant“ erscheinendes Bild entstehen zu lassen. Neben ein paar kompakteren Bronze-Skulpturen präsentiert die gediegene Schau im Ratskeller auch Skulpturen, wo etwa „Pfeil“ und „Linie“ einfach zu einem neuen Ganzen spritzig und raumergreifend zusammengeführt sind.

Vom Tafelbild zur Wandmalerei

Im zweiten Stockwerk des MNHA haben die Kuratoren vorwiegend seine in Öl und Acryl gemalte Unikate auf Leinwand, einige Skulpturen und einen Wandteppich versammelt. Von mit gestisch sicherem Strich realisierten Landschaften in kräftigen Farben bis hin zu spaßigen Zeichnungen und abstrakten Kompositionen mit Symbolen, Zeichen und diversen Formen sowie eigenartigen grellen Farbwolken, alles Attribute, die den faszinierenden Weg des Künstlers nachempfinden und charakteristisch für seine einzelnen Schaffensperioden sind. Erst in reiferen Jahren, ab den 80ern bis hin zu den 2010er-Jahren, wagte Gast Michels sich an monumentale Werke, darunter ein immens großer Wandteppich, den übrigens eine Bank für die Expo ausgeliehen hat. Zahlreiche Werke stammen aus dem Gast Michels Estate.

Allzu früher Tod

Gast Michels, der von 1954 bis 2013 gelebt hat, starb an einer unbarmherzigen Krankheit in seiner Wahlheimat Frankreich. Geboren in Echternach, Grundschule in Consdorf, verband ihn eine enge Beziehung zum Müllerthal (siehe Wanderung im November und im Januar). Nach Studien in Lüttich war er Kunstlehrer in Düdelingen und am „Arts et métiers“ in Luxemburg-Stadt, heiratete 1980 und war Vater von zwei Söhnen. 1983 erhielt er den Preis der XI. Jugendbiennale in Esch/Alzette und qualifizierte sich für eine Künstlerresidenz in der „Cité des arts“ in Paris. Ab 1983-84 hatte er erste Solo-Expos in Wavre und Brüssel, später ab 1985 in der Galerie d’Art Municipale in Esch/Alzette. 1987 bekam er den „Prix de Raville“ beim CAL Salon. Dies bewegte ihn, die Ausarbeitung der eigenen Bildsprache mit stilisierten Symbolen voranzutreiben und zum Austritt aus dem Berufsleben als Kunstlehrer. Er stellte alsdann mehrmals in der Galerie de Luxembourg bei Jean Aulner aus, erweiterte seine Techniken mit dem Einsatz des Computers. Nach einem privaten Schicksalsschlag, seine Frau verstarb 1996, wandte er sich neuartigen Malereien und Skulpturen zu. Eine Retrospektive im Jahr 2000 in Esch/Alzette, weitere Solo-Schauen und eine Wandfreske von 258 m2 für die Stadt Luxemburg im Jahr 2006 folgten, bevor er 2009 in seine neue Wahlheimat Vaison-La-Romaine in Frankreich umzog. Von seiner nun ausgebrochenen schweren Krankheit erholte er sich nicht mehr und starb am 5. Februar in Marseille.

Breites Begleitprogramm

Das Programmheft „Museomag“ enthält ein interessantes Gespräch mit seinen Söhnen Frank und Michel. Die Ausstellungen werden von einem umfassenden Begleitprogramm flankiert, allein im Dezember gibt es vier Sonderführungen (eine im Ratskeller am 11.12. und drei im MNHA), derweil für den 20. Januar 2023 im Cercle Cité ein Rundtischgespräch zur Nachlassverwaltung von Künstlern mit den beiden Michels-Söhnen sowie Jamie Armstrong, Marlène Kreins und Dr. Andreas Bayer geplant ist. Moderation: Paul Bertemes. Über alle Veranstaltungen am Rande der Gast-Michels-Retrospektive kann man sich beim MNHA und dem Cercle Cité informieren. Wer mehr über den Nachlass von Gast Michels erfahren möchte, darf die Webseite www.gastmichels.org einsehen.

Info

Die zweigliedrige Retrospektive des Werkes von Gast Michels anlässlich seines zehnten Todestages dauert bis zum 22. Januar im Ratskeller und bis zum 26. März 2023 in MNHA. Der Eintritt ist frei. Kunstliebhaber sollten beide Ausstellungen nicht verpassen.