Mittwoch3. Dezember 2025

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Unter der Akropolis staut sich der Frust

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Wer dieser Tage die griechische Hauptstadt besucht, dem wird schnell bewusst, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise hier eine gelebte und erlebte Realität ist.

Kaum ein Gespräch, sei es mit dem Taxifahrer, sei es mit dem Restaurantbetreiber oder Schuhverkäufer, bleibt unpolitisch. Die stolzen Griechen sind betroffen, beleidigt und wohl auch beschämt.
Seit einem Jahr spüren sie die „Rettungsmaßnahmen“ der EU, mussten Streichungen bei den ohnehin knappen Renten, die oft einige wenige hundert Euro nicht überschreiten, hinnehmen, die öffentlichen Gehälter wurden zusammengestrichen, die Mehrwertsteuer wurde auf den meisten Produkten auf 23 Prozent erhöht, der Liter Benzin nähert sich der 2-Euro-Grenze …

Dass all dies der EU noch nicht genügt und diese weitere Sparmaßnahmen und eine schnellere Privatisierung der öffentlichen Unternehmen anmahnt, um den Hellenen zusätzliche Geldmittel zur Verfügung zu stellen, fördert nicht gerade die Europabegeisterung in dem Land, das dem Kontinent seinen Namen gab.

„Sie haben es gewusst“

„Sie wussten alle, wie es um Griechenland steht“, sagt uns Costas, ein Restaurant-Betreiber im touristischen Viertel Monastiraki, und meint damit die EU-Bürokratie.
„Jetzt tun sie erstaunt und wollen unsere Ölreserven an US-Firmen verscherbeln.“ Noch nie habe er so wenig Geld in der Tasche gehabt wie heute, so der 60-Jährige, der ebenfalls kein gutes Haar an der griechischen Regierung und insbesondere an der sozialistischen Pasok-Partei und der Familie Papandreous lässt.

Fünf Villen habe der junge Papandreou, persönliche Bereicherung stehe bei der politischen Klasse über dem Wohl des Volkes, so der aufgebrachte Geschäftsmann, der auf seine nur halb besetzte Terrasse gegenüber dem Museum der alten Agora blickt.

Zwar erwartet Griechenland, nicht zuletzt wegen der Lage in Nordafrika, in diesem Jahr einen Zuwachs beim Tourismus von 15 Prozent: Costas stellt auch fest, dass es nicht an Besuchern aus aller Welt mangelt; diese hätten aber kein Geld in der Tasche. Quasi als Beweis hierfür meckert ein amerikanisches Paar ihn an, weil das Brot auf der Rechnung mit 50 Cent berechnet wird.

„Euro wird zu teuer“

Für den Restaurantbetreiber aus dem Peloponnes steht fest, dass nur einige Staaten der EU am Euro festhalten können; lediglich eine Abwertung der Währung (der wieder eingeführten Drachme demnach) würde Griechenland neuen Atem bringen. Nur eine Bemerkung über die Qualität des Rotweines aus seiner Heimat stimmt den wütenden Griechen wieder etwas versöhnlich.
Gastfreundlich schenkt er einen Ouzo ein … Abseits der touristischen Hochburgen in Athen ist die schwierige Lage noch sichtbarer. Zahlreiche Geschäfte stehen leer, die Straßen der Hauptstadt sind von heruntergelassenen Stahljalousien geprägt,

Bettler findet man an allen Ecken, neben ihnen stehen Polizeieinheiten mit wendigen Enduro-Maschinen, die Präsenz zeigen und bereit sind, der erwarteten Proteste zu trotzen.
Kaum ein Bürgersteig hat keine fehlenden Platten. Die Stadt Athen, die für die Olympischen Spiele 2004 noch eine Metro baute und eine Stadtautobahn (mit EU-Unterstützung) bekam, leidet offensichtlich an Geldmangel. Im ersten Quartal 2011 stellte Eurostat erstmals wieder ein leichtes Wachstum der griechischen Wirtschaft von 0,8 Prozent fest. Dass dieser Trend angesichts weiterer Sparmaßnahmen und dem damit verbundenen Risiko einer nachlassenden Binnennachfrage anhält, glauben nur wenige.

Immer weniger glauben ebenfalls an den Nutzen der EU. Dies erklärt zum Teil auch die Kritik am EGB-Kongress seitens radikaler Arbeiterorganisationen: Die europäischen Gewerkschaften treten für die Fortsetzung des europäischen Integrationsprozesses ein. Dies gefällt dieser Tage nicht jedem in Athen.