EditorialWM in Katar: In den Sand gesetzt, Teil II

Editorial / WM in Katar: In den Sand gesetzt, Teil II
 Foto: dpa/Sina Schuldt

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„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gänzlich ungeniert. Die FIFA-Oberen haben eine Chance verpasst, zu beweisen, dass Geld nicht die Welt regiert. Nach dem kürzlich mit zwei Ausschlüssen zu Ende gegangenen Korruptionsskandal und den jüngsten Verdächtigungen stimmten trotzdem 22 Personen, ohne mit der Wimper zu zucken, über Milliarden-Investitionen ab. Darunter die drei rezent Verdächtigten … und ein Schwarzmarkt-Händler der WM 2006. Wer scheinbar problemlos mit Milliarden hantiert, dürfte wohl auch das eine oder andere Milliönchen locker sitzen haben, um hie und da nachzuhelfen, dass man seine Milliarden auch wirklich ausgeben darf.

Das darf nun der Golfstaat Katar – und wie! Bei 50 Grad in der Wüstensonne Sport zu treiben, ist nicht unbedingt empfehlenswert. Also werden die Stadien eben klimatisiert. Man will die WM unbedingt, da wird dann auch mal versucht, der Natur ein Schnippchen zu schlagen. Apropos Natur: Über die CO2-Bilanz von zwölf voll klimatisierten Stadien wollen wir lieber gar nicht erst spekulieren. Zusammengenommen mutet das Ganze fast schon pervers an. Dabei geht es doch nur um Sport. Oder … geht es wirklich noch um Sport?“ 

Sie haben es sicher gemerkt, die ersten beiden Abschnitte dieses Textes sind kopiert. Sie stammen aus dem Tageblatt vom 3. Dezember 2010. Titel des Aufmachers damals: „In den Sand gesetzt“. Tags zuvor hatte die Doppelvergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland und Katar stattgefunden. Soll also niemand sagen, dass sich 2010 die Empörung über die am Sonntag beginnende Fußball-Weltmeisterschaft in Katar in Grenzen hielt. Schon damals wusste man, dass die WM-Vergabe erkauft worden war. Schon damals wusste man über die Pläne, die acht Stadien zu klimatisieren. Schon damals war Homosexualität in Katar unter Strafe gestellt und schon damals stand es schlecht um die Rechte der Frauen im Emirat. Dass der Ruf nach einem Boykott der WM erst seit einigen Monaten verstärkt aufkam und zum großen Thema wurde, liegt in der Natur des Menschen. Je näher ein Ereignis rückt, desto größer wird die Aufmerksamkeit.

In den Jahren danach kam ein weiterer schwerwiegender Vorwurf auf: die Ausbeutung der Gastarbeiter auf den WM-Baustellen. Dass durch statistische Taschenspielertricks die wahre Anzahl der Toten beim Stadionbau vertuscht wird, und zwar mithilfe des FIFA-Präsidenten, ist ein riesiger Skandal. Wer meint, dass das Turnier dazu beiträgt, die Arbeitsbedingungen in Katar dauerhaft zu verbessern, ist auf dem Holzweg. Sobald die Weltöffentlichkeit nicht mehr so genau hinschaut, wird das Regime in alte Muster verfallen. Oder hat die Austragung der Olympischen Spiele in Peking 2008 zu einer Verbesserung der Menschenrechte in China geführt? Haben die Spiele von Sotschi 2014 und die WM 2018 aus Russland ein besseres Land gemacht? 

Fazit: Fußball wird oft als schönste Nebensache der Welt umschrieben. Aber unbeschwert genießen kann man die Winter-Weltmeisterschaft in Katar wohl kaum. Sie ist ein Fake, ein Schwindel und steht für alles, was am modernen Fußball verabscheuungswürdig ist. 

Lesen Sie auch:
https://www.tageblatt.lu/headlines/ein-furchtbarer-kater/
https://www.tageblatt.lu/headlines/gegen-den-fifa-strom-warum-man-nicht-gehorchen-muss/

Robert Hottua
21. November 2022 - 7.44

Ein anderes Beispiel für Doppelmoral: Luxemburg. Ab 1933: Befürwortung von Nazifanatismus. Ab 1945 bis heute: Befürwortung von geschichtsvergessendem Politikpragmatismus. Die Opfer: inexistent. MfG Robert Hottua

JJ
20. November 2022 - 10.38

Die "Schlichtgestalt" Beckenbauer hat doch bestätigt,dass er in Katar keine Arbeiter an Ketten gesehen hatte oder tote und verletzte Sklaven!! Solche Äusserungen grenzen schon an Hohn und Niedertracht. Die heutigen semantischen Ergüsse des glatzköpfigen Infantino bestätigen das. Er ist sich nicht zu schade um von Doppelmoral zu reden,während selbst ein S.Blatter von "Fehlentscheidung" spricht. Aber solange Korruption ein Kavaliersdelikt bleibt können wir nicht mit Besserung rechnen. Die Kameltreiber können ja jetzt ihre Milliarden an die Länder zahlen die demnächst im Meer versinken oder verbrennen,während sie ihre Stadien klimatisieren. DAS ist Doppelmoral.