Während seines Staatsbesuchs in den USA kann sich der chinesische Präsident Hu Jintao auf viel Pomp gefasst machen. US-Präsident Barack Obama hat ein aufwendiges Staatsbankett für den Gast aus Peking angekündigt – eine Ehre, die üblicherweise nur engen Freunden und Verbündeten des Landes zuteilwird. Den viertägigen Aufenthalt Hus ab Dienstag in den Vereinigten Staaten will Washington dazu nutzen, die Beziehungen zu China zu verbessern. „Wir gewinnen beide mehr durch Zusammenarbeit als durch Konflikt“, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton.
Wirtschaftsmacht China
Der derzeit drängendste Vorwurf der USA aber betrifft die Währungs- und Handelspolitik. Die USA halten Peking vor, seine Währung künstlich niedrig zu halten, um die eigenen Exportwaren im Ausland billig zu halten. Das Handelsungleichgewicht ist extrem: In den ersten elf Monaten 2010 verzeichnete China im Handel mit den überschuldeten USA einen Rekordüberschuss von 252 Milliarden Dollar. Während die USA mit einer hohen Arbeitslosigkeit, einem schleppenden Wirtschaftswachstum und einem massiven Haushaltsdefizit zu kämpfen haben, erfreut sich China hohen Wachstums – im dritten Quartal des vergangenen Jahres wuchs die chinesische Wirtschaft um 9,6 Prozent. Ökonomen gehen davon aus, dass China möglicherweise noch bis Ende dieses Jahrzehnts die USA als grösste Weltwirtschaftsmacht überholt haben wird.
Streitpunkte gab es zwischen Washington und Peking in letzter Zeit einige.
Einig scheinen sich die beiden Grossmächte indes über die Unfähigkeit, eine sogenannte G-2-Gruppe zu gründen, um zu zweit die Probleme der Welt zu lösen. Das amerikanisch-chinesische Verhältnis sei so „wichtig wie jede bilaterale Beziehung in der Welt“, sagte US-Außenministerin Clinton am Freitag. „Aber so etwas wie eine G-2 gibt es nicht.“ Dieses Konzept würden sowohl die USA als auch China ablehnen.
Mit ihrem Vorhaben, die amerikanisch-chinesischen Beziehungen neu auszurichten, sind die USA offenbar nicht allein. Chinesische Beamte haben Themen ausgemacht, die ihrer Ansicht von gemeinsamen Interesse sind. „Wenn die Beziehung angeschlagen ist, müssen wir das größere Bild im Gedächtnis behalten und nicht zulassen, dass irgend ein einzelnes Thema unsere Zusammenarbeit im Großen und Ganzen zum Erliegen bringt“, sagte der chinesische Vizeaussenminister Cui Tiankai.
Maxime wie diese gelten aber nicht für Angelegenheiten, die Peking als seine Kerninteressen auffasst, darunter Taiwan, Tibet und die übergreifende Autorität der kommunistischen Regierungspartei in China. Daran wird der Besuch Hus nichts ändern.
Stattdessen will der chinesische Präsident in den USA den beabsichtigten friedlichen Aufstieg seines Landes anpreisen, in einer Rede vor führenden Wirtschaftsvertretern und Meinungsführern in Washington am Donnerstag. Hu will während eines Aufenthalts in Chicago zudem die Vorteile des chinesischen Markts und chinesischer Investitionen hervorheben.
Hohe Erwartungen an Hus Besuch
Dass während Hus USA-Aufenthalt wichtige Vereinbarungen zwischen Washington und Peking getroffen werden, ist nicht zu erwarten. Dennoch blicken Beobachter mit hohen Erwartungen auf den Staatsbesuch. „Wenn Sie sich die (amerikanisch-chinesischen) Beziehungen im letzten Jahr anschauen, ist jeglicher Fortschritt wichtig“, sagt der Professor für Internationale Beziehungen an der Pekinger Renmin Universität, Shi Yinhong.
Von einem erfolgreichen Besuch bei der Großmacht USA würde vermutlich auch der Ruf Hus zu Hause profitieren. Schließlich will sich der chinesische Präsident Ende nächsten Jahres in den Ruhestand verabschieden und seinen politischen Schützlingen zu einflussreichen Ämtern verhelfen. „Ein Beweis, dass Hu gut mit den USA auskommt und zeigen kann, dass China nun in Washington sehr angesehen ist, sollte Hu helfen, sein (politisches) Vermächtnis zu sichern,“ sagt der China-Experte der Oxford University, Steve Tsang.
Bei seinem letzten Besuch im Weißen Haus im Jahr 2006 wurde Hu mit weniger Pomp empfangen, als es diesmal der Fall sein wird. Der damalige Präsident George W. Bush vertrat die Ansicht, ein Staatsbankett solle nur für verbündete und gleichgesinnte Mächte ausgerichtet werden. Hu bekam daher statt eines aufwendigen Abendessens ein Mittagessen serviert. Pannenfrei blieb Hus damaliger USA-Besuch auch nicht: Ein gemeinsamer Auftritt der chinesischen und amerikanischen Präsidenten wurde von einem Anhänger der in China verbotenen Falun-Gong-Bewegung unterbrochen, China wurde fälschlicherweise als „Republik China“ angekündigt. Das ist die offizielle Bezeichnung des demokratisch regierten Taiwan.
Wechselnde Schicksale der beiden Länder
Das von Argwohn geprägte Verhältnis zu verbessern wird für die USA und China nicht einfach sein. Die Beziehungen seien „extrem angespannt, sie sind auf dem tiefsten Punkt seit mindestens einem Jahrzehnt“, urteilt der Chinaexperte David Shambaugh vom Brookings- Institut in Washington. Dies hat vor allem mit den wechselnden Schicksalen der beiden Länder zu tun: China macht wegen seiner wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Macht seinen Anspruch auf eine höhere Achtung in der Welt geltend; die USA wollen ihre Autorität als Supermacht festigen und schliessen Bündnisse mit anderen Ländern.
Sorge löst in Washington aus, dass Chinas militärische Aufrüstung mit einem zunehmend nationalistischen Gebaren einhergeht. Die Volksrepublik sieht sich als Regionalmacht im Pazifik, mit Ansprüchen auf umstrittene Meeresregionen im Ostchinesischen und Südchinesischen Meer riskiert sie unverhohlen Konflikte mit ihren asiatischen Nachbarn – und stellt die Rolle der USA als pazifische Ordnungsmacht in Frage.
Zudem ärgern sich die USA über Chinas Bremserrolle bei UNO- Sanktionen gegen den Iran und Nordkorea, über die Drangsalierung von Google, über Hackerangriffe aus China und über die Verletzung von Menschenrechten. Dagegen wurde unter anderem chinesische Kritik an einem amerikanischen Waffengeschäft mit Taiwan laut. Chinesische Beamte beschuldigten die USA auch, ihre Finger bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo im Spiel gehabt zu haben.
China sei im vergangenen Jahr «viel selbstbewusster und weniger kooperativ» aufgetreten, urteilt der Chinaexperte Michael Green vom Center for Strategic and International Studies in Washington. Die „fundamentale Herausforderung“ für die USA sei, „wie sie die Macht mit aufstrebenden Staaten teilen“. Die Klärung dieser Frage sei für die USA schwierig, weil „Ungewissheit über Chinas langfristige Absichten herrscht“, sagt Green.
De Maart

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