Ab 1941 saßen die Nazis auf dem Bürgermeisterstuhl in Esch

Ab 1941 saßen die Nazis auf dem Bürgermeisterstuhl in Esch

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„Als die Hakenkreuz-Fahne auf dem Escher Stadthaus wehte“: In einer dreiteiligen Serie beleuchtet Jos. A. Massard, Ehrenbürgermeister von Echternach, die Geschichte der Stadt Esch unter der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. In Teil II geht es heute um die Nazis auf dem Bürgermeisterstuhl zwischen 1941 und 1944.

Von Jos. A. Massard

Bis Mitte April 1941 wurde die Stadt Esch von einem luxemburgischen Schöffenrat unter der Führung von Bürgermeister Jules Heisten geleitet (siehe Teil I). Ihm zur Seite standen die beiden Schöffen Franz Cigrang und Leo Kinsch. Stadträte gab es allerdings seit November 1940 keine mehr.

Nachfolger von Jules Heisten wurde Pg. Otto Komp (Foto), bisheriger Bürgermeister von Bendorf am Rhein, der am 18. April 1941 von Gauleiter Simon, Chef der Zivilverwaltung (CdZ), beauftragt wurde, „Esch/Alzig“ kommissarisch zu verwalten. Am 22. April 1941 erfolgte die feierliche Amtseinführung des neuen Bürgermeisters. Landrat Joachim Porath betonte in seiner Ansprache, mit dem 10. Mai des vorigen Jahres sei für Luxemburg eine grundlegende Änderung eingetreten. Es sei unter deutsche Hoheit und Verwaltung gestellt und habe hierdurch die Gewähr erhalten, teilnehmen zu dürfen an den großen Möglichkeiten einer aussichtsreichen Zukunft. Es sei den Behörden aber nicht unbekannt, dass es in Luxemburg noch viele Menschen gebe, die den Pulsschlag des Blutes noch nicht verspürten und noch nicht von der neuen Zeit erfasst worden seien. Es werde daher eine der Hauptaufgaben des neuen Bürgermeisters sein, im Sinne der nationalsozialistischen Bewegung hierorts zu wirken.

Besonderer Dank

Porath sprach alsdann Bürgermeister Heisten und seinen beiden Schöffen seinen besonderen Dank aus. In schwerer Zeit hätten sich diese drei Männer rechtschaffen eingesetzt, um Schäden zu verhüten und Not und Elend zu lindern. Komp seinerseits versprach, die von ihm verlangten Aufgaben im nationalsozialistischen Geist zu erfüllen. Eine der ersten größeren Aufgaben Komps war es, die bei seinem Amtseintritt bereits in die Wege geleitete Eingliederung der Gemeinde Schifflingen in die Stadt Esch, die im Juni 1941 vom CdZ mit Wirkung vom 1. Juli 1941 verordnet wurde, administrativ zu gewährleisten.

Der früheren Gemeinde war eine gebührende Vertretung im Escher Gemeinderat zugesichert worden. Dieser wurde einige Monate später von den Nazis eingesetzt und setzte sich ausschließlich aus von Kreisleiter Wilhelm Diehl ausgewählten Beigeordneten und Ratsherren zusammen. Sie wurden am 8. September 1941 feierlich von Komp in ihr Amt eingeführt. Unter den vom Kreisleiter eingesetzten Ratsherren war auch Julius Heisten, der aber „durch begründete Entschuldigung an der Teilnahme des Festaktes verhindert“ war.

Dieser Gemeinderat hatte nur noch eine beratende Funktion. Er umfasste vorerst drei nebenamtliche Beigeordnete und zwanzig Ratsherren. Später kam noch ein hauptamtlicher Beigeordneter hinzu und die Zahl der Ratsherren stieg auf 24.

Ratsherr war u.a. der Escher Kaufmann und Ortsgruppenleiter Johann Koetz, der 1947 in Luxemburg als Kollaborateur zum Tode verurteilt und 1948 hingerichtet wurde. Ratsherr war auch NSDAP-Kreisamtsleiter und DAF-Kreisobmann Ludwig Grohé, auf dessen Aussage hin der Arbed-Direktor Mathias Koener im September 1942 als angeblich Verantwortlicher für den am 31. August erfolgten Streik im Stahlwerk Esch-Schifflingen für lange Monate ins KZ Hinzert kam und am 8. März 1943 in Luxemburg starb. Ratsherr war auch der Escher Arzt und Ortsgruppenleiter Karl Houdremont, einer der Unterzeichner des „Heim-ins-Reich“-Aufrufs vom 31. August 1940, der wegen seiner nazifreundlichen Haltung 1948 vom Spezialgericht zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Zurück nach Bendorf

Am 23. März 1942 stellte Komp den Antrag, aus gesundheitlichen Gründen seine Abordnung als kommissarischer Bürgermeister der Stadt Esch/Alzig aufzuheben und seine Rückkehr in seinen bisherigen Dienstort Bendorf zu genehmigen. Durch die dienstliche Überlastung in nunmehr einjähriger Aufbauarbeit in Esch habe er sich eine hartnäckige Nervenstörung zugezogen. Der für Esch zuständige Medizinalrat Dr. Wilhelm Heesen bescheinigte ihm u.a. neuralgische Beschwerden in der linken Gesichtshälfte, die sich in einem starken Tic bemerkbar machten und besonders bei psychischer Anspannung auftreten würden, sowie psychische Hemmungen bei repräsentativen Veranstaltungen. Komp sei gezwungen, dauernd Luminal zu nehmen.

Nach einigem Hin und Her wurde dem Antrag am 17. November 1942 stattgegeben, und mit Wirkung vom 1. Dezember 1942 wurde Komp für die Rückkehr zu seiner Heimatdienststelle Bendorf freigegeben. In einer Feierstunde nahm er am 25. November 1942 im festlich ausgeschmückten Sitzungssaal des Escher Rathauses Abschied. In seiner Rede gab er seiner „Zuversicht auf den Endsieg“ Ausdruck. Als Abschiedsgeschenk wurde ihm ein Landschaftsbild des verstorbenen Escher Malers Eugène Mousset überreicht. Sozusagen als zusätzliches Abschiedsgeschenk wurde er im Dezember 1942 vom CdZ für die Verleihung des Kriegsverdienstordens vorgeschlagen.

Otto Komp wurde am 30. September 1891 in Uckerath, heute ein Ortsteil der Stadt Hennef, geboren. Im Ersten Weltkrieg war er Soldat von 1915 bis 1918. Im September 1922 wurde er Bürgermeister der vereinigten Ämter Rheurdt-Schaephuysen im Kreis Moers und im Oktober 1933 Bürgermeister der Industriestadt Bendorf am Rhein (damals Koblenz-Land). Komp trat 1933 der NSDAP bei. Nach Kriegsgefangenschaft und Entnazifizierung war er von 1950 bis 1952 kommissarischer Amtsdirektor in Oberpleis. Er starb am 14. Januar 1962 in Hennef. Nach Komps Abgang wurde der Erste Beigeordnete Dr. Feldhege am 1. Dezember 1942 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Bürgermeisters der Stadt Esch beauftragt, bis zur Berufung des neuen Bürgermeisters.

Franz Theodor Feldhege wurde am 30. Januar 1900 in Herten geboren. Ab Mai 1939 war er stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Gressenich im Kreis Aachen, bis er dann am 1. Mai 1942 Erster Beigeordneter der Stadt Esch/Alzette wurde. Dort wurde er offiziell zu Beginn der Ratsherrensitzung vom 25. September 1942 von Bürgermeister Komp vorgestellt. Im Januar 1943 verlieh der Führer ihm das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse ohne Schwerter. Nach dem Krieg wohnte er in Recklinghausen und zog von dort nach Dülken/Rheinland, wo er ab Mai 1947 als Stadtdirektor tätig war. Er starb infolge eines Verkehrsunfalls im Juli 1961 in Dülken.

Der Amtsbürgermeister

Erst am 13. März 1943 kam es zur Ernennung des neuen Bürgermeisters. Es handelte sich hierbei um den bisherigen kommissarischen Amtsbürgermeister von Petingen, Dr. Josef Kohns, der vorläufig, neben Esch, die Verwaltung des Amtes Petingen noch vertretungsweise beibehalten musste, bis er dort drei Monate später vom Differdinger Amtsbürgermeister Pg. Herrmann Schrader abgelöst wurde.

Schon vor seiner Ernennung zum Escher Amtsbürgermeister hatte Kohns einmal die Gelegenheit zu einer Amtshandlung im Escher Rathaus gehabt. Am 13. Oktober 1941 vollzog er dort in Vertretung von Bürgermeister Komp die erste in Esch vorgenommene Ferntrauung, zwischen Romilda Quaglia, Gründerin des Escher BdM, und dem im Felde stehenden Soldaten Reinhard List.

Kohns Amtseinführung als neuer Bürgermeister der Kreisstadt Esch wurde am Nachmittag des 16. März 1943 im Rahmen einer außerordentlichen Ratsherrensitzung vorgenommen. Der 1. Beigeordnete Feldhege, der seit drei Monaten die Geschäfte der Gemeinde führte, hielt die Begrüßungsansprache. Die Einführung des neuen Bürgermeisters nahm darauf Landrat Prof. Dr. Jung vor.

Auf Kohns Arbeit als Amtsbürgermeister von Esch/Alzette kann im Rahmen dieses Beitrags nicht im Einzelnen eingegangen werden. Eine seiner letzten nach außen sichtbaren Amtshandlungen war die Veröffentlichung einer Mitteilung über den Schulbeginn in der Stadt Esch, die am 17. August 1944 im Escher Tageblatt erschien. Anfang September setzten er und Dr. Feldhege sich nach Deutschland ab.

Josef Kohns wurde am 8. November 1900 in Koblenz geboren. Er studierte zuerst Volks- und Betriebswirtschaft, später absolvierte er ein Jurastudium, das er 1928 mit der Promotion zum Dr. jur. abschloss. 1930 wurde Kohns Amtsbürgermeister von Bleialf in der Eifel. 1938 (rückdatiert auf 1937) trat er der NSDAP bei. Im Juli 1941 kam er als Amtsbürgermeister nach Petingen. Im Dezember 1942 wurde er für die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes vorgeschlagen, mit der Begründung, er habe als Amtsbürgermeister des Amtes Petingen „trotz schwierigster politischer Verhältnisse“ das größte Amt im Kreis Esch/Alzig erfolgreich aufbauen können. Vom 13. März 1943 bis Anfang September 1944 war er dann Amtsbürgermeister der Kreisstadt Esch/Alzette. Nach seiner Flucht nach Deutschland war er bis 1945 kommissarischer Bürgermeister von Bad Kreuznach, dann Dezernent bei der Kreisverwaltung Bad Kreuznach.

Kürzung der Dienstbezüge

In Deutschland wurde Kohns 1946 im Rahmen der Entnazifizierung durch den Spruch der Bereinigungskommission aus dem Amt ohne Pension entlassen. Dieser Spruch wurde im November 1947 jedoch revidiert: Kohns wurde als bloßer Mitläufer eingestuft und nur mit einer Kürzung der Dienstbezüge um 10 Prozent für ein Jahr bestraft.

Hiermit stand einer politischen Karriere von Kohns, Mitglied der CDU, nichts mehr im Wege. Er wurde Bürgermeister von Bad Kreuznach (1949-1952), dann Landrat in Mayen (1952-1963) und schaffte es 1963 in den Landtag von Rheinland-Pfalz, dem er bis 1967 angehörte. 1968 wurde Kohns das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Er starb am 28. Oktober 1988 in Bornheim.

Nach dem Krieg wurde Kohns in Luxemburg vorgeworfen, er habe während seiner Amtszeit in Petingen die Verhaftung von Roger Büdinger, Automechaniker in Petingen, veranlasst, der daraufhin ins KZ gesteckt wurde. Außerdem sei er der Anstifter der Verhaftung von 17 weiteren Einwohnern des Amts Petingen gewesen, die ins KZ kamen, während ihre Familien umgesiedelt wurden. Angesichts dieser schwerwiegenden Vorwürfe wurde von den luxemburgischen Behörden im November 1947 ein Auslieferungsantrag an Deutschland gestellt. Hinweise, die Aufschluss über den weiteren Verlauf der Affäre Kohns geben könnten, liefern die im Luxemburger Nationalarchiv eingesehenen Unterlagen nicht. Allem Anschein nach wurde Kohns in Luxemburg nicht vor Gericht gestellt.

(Das Titelfoto zeigt die uniformierten Besatzer im Escher Rathaus.)

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Die weiteren Teile der Serie:

Teil I: „Jules Heisten, Bürgermeister unter der Nazi-Fuchtel“

Teil III:  „Der Kreis Esch, der Kreisleiter, die Landräte“ erscheint am 10.Dezember

 

Cornichon
4. Dezember 2018 - 1.16

Nur heute sind sie unauffälliger, aber fast immer frustrierte Leute mit Narzissmus, meistens provokativ aber immer jegliche Schuld abweisend, ohne vorbildliches Interesse. Jeder unverschuldete Rückschlag wird genutzt um an der Gesellschaft absichtlich Rache zu verüben. Wie du mir so ich dir, aber nur die schlechte Seite der Medaille. Und trotzdem irgendwie verständlich da der Zusammenhalt in der Gesellschaft auseinanderfällt. Auch Ausländer haben zum Teil rechte Tendenzen indem sie provokativ die Luxemburger Kultur oder auch die Menschen verunglimpfen und die provokative Haltung mancher Luxemburger mit Gegenprovokation erwidern. Es ist halt die Situation wie in den 30er Jahren. Jeder provoziert jeden.