Mittwoch5. November 2025

Demaart De Maart

Bonitätswächter an die Kette

Bonitätswächter an die Kette
(Reuters)

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Nach der Herabstufung der Kreditwürdigkeit Portugals hat die Wut der Politik auf die Ratingagenturen einen neuen Höhepunkt erreicht.

Zahlreiche EU-Finanzminister drohten damit, ihre Macht zu „brechen“. Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, beklagt eine oligopolistische Struktur. EU-Binnenkommissar Michel Barnier prüft, gestützte Euro-Staaten der Bewertung zu entziehen. Die Bonitätsprüfer werden in Europa zwar mittlerweile umfassend beaufsichtigt, doch rollt jetzt eine neue Regulierungswelle auf sie zu. Unersetzbar bleiben sie trotzdem, denn die Politik hat bislang keine Antwort auf die Frage, wie sich globale Finanzströme ohne Bonitätsprüfungen durch unabhängige Dritte organisieren lassen.

Vor der Finanzkrise agierten die Bonitätswächter tatsächlich im luftleeren Raum, eine Regulierung fand nicht statt. Das hat sich mit der EU Richtlinie CRA I geändert, die 2010 in Kraft trat. Seitdem dürfen die Agenturen keine Finanzprodukte mehr bewerten, an deren Strukturierung sie beteiligt waren. Auch müssen sie etwa ihre Methoden offenlegen und sich von der EU-Finanzaufsicht ESMA kontrollieren lassen. Bei Verstößen drohen ihnen empfindliche Bußgelder. Schließlich muss das Management geeignet sein, und Analysten müssen regelmäßig ihre Bereiche wechseln.

Noch strengere Regeln

Seit dem 1. Juli 2011 werden die Ratingagenturen unter der Richtlinie CRA II alleine von der Europäischen Aufsichtsbehörde ESMA kontrolliert. All diese neuen Standards gelten auch für die drei großen amerikanischen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch, wenn sie in Europa tätig sind.

Die EU-Kommission arbeitet bereits an noch strengeren Regeln, im Herbst will sie einen Vorschlag machen. Diskutiert wird, ob die Bewertungen für Staaten anders behandelt werden sollen als für private Emittenten und ob die Agenturen Regierungen früher über eine bevorstehende Herabstufung informieren sollen. Außerdem erwägt Barnier, hoch verschuldete Staaten, die auf Hilfskredite angewiesen sind, zeitweise der Bewertung zu entziehen. Das hatte bereits Frankreich ins Gespräch gebracht. Dagegen spricht aber, dass es ein Land ohne Rating erst recht schwer hätte, an den Kapitalmarkt zurückzukehren.

Strengere Anforderungen erfüllen

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ging sogar so weit, eine Haftung der Agenturen für Fehlurteile anzuregen. Dies war in der zuständigen EU-Generaldirektion aber verworfen worden, da es allein schon schwierig zu beurteilen ist, ob ein Rating falsch oder richtig ist. Barroso sprach sich außerdem dafür aus, eine eigene europäische Rating-Agentur aufzubauen. Die Kommission will zudem die Abhängigkeit von den Agenturen reduzieren, indem die Gesetze wie die Eigenkapitalregeln für Banken in Zukunft weniger Bezugnahmen auf Ratings erfordern.

Einen Ersatz für die Bonitätswächter gibt es nicht. Das betont auch die ESMA: „Ratingagenturen werden auch weiter eine wichtige Rolle im Finanzmarkt spielen“, sagt ein Sprecher der Behörde. „Die Aufsicht kann ihre Rolle nicht übernehmen.“ Die ESMA müsse vielmehr sicherstellen, dass Prozesse und Methoden der Agenturen den strengen Anforderungen der EU-Regulierung entsprechen. Diese zu definieren, ist die Aufgabe der Politik.