ParlamentDie Frage um den Apfel: Die Verschuldung des Staates im Fokus der Budgetdebatten

Parlament / Die Frage um den Apfel: Die Verschuldung des Staates im Fokus der Budgetdebatten
Die Budgetdebatten werden heute fortgesetzt Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das Parlament hat am Mittwoch sein Budget-Marathon fortgesetzt. Der Vorstellung der Haushaltsvorlage durch Berichterstatter François Benoy („déi gréng“) folgten gestern nach der Stellungnahme von Finanzminister Pierre Gramegna (DP) die Einschätzungen der Fraktionen.

CSV-Fraktionschefin Martine Hansen lüftete das Geheimnis, wenn es denn eins gewesen sein sollte, gleich zu Beginn: Ihre Partei habe kein Vertrauen in das Staatsbudget der Regierung. Es handele sich eher um ein Übergangs- denn um ein Gestaltungsbudget für die Zukunft, was Menschen und Betriebe jedoch bräuchten, so die Abgeordnete. In etlichen Punkten stimmte sie der Mehrheitspolitik dennoch zu, sei es bei den weiterhin hohen Investitionen, bei der Hilfe für Betriebe und Privatpersonen während der Pandemie oder bei der Ablehnung einer Austeritätspolitik.

Budgetberichterstatter François Benoy („déi gréng“) habe sich für einen starken Staat ausgesprochen. Aber es reiche nicht nur, darüber zu reden, so Hansen. Man müsse auch die Menschen stärken, damit sie stark aus der Krise treten könnten. Doch im Budget finde man nur halbherzige Maßnahmen. Die Regierung bekenne sich zur Solidarität zwischen Arm und Reich, aber die Einkommensschere öffne sich weiter. Sie wolle das Wohnungsmarktproblem lösen, dennoch stiegen die Immobilienpreise unvermindert an.

„Keen Apel fir den Duuscht“

Der schwerwiegendste Vorwurf der Fraktionschefin lautete, die Regierung habe in guten Zeiten „keen Apel fir den Duuscht“ zurückgelegt. Die Staatsschuld explodiere, so Hansen. Man müsse sie in den Griff bekommen, ansonsten sei ein starker Staat nicht zu erhalten. Bis 2007 habe sich die Staatsschuld auf acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen, dann brach die Finanzkrise aus und 2013 belief sich die Staatsverschuldung auf 23 Prozent. Seitdem sei die Staatsschuld in absoluten Zahlen laufend nach oben gestiegen. Das sei kein Corona-Effekt, so Hansen, sondern ein „carpe diem“-Effekt der Regierung. Eine These, die ihr Parteikollege Gilles Roth später anhand von Gutachten von Berufskammern und anderen Institutionen untermauern sollte. In drei Jahren habe sich die Verschuldung verdoppelt.

2023 übersteige die Verschuldungsquote 30 Prozent des BIP, so Hansen. Man sei damit noch weit von den Maastricht-Kriterien, dennoch müsse man als kleines Land diese Evolution im Auge behalten, mahnte sie. Man werfe der Regierung keineswegs vor, dass die Staatsschuld während der Krise zunehme. Austeritätspolitik sei auch nicht angebracht. Nur habe die Regierung nicht vorausschauend gehandelt. Wirtschaft und Menschen müssten unterstützt werden. Benötigt werde jedoch ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Man sollte die Krise als Gelegenheit für mehr qualitatives Wachstum nutzen. Für den ökonomischen Aufschwung sollten Investitionen hochgehalten werden. Um die Umsetzung von Projekten zu beschleunigen, sollten die administrativen Prozeduren vereinfacht werden.

Gilles Baum (DP) wies als erster Redner der Regierungsmehrheit jeglichen Vorwurf schlechter Finanzpolitik zurück. Jeder geliehene und investierte Euro helfe aus der Krise, so der liberale Fraktionschef. 2013 lag die Staatsverschuldung bei 23,7 Prozent des BIP, 21,4 Prozent bei 2018. Ohne Covid-Krise wäre die Verschuldungsquote dieses Jahr unter 20 Prozent gefallen. Und das bei Rekordinvestitionen in Klimaschutz und Sozialpolitik, die diesen Namen auch verdiene.

Steuer auf Vermögen

LSAP-Fraktionspräsident Georges Engel regte eine Diskussion über neue Steuereinnahmen an. Eine Debatte über Steuergerechtigkeit sei legitim. Dazu habe seine Partei eine Orientierungsdebatte angefragt. Eine wie in Frankreich und Österreich eingeführte Digitalsteuer lehnt Engel jedoch ab. Eine nationale digitale Steuern bringe nichts. Die beste Lösung sei eine auf OECD-Niveau getroffene. Dahingehend sollte die Regierung wirken.

Unmissverständlich sprach sich der sozialistische Abgeordnete jedoch für eine Steuer auf hohe Vermögen aus. Das dürfe kein Tabuthema sein. Dabei würde derlei Maßnahme nach LSAP-Sichtweise nicht die kleinen Familien treffen, die sich eine Immobilie angeschafft hätten. Für sie würde ein Freibetrag von zwei bis drei Millionen Euro gelten. Betroffen wären die wirklich großen Vermögen. Sie sollten einen größeren Beitrag für die Allgemeinheit leisten.

Diese Koalition habe durchaus einen „Apel fir den Duuscht“, so Engel und zählte dabei u.a. den „Fonds des routes“, den „Fonds des rails“, den „Fonds climat“ und den 2016 geschaffenen, mehrere Hundert Millionen Euro schweren „Fonds intergénération“. Als die Dreierkoalition 2013 antrat, habe der Zentralstaat ein Defizit von 500 Millionen Euro auf. Daraus sei ein Plus von 500 Millionen Euro geworden, so der LSAP-Sprecher.

Fernand Kartheiser (ADR) warf seinerseits der Regierung eine unrealistische grüne Politik vor. Sie hypothekiere die Zukunft der Jugend, schade der Umwelt mehr, als sie nutze. Der CSV-Kritik stimmte er zu, die Regierung habe es verpasst, in guten Zeiten Reserven anzulegen. Der aktuelle ökonomische Rückgang sei auf politische Entscheidungen im Rahmen der sanitären Krise zurückzuführen.

ADR gegen Desindexierung der CO2-Steuer

Man könne nicht immer wieder Schulden machen, mahnte Kartheiser. Gleichzeitig lehne seine Partei Steuererhöhungen ab. Die Grünen würden die neue CO2-Steuer feiern. Sie solle dazu beitragen, den Tanktourismus zu bekämpfen. Dann werde mehr im Ausland getankt, so Kartheiser. Dem Klima sei es egal, wo getankt werde, für Luxemburg bedeute dies jedoch weniger Einnahmen. Kartheiser sollte der Erste sein, der sich gestern im Plenum gegen die Desindexierung der CO2-Steuer aussprach.

Finanzminister Pierre Gramegna (DP) hatte am Vortag von einem außerordentlichen Budget für außerordentliche Zeiten gesprochen. Ein weiterer Slogan, so David Wagner („déi Lénk“). Außerordentlich sei allein die Unfähigkeit der Regierung, mit der Situation umzugehen. Bei den hohen öffentlichen Investierungen, derer sich die Regierung rühmt, müssten jene abgezogen werden, die ohnehin für den Erhalt der Infrastruktur notwendig sind. Bei den Nettoinvestitionen liege man dann bei 1,5 bis 2 Prozent des BIP. In der Vergangenheit sei dieser Anteil höher gewesen, so Wagner, der von einer Mogelpackung spricht.

Investiert werden müsse weiterhin, aber nicht dank neuer Anleihen. Vielmehr sollte man das Geld dort nehmen, wo es „massiv vorhanden ist“. Das sei auch in Luxemburg der Fall, so Wagner. Der Reichtum müsse besteuert werden. Daher fordert „déi Lénk“ eine Reichensteuer und die Besteuerung des Kapitals. Schlupflöcher müssten geschlossen werden. Dem Parlament sollte eine Liste aller Steuerschlupflöcher vorgelegt werden.

Die neue CO2-Steuer treffe die Falschen und trage nicht wesentlich zu einer CO2-Senkung bei, so Wagner. Deren Neutralisierung im Index sei zudem unsozial.

Dramatische Folgen für Gemeinden

Eine Ansicht, die Sven Clement („Piratepartei“) teilte. Seine Partei sei wohl mit dem Prinzip CO2-Steuer einverstanden, bloß dürfe sie nicht die Einkommensschwachen treffen. Die Kompensierungsmaßnahmen seien unzureichend. Diese Menschen könnten sich kein Elektro-Auto oder eine moderne, energieeffizientere Heizung leisten. Die neue CO2-Steuer werde sie zusätzlich belasten. Diese Regierung habe Probleme damit, ihre Politik sozial gerecht zu gestalten.

Die Frage der Indexneutralisierung der CO2-Abgabe nutzte Gilles Roth (CSV), um insbesondere die LSAP zu kritisieren. Diese habe sich in der Vergangenheit stets gegen Indexmanipulationen geäußert. Das sei jetzt nicht mehr der Fall.

Der „Apel fir den Duuscht“ sollte zu später Stunde auch den „député-maire“ von Käerjeng, Michel Wolter (CSV), beschäftigen. Durch die Mindereinnahmen und Zusatzausgaben des Staates werden die Zuwendungen aus dem staatlichen Dotationsfonds an die Gemeinde spürbar zurückgefahren. 420 Millionen Euro würden aus dem Kreislauf genommen, so Wolter. Das führe zu dramatischen Folgen. Ein paar Gemeinden gehe es ganz gut. Die haben massive Reserven. Rund 20 bis 25 hätten einen „Apel fir den Duuscht“. 50 bis 70 hätten keinen „Apel“. Sie würden im Rhythmus der Staatszuwendungen leben, ohne Eigenmittel. Bei denen würden schnell die Lichter ausgehen. Den Gemeinden würde ein Großteil ihrer Finanzkapazität genommen, sagte Wolter und nannte dabei das Beispiel Käerjeng. Um die geplanten Investitionen zu tätigen, müsse seine Gemeinde wohl eine Anleihe aufnehmen. Und das werde wohl für viele andere zutreffen. Zumal viele Projekte bereits begonnen wurden.

Dabei würden die Gemeinden Aufgaben im Namen des Staates übernehmen, so bei den Schulen und „Maisons relais“, bei der Abwasserklärung oder beim Feuerwehrwesen und beim Zivilschutz. Die Subsidien würden dabei im Verhältnis zu den notwendigen Ausgaben reduziert. Der Staat müsse die Gemeinden unterstützen. Die Regierung sollte im Auftrag der Gemeinden eine Anleihe tätigen und ihnen das Geld zur Verfügung stellen.

Die allgemeine Budgetdebatte wird am 17. Dezember fortgesetzt.

Nicole Kremer
17. Dezember 2020 - 18.56

Wëllt d'Regierung d'Rente kierzen? Leed geet net duer. Den Dan fänkt un d'Sue am Parlament ze schneiden, Dan Hud der genuch Suen am Statut.

Knutschfleck
17. Dezember 2020 - 11.28

Flott wär et wann mol 1 eenzeg Saach am Land géif geléist ginn. Virun 15 Joer war den öffentlechen Dengscht nach eng Maschinn, haut sinn et just nach Zännrieder bzw. Chantieren. Ech soen dofir eisen Chef-Posten villmols merci. Dir kennt mech jo sowiesou schonn all hei um Tageblatt, ech kréien es einfach net genuch fir géint eis Führungsriege ze wetteren well ech am öffentlechen Dengscht 6 ultraschéin Joer verbruecht hunn bis et 2010 doremmer just nach em Vetternwirtschaft a Mobbing gaang ass. D'CSV huet seng Kanner nach gudd ennerbruecht.