Wäre ProActif ein Privatunternehmen – es wäre schon längst pleite. So die Einschätzung von Beschäftigungsminister Nicolas Schmit am Freitag nach der Sitzung der parlamentarischen Ausschüsse Finanzkontrolle und Beschäftigung. Schmit hatte den Parlamentariern die Ergebnisse des jüngsten Audits der Beschäftigungsinitiative ProActif vorgelegt.
Schmit bestätigte damit Unregelmäßigkeiten mit den Finanzen der Beschäftigungsinitiative. Bereits am Morgen hatte der Generaldirektor von ProActif, Romain Schmit, in einem RTL-Interview von künstlich aufgeblasenen Budgetposten gesprochen. Dadurch floss der Initiative mehr Geld zu als geschuldet. Der Initiative wird vorgeworfen, mehr als zwei Millionen Euro zuviel eingestrichen zu haben. Sie hat seit 2005 keine Abrechnungen mehr angefertigt.
Seit längerem gewusst
Dass etwas mit ProActif nicht stimme, sei bereits vor drei Jahren festgestellt worden, so Mnister Nicolas Schmit. Während OPE und „Forum pour l’emploi“ über Mittelknappheit klagte, hieß es bei ProActif, man verfüge über ausreichend Mittel. Im Vorfeld des neuen Gesetzes über Solidariwirtschaft (2009) hätten die Unternehmensprüfer von KPMG bereits eine Untersuchung aller Beschäftigungsinitiativen durchgeführt. Bei ProActif seien für die Jahre 1998 bis 2003 1,5 Millionen Euro zuviel geflossen, hieß es im damaligen Audit-Bericht. Eine Millionen Euro wurde in der Zwischenzeit zurückgezahlt. Eine halbe Million steht noch aus. Sie kommt zu den 2,3 Millionen Euro hinzu, die ProActif dem Staat schuldet.
Das Geld werde die Initiative nie zurückzahlen können, so Nicolas Schmit. Die Beschäftigungsinitiative soll jedoch nicht geschlossen werden. Sie werde restrukturiert. Die Arbeiten dazu seien bereits angefangen worden. U.a. mit Generaldirektor Romain Schmit, der ProActif seit 2009 leitet. Die besten Teile der Initiative sollen gerettet werden. Man könne nicht zulassen, dass eine Initiative, die Arbeitslosen helfen soll, nun selbst Arbeitslose produziere, so Schmit. Zu den ergriffenen Maßnahmen gehört unter anderem die Reduzierung von Mieten für Gebäulichkeiten. Angepasst wurden die Löhne einzelner Mitarbeiter. Laut Konvention stünde ihnen der qualifizierte Mindestlohn zu, doch wurde in einigen Fällen mehr bezahlt. In Zukunft werden sich die Betreuer auch um mehrere Personen kümmern müssen. Bisher kam ein Betreuer auf zwei Arbeitslose.
Zuviel in Rechnung gestellt
In ihrem jüngsten Bericht werfen die belgischen Unternehmensprüfer von BST werfen ProActif unter anderem vor, Leistungen falsch verrechnet zu haben. Den Initiative seien dadurch mehr staatliche Gelder zugeflossen.
Während zwei Stunden befassten sich der Finanz- und Budgetkontrollausschuss des Parlaments und die Beschäftigungskommission am Freitagmorgen mit dem Bericht der Unternehmensprüfer. André Hoffmann (déi Lénk), der die Sitzung wegen anderer Verpflichtungen verlassen musste, sagte, dass wohl tatsächlich Fehler aus Unachtsamkeit getan worden seien.
Eine Affäre für die Justiz
Anderer Glockenschlag bei der ADR und der DP. Laut Gast Gibéryen (ADR) und Fernand Etgen (DP) habe es man mit einer äußerst ernsten Angelegenheit zu tun. Da sei Geld aus dem Fenster geschmissen worden, sagte sie nach Sitzungsende. Das sei eine Angelegenheit für den Staatsanwalt.
Das Ausmaß des Schadens und die Verwendung sämtlicher öffentlicher Mittel müsse definitiv ermittelt werden, fordert die Handwerksföderation am Freitagmorgen. Es genüge nicht, „in der Abgeschiedenheit einer Parlamentskommission politisches Getöse zu veranstalten.“ Die Föderation wirft den Beschäftigungsinitiativen seit langem unlautere Konkurrenz vor.
Robert Weber desavouiert
ProActif-Generaldirektor Romain Schmit hatte mit seinen Aussagen dem Präsidenten des Verwaltungsrats, Robert Weber, widersprochen. Der LCGB-Präsident hatte am Vortag lediglich von Interpretationsproblemen gesprochen. In der Buchführung von ProActif sei alles korrekt. Schmit distanziere sich von den Aussagen Webers.
Ob die Affäre rechtliche Folgen haben wird, wollte Beschäftigungsminister Nicolas Schmit nicht sagen. Er sei jedoch erstaunt über die Aussagen von Robert Weber am Donnerstag gewesen. Nächste Woche steht ein Treffen mit den Mitarbeitern von ProActif an.
Von den belgischen Revisoren BST werden auch OPE und Forum pour l’emploi geprüft. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Einem Zwischenbericht zufolge seien bei OPE keine größeren Unstimmigkeiten festgestellt worden, so Nicolas Schmit. Beim Forum pour l’emploi scheint die Lage undurchsichtiger. Die Rede geht von einem geschuldeten Betrag zwischen 200.000 und 1,2 Millionen Euro.
De Maart

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