Unterdessen wurden neue Zusammenstöße aus Kairo gemeldet. Journalisten und Menschenrechtsaktivisten berichteten über Angriffe von Anhängern Mubaraks in der Stadt. Al-Arabija meldete, eine TV-Crew des Senders sei verprügelt worden. Mitarbeiter des Menschenrechtszentrums „Hischam Mubarak“ seien in ihrem Büro von Anhängern des Regimes eingekesselt worden, sagte ein Mitarbeiter von Human Rights Watch.
Soldaten mit Kalaschnikow-Gewehren postierten sich verstärkt zwischen beiden Seiten. Auf dem Platz befanden sich unverändert mehrere tausend Demonstranten. Ihnen standen im Bereich einer wichtigen Nil-Brücke mehrere hundert Mubarak-Anhänger gegenüber. Die Demonstranten errichteten weitere Barrikaden. Die Panzer der Streitkräfte haben ihre Geschützrohre inzwischen nicht mehr in Richtung Platzmitte ausgerichtet, sondern in die Gegenrichtung.
El Baradei fordert Armee zum Angriff auf
Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei forderte die Armee auf, weitere Angriffe der Mubarak-Anhänger auf die Demonstranten zu unterbinden. Die Armee müsse eingreifen, um das Leben ägyptischer Bürger zu schützen, sagte er in einem Interview des Senders Al-Dschasira. «Es gibt eindeutige Beweise, dass die Polizei ihre Männer in Zivilkleidung auf die Demonstranten gehetzt hat», sagte der Friedensnobelpreisträger.
Der neue ägyptische Regierungschef Ahmed Schafik entschuldigte sich für die Gewalt gegen Regimegegner in Kairo. „Für Angriffe auf friedliche Demonstranten gibt es keine Ausreden, und deswegen entschuldige ich mich dafür“, sagte Schafik dem TV-Sender Al Hayat. Die Regierung bestritt aber, in die Angriffe von Anhängern des Präsidenten auf Regimegegner im Zentrum der ägyptischen Hauptstadt verwickelt zu sein. Dabei hatte es allein in der Nacht zum Donnerstag mindestens drei Tote und hunderte Verletzte gegeben.
Mubarak schweigt zu Vorwürfen
Mubarak selbst äußerte sich nicht öffentlich zu den Vorwürfen. Demonstranten fordern seit zehn Tagen den sofortigen Rücktritt von Mubarak. Der 82-Jährige hatte in einer Fernsehansprache lediglich angekündigt, bei den Wahlen im September nicht noch einmal antreten zu wollen.
Das ägyptische Staatsfernsehen meldete, der neue Vizepräsident Omar Suleiman habe einen Dialog mit der Opposition begonnen. Nach Angaben von Regierungsgegnern handelt es sich bei diesen Oppositionellen um Vertreter von sechs kleineren Parteien. Die meisten Oppositionellen, die sich mit den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz solidarisiert haben, wollten erst nach einem Rücktritt von Mubarak mit Suleiman über demokratische Reformen sprechen.
Gespräche nur nach Rücktritt Mubaraks
El Baradei und die Muslimbruderschaft hatten zuvor erklärt, sie seien grundsätzlich bereit, mit Suleiman zu reden, jedoch müsse Mubarak vorher zurücktreten. Suleiman stellte seinerseits Bedingungen für einen Dialog. Vorher müssten sich die Demonstranten von den Straßen zurückziehen, verlangte er.
Der liberale ägyptische Politiker Aiman Nur, der zusammen mit El Baradei und einem Führer der Muslimbruderschaft als Mitglied einer möglichen Regierung der Nationalen Einheit gehandelt wird, appellierte an die Vereinten Nationen, sie sollten sich in den Konflikt in Ägypten einmischen und die Demonstranten schützen. Die Zusammenstöße vom Vortag bezeichnete er als «brutale Angriffe und Massenmord an friedlichen Demonstranten».
Mit Eisenstangen und Knüppeln bewaffnete Schlägertrupps waren am Mittwoch auf Kamelen und Pferden in die Menge der Regimegegner auf dem Tahrir-Platz geritten und hatten ein Blutbad angerichtet.
USA erhöht Druck auf Ägypten
US-Präsident Barack Obama drängte den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in einem Telefonat zum sofortigen Rückzug. Das Außenministerium in Kairo entgegnete, es sei «nicht akzeptabel, dass ausländische Offizielle den sofortigen Beginn der Übergangsphase fordern». US-Außenministerin Hillary Clinton forderte in einem Telefonat mit dem ägyptischen Vizepräsidenten Omar Suleiman eine Untersuchung der Übergriffe in Kairo.
Die Gewalt in Ägypten treibt die Ölpreise weiter in die Höhe. Ägypten kontrolliert den Suezkanal, über den ein großer Teil der regionalen Ölproduktion transportiert wird. Zudem wird befürchtet, dass die Unruhen auf weitere Staaten in Afrika und im Nahen Osten übergreifen könnten.
Demonstrationen in Jemen
Nach dem Umsturz in Tunesien und den Unruhen in Ägypten protestieren auch Oppositionelle in anderen arabischen Staaten gegen ihre Staatsführungen. Im Jemen gingen am „Tag des Zorns“ Zehntausende auf die Straßen. Einen Tag nach dem Verzicht des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih auf eine weitere Amtszeit verliefen die Demonstrantionen seiner Gegner und Anhänger am Donnerstag friedlich.
De Maart

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