Als die Hakenkreuz-Fahne auf dem Escher Rathaus wehte: Der Kreis, der Kreisleiter, die Landräte

Als die Hakenkreuz-Fahne auf dem Escher Rathaus wehte: Der Kreis, der Kreisleiter, die Landräte

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„Als die Hakenkreuz-Fahne auf dem Escher Stadthaus wehte“: In einer dreiteiligen Serie beleuchtet Jos. A. Massard, Ehrenbürgermeister von Echternach, die Geschichte der Stadt Esch unter der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Im dritten und letzten Teil geht es heute um die Nazischergen in der lokalen Verwaltung. 

Von Jos. A. Massard

Durch die Verordnung von Gauleiter Gustav Simon, Chef der Zivilverwaltung (CdZ), vom 14. November 1940 betreffend den Verwaltungsaufbau in Luxemburg wurden aus den bisherigen luxemburgischen Distrikten Landkreise nach deutschem Modell: der Landkreis Esch mit Sitz in Esch, der Landkreis Diekirch mit Sitz in Diekirch und der Landkreis Grevenmacher mit Sitz in Grevenmacher. Die Stadt Luxemburg war als kreisfreie Stadt aus den Landkreisen ausgesondert.

Die bisherigen deutschen Verwaltungskommissare wurden Landräte, der Kommissar für die kommunale Verwaltung der Stadt Luxemburg wurde Oberbürgermeister der Stadt. Der Kreis Esch war eingeteilt in die Städte Esch, Differdingen und Düdelingen sowie die Ämter Rümelingen, Bettemburg, Esch-Land, Luxemburg-Land, Petingen, Steinfort und Mersch, in denen jeweils mehrere Gemeinden zusammengefasst waren. Im April 1943 wurden die Kommunen Strassen, Walferdingen und Hesperingen aus dem Landkreis Esch ausgesondert und in die Stadt Luxemburg eingegliedert.

Die NSDAP-Parteistrukturen spiegelten diese Verwaltungseinteilung wider, mit Kreisleitern als Hoheitsträger der Partei mit einer eigenen Dienststelle, der Kreisleitung.

Kreisleiter Diehl

An der Spitze des Kreises Esch stand Kreisleiter Wilhelm Diehl; der Sitz der Kreisleitung befand sich in der Adolf-Hitler-Straße (Alzettestraße). Diehl war Mitglied der NSDAP seit November 1932. Seit März 1933 war er Kreisamtsleiter für Erziehung bei der Kreisleitung Trier und seit April 1940 M-Kreisleiter (Mobilmachungs-Kreisleiter) in Bernkastel. Anfang September 1940 kam er nach Luxemburg als Referent des Volksschulwesens beim CdZ, eine Funktion, die er bis zum 1. Mai 1942 ausübte. Kreisleiter von Esch war er ab Oktober 1940. Anfang September 1944 setzte er sich heim ins Reich ab und kehrte für eine kurze Zeit – vom 15. September 1944 bis zum 16. März 1945 – auf seinen früheren Posten als M-Kreisleiter in Bernkastel zurück.

Geboren wurde Wilhelm Diehl am 20. Dezember 1889 in Ausweiler (damals Kreis St. Wendel, später Landkreis Birkenfeld) als Sohn eines Lehrers. Er besuchte das Lehrerseminar und wurde später Oberregierungsrat und Schulrat. Von November 1938 bis August 1939 war er nach Aussig zum Aufbau des Schulwesens im Sudetenland abgeordnet. Im Mai 1945 geriet Diehl in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde nach Luxemburg überstellt, wo er am 25. September 1946 ins Grund-Gefängnis eingeliefert und später vor Gericht gestellt wurde. Diehl wurde vorgeworfen, während seiner Amtszeit in Luxemburg die Umsiedlung von 369 Familien betrieben sowie eine Reihe von Verhaftungen, Beamtenabsetzungen und zahlreiche Verschleppungen ins KZ veranlasst zu haben. Am 22. Juni 1950 fiel das Urteil des Gerichtshofs für Kriegsverbrechen in Luxemburg: 17 Jahre Zwangsarbeit.

In Deutschland wurde Diehl im Verlauf der Entnazifizierung durch das Säuberungsurteil vom 20. August 1952 als Belasteter eingestuft. Durch den Beschluss der Rechtsmittelabteilung der Spruchkammer vom 26. September 1952 kam es allerdings zur Einstellung des gegen ihn geführten Verfahrens.

Diehl hatte drei Mal geheiratet, ein erstes Mal im Jahre 1918 in Brebach, dann 1939 in Bayreuth und schließlich am 9. Juni 1943 in Esch/Alzette (Luxemburg). Er starb am 1. Dezember 1965 in Trier.

Landrat Porath

SA-Obersturmbannführer Joachim Porath war ab dem 1. Oktober 1940 kommissarischer Verwaltungskommissar für den Distrikt Luxemburg-Land. Er löste somit den Stadtkommissar Oberbürgermeister Richard Hengst, der seit dem 23. August den Distrikt Luxemburg-Land kommissarisch verwaltete, in dieser Funktion ab. Im November 1940 ließ er die Inschrift in luxemburgischer Sprache „Mir wölle bleiwe, wat mer sin“ am Escher Stadthaus entfernen und durch das Plakat „Wir wollen heim ins Reich“ ersetzen. Ab dem 1. Dezember 1940 trug er den Titel Landrat des Landkreises Esch; seine Dienststelle war bereits Ende Oktober von Luxemburg nach Esch/Alzette verlegt worden.

Pg. Porath, der es liebte, hoch zu Ross in SA-Uniform durch Esch zu reiten, wurde am 9. Dezember 1906 in Potsdam geboren. Vor seiner Abordnung nach Luxemburg war er persönlicher Adjutant des Reichsministers für kirchliche Angelegenheiten Hans Kerrl, dann Regierungsrat beim Landratsamt Leer in Ostfriesland und ab Januar 1937 Landrat des Landkreises Hildesheim.

Im September 1941 wurde Porath zur Wehrmacht einberufen. Am 27. März 1943 ist er in Afrika als Leutnant in einem Panzerregiment gefallen.

Landrat Jung

Auf Porath folgte Bruno Karl August Jung, am 2. April 1886 in Essen geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Leipzig und Münster und promovierte 1909 in Erlangen. 1926 wurde er Oberbürgermeister von Göttingen, wo er daneben einen sozialwissenschaftlichen Lehrauftrag an der Universität übernahm und 1932 zum Honorarprofessor ernannt wurde. Im April 1938 lief seine Amtszeit als Oberbürgermeister regulär aus. Jung verzichtete auf eine neue Bewerbung, da er für eine Verlängerung seiner Amtszeit anscheinend nicht genügend Parteiunterstützung besaß, dies, obschon er 1937 der NSDAP beigetreten war.

Jung ging nach Hannover, wo er im Juli 1938 als hauptamtlicher Stadtrat das Dezernat für städtische Fürsorge übernahm. Im März 1940 wechselte er nach Oldenburg in den Stalling-Verlag, der u.a. nationalsozialistische Autoren wie Wilhelm Frick und Joseph Goebbels verlegte. Anschließend erhielt er seine Ernennung als stellvertretender Landrat in Esch/Alzette, wo er von Oktober 1941 bis Juni 1944 amtierte. Alsdann verließ er Luxemburg, um die unbesetzte Landratsstelle im Kreis Zell als kommissarischer Landrat zu übernehmen.

In Esch wurde Jung am 5. Juli 1944 offiziell verabschiedet. In Zell wirkte er bis Ende Februar 1945. Nach dem Krieg setzte er sich nach Göttingen ab, geriet aber ins Visier der englischen Besatzungsmacht, die ihn vorübergehend im einstigen KZ Hamburg-Neuengamme inhaftierte, bis sich die gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen als nicht haltbar erwiesen. In Göttingen nahm er seinen vormaligen Lehrauftrag an der Universität wieder auf, wurde Mitglied der FDP, ohne aber politisch aktiv zu sein. 1961 wurde er Ehrenbürger der Stadt Göttingen. Jung starb am 13. Dezember 1966 in Göttingen. 1970 wurde in Göttingen ein Weg, der Bruno-Jung-Weg, nach ihm benannt. Im Februar 2016 schlug der Kulturausschuss der Stadt vor, diesen Weg umzubenennen, weil sich Jung im Nationalsozialismus schuldig gemacht habe, wobei sich insbesondere auf seine Aktivität als Landrat im besetzten Luxemburg berufen wurde. In seiner Sitzung vom 15. April 2016 beschloss der Rat der Stadt Göttingen einstimmig, den Weg umzubenennen.

Landrat Rütten

Nachfolger von Landrat Jung war der am 22. August 1901 in Krefeld geborene Dr. Heinrich Martin Rütten, dessen Biografie die gleichgeschaltete luxemburgische Presse bei seiner Amtseinführung am 5. Juli 1944 folgendermaßen skizzierte: „Landrat Dr. Rütten, der jetzt im 42. Lebensjahre steht, stammt aus Krefeld. (…) Nach Abschluß der rechtswissenschaftlichen Studien an den Universitäten Bonn und Marburg war er Gerichtsreferendar im Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf und Regierungsreferendar bei der Regierung in Trier, von wo aus er auch verschiedenen anderen Dienststellen im Rheinland zugeteilt war. Nach Ablegung der großen Staatsprüfung und längerem Aufenthalt im Ausland war er Regierungsassessor an den Landratsämtern in Altena (Westfalen) und Grevenbroich (Bezirk Düsseldorf), einem der größten preußischen Kreise. Von 1934 bis Anfang 1938 war er sodann als Regierungsrat politischer Dezernent an der Regierung in Minden. Im Februar 1938 wurde ihm die Verwaltung des großen Landkreises Bielefeld übertragen. […] Bei Einrichtung der deutschen Verwaltung im Protektorat Böhmen-Mähren wurde Dr. Rütten als Oberlandrat mit dem Aufbau des Oberlandratsbezirks Tabor in Böhmen betraut, der acht politische Bezirke umfasste. Anschließend war er Leiter der Zivilabteilung der deutschen Militärkommission in der Slowakei in Preßburg.

Nach Auflösung dieser Stelle in seinen Kreis Bielefeld zurückgekehrt, übernahm er 1940 für den zum Wehrdienst einberufenen Landrat die Mitverwaltung des Nachbarkreises Halle in Westfalen. In der NSDAP ist Dr. Rütten Kreisamtsleiter; als solcher führte er zunächst das Kreisrechtsamt und dann das Kreisamt für Kommunalpolitik. In der SA, der er gleichfalls seit langem angehört und in der er den Rang eines Hauptsturmführers bekleidet, leitete er an seinem bisherigen Wohnort, die weltanschauliche Schulung in der SA-Standarte 174.“ Im April 1933 war Rütten SA-Sturmführer geworden, im Januar 1935 förderndes Mitglied der SS und im Mai 1935 Mitglied der NSDAP. Im Landkreis Esch wirkte Rütten vom 10. Juli bis Anfang September 1944. Aus Luxemburg floh er nach Bielefeld, wo er einige Wochen weilte, bis er zur Vertretung des Landrats des Kreises Koblenz abkommandiert wurde. Bis November 1944 hielt er sich in Rhens bei Koblenz auf, von Dezember 1944 bis Juni 1946 war er dann wieder in Bielefeld.

Im Laufe des Entnazifizierungsverfahrens wurde Rütten zunächst als Mitläufer eingestuft, dann aber entlastet. Im Mai 1951 wurde er zum Oberkreisdirektor des Kreises Euskirchen gewählt. Er starb am 27. März 1957 in Euskirchen.

Während seines Entnazifizierungsprozesses hatte Rütten behauptet, im Landkreis Esch zwei wegen Beihilfe zur Fahnenflucht verurteilte einheimische Frauen vor der Vollstreckung des ergangenen Todesurteils bewahrt zu haben. Hierzu schrieb er: „Im August 1944 bat mich der Generaldirektor des Luxemburger ARBED-Konzerns, einen seiner ältesten Meister zu empfangen, der mit einer heiklen Sache kommen wollte. Herr K-W, Esch, Kirchstr., (…) trug mir vor, dass seine beiden Töchter zum Tode verurteilt worden wären, weil sie seinem Enkel zur Desertation verholfen hätten. (…) Da ich mit diesen Verfahren als Landrat nichts zu tun hatte, konnte ich wenig Hoffnung machen. Da ich aber von dem Recht des Herrn K-W überzeugt war, habe ich zusammen mit einem Arzt die beiden Frauen haftunfähig schreiben lassen, und so ihre Entlassung aus dem Gefängnis erreicht. Sie haben sich dann bis zur Räumung (Flucht der Nazis Anfang September 1944, d. Red.) verborgen gehalten.

Hierfür brachte mir der Vater einen Umschlag mit einer größeren Summe, ich schätzte dem Überblick nach auf 20.000 Mark. Ich habe selbstverständlich den Umschlag zurückgewiesen und es auch abgelehnt, den Betrag für die NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, d. Red.) oder, nach einem späteren Vorschlag, für das Rote Kreuz anzunehmen.“ Se non è vero …

 

Jules Heisten, Escher Bürgermeister unter der Nazi-Fuchtel

 

Ab 1941 saßen die Nazis auf dem Bürgermeisterstuhl in Esch