Auf dem Kairoer Tahrir-Platz haben sich an diesem heißen Julitag Altlinke, arbeitslose Jugendliche, Studenten und Arbeiter versammelt, um die Forderungen „ihrer Revolution“ durchzusetzen. „Komm, ich bemale Dir Dein Gesicht in den Farben unserer Revolution“, ruft ein grauhaariger Mann im durchgeschwitzten Hemd einer jungen Frau mit modischem Kopftuch zu. In der rechten Hand hält er einen Pinsel, in der linken drei kleine Töpfchen mit den Farben der ägyptischen Fahne – Schwarz, Rot und Weiß. Doch die Angesprochene winkt dankend ab.
Die Revolution, die das ägyptische Militär vor fünf Monaten – am 11. Februar – dazu veranlasst hatte, den Dauerpräsidenten Husni Mubarak zu entmachten, hat ein wenig von ihrem Glanz eingebüßt. Auch wenn immer noch täglich Polit-Touristen aus aller Welt auf den Tahrir-Platz strömen, um sich vor dieser «historischen Kulisse“ fotografieren zu lassen.
Eigentlich sind alle Akteure frustriert – mit Ausnahme der Muslimbrüder, die sich bei der für September geplanten Parlamentswahl einen Erdrutschsieg erhoffen. Das Einzige, was die Islamisten derzeit stört, ist, dass die Verurteilung der Politiker und Polizeioffiziere, die sie in der Mubarak-Ära drangsaliert hatten, nicht schneller vorangeht.
Wut richtet sich gegen Militär
Viele der jugendlichen Aktivisten fühlen sich betrogen. „Ich werde weiter protestieren, weil sich in den letzten Monaten fast nichts bewegt hat – die Revolution hatte sich gegen den Militär- und Polizeistaat gerichtet, aber der existiert immer noch fast genauso wie vorher“, sagt Hani Seifeddin (37).
Wie viele der Langzeit-Demonstranten, die sich in diesen Tagen auf dem Tahrir-Platz versammeln, hat auch der arbeitslose Anwalt persönliche Erfahrungen mit dem Polizeistaat gemacht. „Im vergangenen September habe ich 108 Tage im Tora-Gefängnis gesessen, weil ich im Verkehr einen Streit mit einem Offizier hatte.“ Was er dort erlebte, hat ihn für sein Leben geprägt.“ Seifeddin trägt eine kleine Brille, um den Kopf hat er ein schwarz-weißes Tuch geschlungen.
Doch Enttäuschung herrscht nicht nur in den Hütten, sondern auch in den Palästen. Wenige Stunden nachdem eine Gruppe um den Alt-Oppositionellen George Ishak auf dem Tahrir-Platz ein Podium bestiegen und ein Ende der Militärprozesse gegen Zivilisten gefordert hat, trifft sich in einem Fünf-Sterne-Hotel am Nil die Businesselite des Landes. Wie jedes Jahr im Sommer werden die Manager der Top-Unternehmen Ägyptens ausgezeichnet. Doch die festliche Stimmung wirkt etwas gekrampft. Einige Stühle bleiben leer.
Die politische Instabilität der Übergangszeit, von der noch keiner weiß, wie lange sie andauern wird, vergiftet das Geschäftsklima und die Stimmung beim abendlichen Unternehmertreff. „Niemand will investieren, nicht einmal in einen Neuwagen“, seufzt der Vertreter einer deutschen Autofirma.
De Maart

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