Bilder aus der Todeszone

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Ein Pressefotograf der AP konnte die evakuierte und abgesperrte Zone rund um das havarierte AKW Fukushima besuchen. Die morbiden Bilder aus der Gespensterstadt Odaka.

In Odaka, knapp innerhalb der Evakuierungszone rund um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. In dem Viertel der 70.000-Einwohner-Stadt Minami Soma stehen Haustüren offen, Fahrräder liegen auf der Straße, ein einzelnes Taxi steht verlassen vor dem Bahnhof. In den leeren Straßen ist nur das Gebell streunender Hunde und das Krächzen von Krähen zu hören.

Viele Gebäude hier blieben von dem Erdbeben am 11. März weitgehend verschont, doch die Bewohner durften bisher aufgrund der Strahlenbelastung nicht mehr in ihre Häuser. Viele kehren dennoch zurück, um ihre alten Leben wieder aufzunehmen.

Kontrollen? Fehlanzeige

„Es ist gespenstisch hier“, sagt Masahiko Sakamoto, der mit zwei anderen Arbeitern auf dem Parkplatz ihrer Firma einen Lastwagen belädt. „Alle sind weg. Ich glaube niemand ist geblieben. Manche kommen während des Tages wieder, aber nachts ist es zu unheimlich.“

Es ist das dritte Mal, dass Sakamoto die Anordnung, die Evakuierungszone von 20 Kilometern nicht zu betreten, missachtet hat. Er lebt in einer Notunterkunft, jeden Tag wird er auf Strahlenbelastung untersucht. Der Gefahr, in die Zone zu gehen, ist sich Sakamoto bewusst. Doch die kleine Firma würde pleitegehen, wenn sie die Arbeit nicht wieder aufnimmt, sagt er.

Die Regierung warnt zwar die 70 000 bis 80 000 Bewohner aus der Evakuierungszone, diese nicht mehr zu betreten. Doch es gibt kaum Straßensperren, und die Polizei ist auch mit anderen Dingen beschäftigt.

„Polizei weiß nicht, dass ich hier bin“

Einige wenige haben ihre Häuser gar nicht erst verlassen. „Ich würde lieber an Verstrahlung sterben, als in einer Notunterkunft zu wohnen“, sagt der 55-jährige Mitsuo Sato. Er hat Nahrungsmittel und Strom in seinem Haus innerhalb der Evakuierungszone, Wasser muss er von einem Brunnen in der Nähe holen. „Ich glaube, die Polizei weiss nicht, dass ich hier bin.“

In anderen Teilen von Minami Soma suchen Helfer in blau-weißen Schutzanzügen gemeinsam mit Soldaten nach den Leichen der rund 1.100 vermissten Bewohner der Stadt. 25.000 Menschen könnten insgesamt bei dem Erdbeben und dem Tsunami vor einem Monat ums Leben gekommen worden sein, doch bisher wurden halb so viele gefunden.

Einige Viertel von Minami Soma liegen – zumindest vorerst – ausserhalb der Evakuierungszone. Die japanische Regierung drängt die Bewohner innerhalb des kommenden Monats auch dort ihre Häuser zu verlassen, um langfristige Strahlungsfolgen zu vermeiden. Bereits jetzt haben die Hälfte der Einwohner die Stadt verlassen, doch rund ums Rathaus ist schon wieder so etwas wie Normalität eingekehrt, Läden und Restaurants haben geöffnet. Die Menschen in den Notunterkünften hoffen zumindest kurz die Erlaubnis zu erhalten, in ihre Häuser zurückzukehren, um ihr Hab und Gut zu retten. Die Regierung will diese Möglichkeit prüfen, zumindest solange die Bewohner in Schutzkleidung sind und begleitet werden, sagte Regierungssprecher Yukio Edano.

Mitsuo Sato, der in der Evakuierungszone geblieben ist, will trotz all dieser Warnungen sein Haus nicht verlassen. „Aber ich fühle mich einsam“, sagt er. „Es ist eigenartig, in einer leeren Stadt zu wohnen.“